Dass sich das Sortiment eines großen Wein-Händlers ändert, wenn ein Kenner wie Wilhelm Klinger die Geschäftsführung übernimmt, klingt logisch. Der ehemalige Leiter des heimischen Weinmarketings (ÖWM) hat Wein&Co zum einen eine Spaßoffensive mit unkomplizierten Weinen verordnet, die dann nicht nur „Frecher Spatz“ heißen, sondern auch so aufgemacht sind – kann man natürlich bei uns nachlesen. Doch auch beim Angebot für Kenner gab der italophile Weinmanager, der nicht umsonst auch die Piemont-Legende Angelo Gaja vertrat, in wenigen Wochen Stoff. So feine Olivenöle standen seit der Gründung nie in den Regalen. Und sie kosten was, die Veronelli-Öle von Heinrich Zehetners Import, sind aber jeden Cent wert.
Ob die Sparefrohs das goutieren, sei dahin gestellt; Wein&Co-Gründer Heinz Kammerer zitierte immer seufzend die Durchschnittskonsumation pro Käufer in seinen Filialen („15 Euro“). Und so ist es mutig, dass der neue CEO auch die „Burgunder-Kompetenz“, wie es Klinger nennt, gestärkt hat. Das lag ihm besonders am Herzen, betont er in der Vinothek Bitzinger. Denn die dortige Verkostung von 18 Weinen, die er auf Einladung des Wiener Sommeliervereins zeigte, war implizit auch eine Novitäten-Schau. Nicht nur, weil sich die Weinhandelskette im legendären Gebiet verstärkt hat. Auch im Burgund selbst hat sich unterhalb der von Chinesen und Oligarchen hochgejazzten Preise eine neue Riege von Winzern formiert, die teilweise komplett unbeschriebene Blätter sind. Oder eben Quereinsteiger mit großem Namen, die sich erst spät für die Fortführung des Erbes entschieden haben. Und so kamen zwar die großen Herkünfte zur Sprache, aber eben auch recht neue Weine ins Glas – Spannung war also garantiert, Stilvielfalt ebenso. Und selbst bei der Farbe (nein, auch rote Burgunder sind nicht jedes Jahr durchsichtig hellrot!) zeigten die warmen Jahrgänge eine vom Klischée abweichende Variante.
Lieber salzig oder doch mit Sesam-Butter?
Denn Auftakt machten die Chardonnays, von denen der „Kalk-Blitz“ von Pierre Girardin vielleicht die eigenwilligste Werbung für die Weißen dieses Gebiets machte. Er trägt die „kleinste“ Herkunftsbezeichnung Bourgogne AOC, ist also weit weg von den teuren Lagenweinen. Doch es geht mittlerweile auch bei den geringer eingestuften Herkünften um viel Trinkvergnügen (persönlich empfehlen wir gerne einen Bourgogne Blanc aus dem Mâconnais).
Pierre-Vincent Girardin ist mit gerade 22 Jahren ein Jungspund, der mit dem Rest der Parzellen arbeitet, die sein Vater bei seinem Rückzug aus der Winzerei vor acht Jahren vorsorglich behalten hat. Dieser 2018er Chardonnay mit dem bereits erwähnten Namen „Éclat de Calcaire“ erinnert an die Kalkböden von Jerez, denn er ist bisweilen salzig und frisch wie ein Fino Sherry. Kein Gramm Fett erlaubt sich die Frucht hier, buttrige Noten vom Fass sucht man ebenfalls vergeblich. Dafür riecht es nach Charentais-Melone, der ebenfalls kühlen Passionsfrucht und reichlich Sesam, wie frisch vom Fladenbrot geschabt. Der lebendige Auftakt am Gaumen beamt einen dann von Meursault nach Jerez; salzige Noten, ein bisschen Oliven-Lake und vor allem reichlich Struktur sind hier vorhanden.
Frucht? Wer fragt danach, wenn es so einen wunderbaren, trinkanimierenden Chardonnay gibt, der von seinem Boden erzählt, dass selbst Skeptiker verstehen, was „Terroir“ sein kann? Gut! Pomelo und wieder Maracuja schlängeln sich mit den pikanten Noten mit ins Finish. Und nur für’s (Trink)Protokoll: Das ist gerade der zweite Jahrgang, den Pierre Girardin gefüllt hat!
Wer es klassischer mag und vor allem das Spiel aus Frucht und Holz auskosten will, das die burgundischen Chardonnays zum Rollenmodell werden ließ, wird beim premier cru von Bouchard Père & Fils mit der Zunge schnalzen. „Genevrières“ ist unter den Lagen stets eine der ersten, die geerntet werden. Denn sie steht für viel Frucht und röstige Noten. Die Frische heraus zu kitzeln ist das Kunststück. Und den im Château de Beaune beheimateten Winzern gelang es im Jahrgang 2017: Der unverkennbare Butterkeks-Ton eleganter Chardonnays aus dem Holz ist da, aber eben auch Zitronen-Konfit und Gelbe Kiwi. „Kirstein Blockmalz“-Zuckerln stehen gleichberechtigt daneben, sind aber nicht dominant, sondern ein Aromenbaustein unter vielen.
