Die Maison Ruinart geht auf Nicolas Ruinart zurück, der 1729 die Gründungsakte des Hauses unterzeichnete. Au nom de Dieu et de la Sainte-Vierge soit commencé le présent livre – die Anrufung aus dem ersten Warenbuch prangt bis heute auf den Stoff-Serviettten, wenn zum Dinner in der Rue des Crayères 4 geladen wird. Dem Handel mit Champagner hatte sich aber bereits sein Onkel, der Benediktiner-Mönch Dom Thierry Ruinart († 1709) verschrieben; schnell gab sein Neffe das eigentliche Familien-Business, den Handel mit Tüchern, auf. 1764 schreibt man Geschichte mit dem ersten Rosé-Champagner der Welt.
Ihn serviert man auch in drei Varianten beim Trinkprotokoll-Besuch in Reims. Der Firmensitz ist der historische und besitzt direkten Zugang zu den Crayères, den Kathedralen-artigen Kreidekellern, in den der Champagner reift. Ruinart selbst gehört zu den Champagnern unter der Flagge des weltgrößten Luxus-Konzerns LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton).
Entsprechend luxuriös fällt auch die Bewirtung aus, das Drei-Gang-Diner, kommentiert von Jean-Baptiste Duquesne, ist ebenso durchkomponiert wie der Vortrag des Gastgebers eine klare Strategie verfolgt: Uns den aus 45% Chardonnay und 55 % Pinot Noir (natürlich aus seiner Hochburg Aÿ) komponierten Rosé der „maison“ nahezubringen. Er hat einen generell sehr weinigen Charakter, 20% der Assemblage stammt aus Reserve-Rotweinen der vergangenen Jahrgänge.
Und die kräftige Perlage des ersten Glases in Reims bringt diesen Charakter spürbar in die Nase. Direkt expressiv kommt die Himbeer-Note des Brut Rosé durch. Sie wird von einer schönen Frische begleitet. Eine Wolke von fruchtigen Akzenten, namentlich Pfirsichblüte und Pink Grapefruit, entfaltet sich. Gibt man dem Glas Zeit, dann steigt auch die Kreide deutlicher aus diesem Neben der Fruchtigkeit.
Der Kostschluck, zu dem ein Lachs-Rote Rüben-Teller von Valerie Radou aufgetragen wird, ist deutlich anders gepolt. Hier kommen die Zitrusfrüchte zum Zug – Mandarine steht für die süßere, exotische Seite, Grapefruit für die Frische. Süße sucht man vergebens, dieser Rosé verweigert sich dem Kitsch. Etwas herbe Noten leiten das lange Finish ein, aus dem sich wie von Geisterhand dann eine erneute Steinobst-Welle formt; ein Touch Nektarine lässt auch den anfänglichen den Pfirsich-Duft nicht als Irrtum erscheinen. Und listiger Weise hat man den Begrüßungschampagner aus der Magnum eingeschenkt.
Was kann die Magnum vom Brut Rosé?
Denn nun wird von Jean-Baptiste Duquesne zu einem speziellen Vergleich aufgerufen, den man sich gleich als Silvester-Zeitvertreib unter Connaisseuren notieren darf: Rosé aus der 0,75 Liter-Flasche versus Rosé aus der Magnum (1,5 Liter). Im Champagner-Bereich wird ja auch direkt in der Magnum vergoren – größere Formate allerdings werden meist gesondert befüllt. In diesem Fall erfolgt der Vergleich aber zwischen zwei Flaschen, „die beide mit dem gleichen Kork verschlossen wurden, der Kopfraum beträgt 26 Millimeter“. Dieser Sauerstoff-Kontakt trifft bei der Magnum also auf die doppelte Menge Wein – langsamere Reifung sollte also danke der Physik garantiert sein.
Dass der „Brut Rosé“ aus der Normalflasche reduktiver im Duft daherkommt als das Glas aus der Magnum, überrascht also nicht so sehr. Die Ausprägung der Unterschiede allerdings schon: Kreide, Ribisl und Sauerkirsche ergeben einen weitaus knackiger-säurigen Duft als die erste Probe. Dazu kommt eine zurückgenommene Himbeer-Note. Auch am Gaumen ist der Rosé aus der Normalflasche deutlich cremiger. Die ungestümen Noten nehmen mit der Zeit aber zu. Ein leichtes Gerbstoff-Bitterl des Pinot Noir kommt durch, die roten Beeren werden von leichtem Pfeffer begleitet. Kurz gesagt: Die Jugend und die Kanten sind in der 0,75-Liter-Version deutlicher.
Vintage-Rosé 2007: Luxuriöse Mandarinen-Creme
Und wo es Jugend gibt, wartet auch das Alter. In diesem Fall reden wir von 12 Jahren. So lange ist es her, dass die Trauben für den „Dom Ruinart Rosé Millésimé 2007“ geerntet wurden. Der Name des Mönchs und ideellen Gründers von Ruinart, Dom Thierry, zeigt schon an, dass hier eine besondere Flasche wartet. Zehn Jahre lagerte der Schaumwein auf der Hefe, die Erwartung ist daher hoch. „Nicht jedes Top-Jahr für Chardonnay ist auch ein großer Jahrgang für Pinot Noir – wir brauchen aber beides“, kommentiert Monsieur Duquesne die Seltenheit eines Vintage-Rosés zusätzlich. Gegenüber der Rosé-Ausgabe ohne Jahrgang hat hier der Chardonnay (mit 80% der Cuvée) die Oberhand.
Die Mandarinen-Düfte lassen an ein Sorbet denken, vielleicht auch Biskuit-Rouladen. Etwas Säure zeigt der Anflug von Weichsel im Geruch. Doch hier verhält es sich umgekehrt wie zuerst. Der „Millésimé 2007“ ist kein Nasen-Wein! Er öffnet seine reiche Palette erst am Gaumen. Dann aber schälen sich auch dem herrlich cremigen Mousseux die roten Früchte nur so heraus. Wie aus einem Gaben-Sackerl purzeln einem Cranberry, Kornellkirsche und Vanille-Schoten entgegen.
Als Begleitung zum Essen mag derlei Rarität nicht alltagstauglich sein – das Wiesenlamm mit Artischocken und vor allem die Eierschwammerl sind aber ein herbstliches „Top-Match“. Als Solist legt der Vintage-Champagner kontinuierlich zu, wie eine Creme bedeckt sein fruchtig-säuriger Film die Zunge. Und auch wenn im Untergeschoß – am Weg zu den Kreidekellern – die Werke bildender Künstler für Ruinart warten: Die Kunst, die man hier pflegt, ist die der Dramaturgie. Denn dieser Jahrgangs-Rosé war zweifellos der dramatische Höhepunkt des Champagner-Diners von Reims!
Bezugsquelle:
Champagne Ruinart, Rosé Brut kostet EUR 67,28 (die Magnum kommt auf EUR 136,24), der Dom Ruinart Rosé Millésimé 2007 ist um EUR 297,60 zu haben, alle beim Versand Vinorama, www.vinorama.at