Diese Antagonisten matchen sich auch im Mund weiter; saftige Tropenfrüchte, etwas Pfirsich auch, geben den Takt vor, der zarte Rauch-Ton von geklärter Butter und gerösteten Haselnüssen bleibt aber ebenso hartnäckig. Wer die Meisterschaft der burgundischen Winzer mit den piéces im Zusammenspiel mit Lagen-Chardonnay nicht kennt: Dieser Meursault premier cru 2017 stellt ein perfektes Beispiel dafür dar.
Doch was wäre eine Burgunder-Probe ohne die Roten des gelobten Wein-Landstrichs? Auch sie kamen von der Basis-Herkunft „Bourgogne“ bis zum weltbekannten grand cru Clos de Vougeot ins Glas. Winzer Jean-Michel Guillon etwa hatte schon mit seinem „kleinen“ Pinot Noir „Les Graviers“, einem 2018er Jahrgang, aufgezeigt. Der röstige Stil zeigt eine moderne Handschrift, die Tannine des nach Heidelbeere schmeckenden Rotweins waren aber aktuell noch zu ruppig. Das ändert sich aber, als der Gevrey-Chambertin „Cuvée Père Galland“ 2016 dieses Weinguts ins Glas kommt. Das ist Pinot-Zauber pur!
Die typische Duftnote nach Eberraute (etwas prosaischer: Cola) und roten Früchten ist in der Sekunde da bei diesem Wein. Ein zarter Heidelbeer-Duft signalisiert die Reife des Jahrgangs und lässt sich auch im Mund nicht verkennen. Die dunklen Beeren bilden quasi einen Kern aus Frucht, um den wie Trabanten die anderen Geschmacksnoten kreisen. Als da wäre: Hibiskus, aber auch Gewürze wie Wacholder und Lorbeer, etwas saftige Weichsel und ein elegantes, langes Finish. Wer in Österreich zu den raren St. Laurent-Freunden gehört, wird auch diesen burgundischen Sorten-Cousin lieben!
Mon petit gars, il n’y a point de grands vins sans fûts neufs!
Mein Junge, es gibt keine großen Weine ohne neue Fässer!
Der Rat von Burgund-Legende Henri Jayer (1922-2006) an Jean-Michel Guillon
Als neuer „Haus-Winzer“ von Wein&Co war Jean-Michel Guillon et fils noch mit zwei weiteren Weinen vertreten. Auch wenn der „fils“, Sohn Alexis Guillon, seit heuer die Geschäfte führt, reicht der Besitz weit zurück. 90 Jahre alte Rebstöcke, die man zu Recht „vielles vignes“ nennt in Gevrey-Chambertin, sind es etwa für den 2018er, der nun ins Glas kommt. Es duftet nach Weichseln, die tiefe Frucht geht nahtlos in Edelholz-Noten und etwas Bitterschokolade über. Dieser „Gevrey-Chambertin“ erinnert mit dem dichten Frucht-Charme an Likör – allerdings nur in der Intensität der roten Beeren, keineswegs in der Süße. Diese Kraft des jungen Burgunders, der auch farblich kein heller Rotwein ist, unterstreicht das Holz in diesem Falle deutlich.
Er braucht ebenso noch Zeit wie der zweite Wein in diesem Flight, den Willi Klinger vorstellte. Auch der Nuits-St.Georges „Bas de Combe“ stammt aus dem Jahrgang 2018, allerdings vom Weingut der Brüder Arnaud und Alban Chopin. Hier greift man möglich wenig im Weingarten und Keller ein, ein hoher Anteil an ganzen Trauben – also inklusive Stielen – wird bei der Domaine A. Chopin vergoren. Dazu kommt eine weit zurückhaltendere Arbeit mit dem Fass; nur ein Viertel neues Holz setzt man für diesen Wein ein. Das Ergebnis riecht daher auch so, wie man sich eine Burgunder-„Stinkerl“ vorstellt. Die Stängel geben ein herb-grünes Rückgrat schon im Geruch, dazu gesellen sich herrliche Steinpilz-Düfte, etwas Unterholz und vor allem animierende Heidelbeer-Noten.
Am Gaumen zeigt der Rotwein aus der Côte-d’Or noch eine strenge Ader, die von viel Würze (Piment und Schwarzem Pfeffer) begleitet wird. Die Frucht wird von diesem Spiel zwischen Strenge und Säure des jungen Burgunders noch zart verdrängt. Kommt sie mit ihrem satten Schmelz deutlicher in den Vordergrund ist das ein echter Preis-Leistungswein – wir würden mal sagen: zum Hirschbraten oder der Weihnachtsgans des Jahres 2022.
Bezugsquellen:
Pierre Girardin, Bourgogne AOC „Éclat de Calcaire“ 2018 wird um EUR 27,95 angeboten ;
Bouchard Père & Fils, Meursault „Genevrières“ 1er Cru 2017 ist um EUR 74,95 erhältlich;
Jean-Michel Guillon et fils, Gevrey-Chambertin „Cuvée Père Galland“ 2016 kostet EUR 69,95, der Gevrey-Chambertin „Vielles Vignes“ 2018 ist um EUR 79,95 zu haben;
Domaine A. Chopin & fils, Nuits-St. Georges „Bas de Combe“ 2018 kostet EUR 59,95
Alle Weine in den Filialen von Wein&Co. bzw. im Webshop, www.weinco.at