„Endlich wieder ein Jahr nach dem Geschmack des Süßwein-Winzers“ – die Freude mit der Witterung 2015 war Gerhard Kracher anzumerken. Denn für die Jahrgangspräsentation der Trockenbeerenauslesen (TBA) am Weingut in Illmitz standen heuer 12 Flaschen parat. Und nicht nur eine, wie es zuletzt beim im Vorjahr präsentierten 2014er (Kostnotizen der Rarität haben wir hier) der Fall war. Das heiße Jahr sorgte für hoch konzentrierte Weine, auch farblich fallen sie – je nach Rebsorte – dunkler aus als gewohnt. „Elegant trotz hohem Zucker“ seien die 2015er, so der Winzer selbst, der wie immer durch die nach aufsteigendem Zuckergehalt sortierten edelsüßen Weine führte.
Hochfarbige 2015er in der goldenen Schale
Anlass zur Freude gab schon der heimliche Liebling am Weingut, der Rosenmuskateller. Zum letzten Mal muss er „codiert“ mit einer gezeichneten Rose am Etikett gefüllt werden; ab dem Jahrgang 2016 ist die Sorte endlich für Qualitätswein zugelassen und darf auch auf der Flasche angeführt werden. Die daraus gewonnene TBA „Nouvelle Vague“ Nr. 1 duftet nach Hibiskus, Hagebutten-Marmelade und Eibischteig. Die Früchtetee-Note sorgt auch am Gaumen für Saftigkeit: Fast schon an Erdbeer-Aromatik stößt die mit 150 Gramm gefüllte Trockenbeerenauslese hier an, dazu gibt es eine Karamell-Note, die mit den herben Aromen aus der Schale an „Ostfriesen-Tee“ erinnert. Sehr zugänglich ist dieser beste Begleiter zum Kaiserschmarren“ (© Kracher) – und ein feiner Auftakt der 2015er TBA-Serie.
Diese wurde – eine Premiere am Weinlaubenhof – nicht nur im Kostglas, sondern auch in einer Süßwein-Schale verkostet, die mit der Porzellan-Manufaktur Augarten entwickelt wurde. Für die strahlenden Aromen des Jahrgangs, so viel kann vorweg genommen werden, eignet sich das ungewöhnliche Behältnis. Und es verleiht mit seiner 24 Karat-Gold-Innenfläche den Prädikatsweinen eine natürliche Wertschätzung, die TBAs in Österreich leider viel zu selten haben. Wenn das Auftragen in der schwarz-goldenen Schale da hilft, nur zu!
Wer gab Thai-Basilikum in die Muskat-TBA?
Wir kosteten aber im Glas weiter und hatten mit der TBA Nr. 4 unsere Freude. Die Scheurebe bringt für uns ja seit Jahren die spannendsten Süßweine hervor – und bei aller positiven Voreingenommenheit für die mit 226 Gramm gefüllte TBA zeigte sie auch objektiv viel Komplexität: Maracuja satt, allerdings mit rauchigen Noten unterlegt und einer an Salzkaramell erinnernden Duftnote, kommt als erstes. Die Mango als erste Tropenfrucht am Gaumen dreht immer mehr in Richtung Lychee, die Karamellnote geht als Butterkeks weiter und dann kommt noch Würze. Kardamom-Kapseln und die unverkennbare Salzigkeit der Seewinkler „Lacken“, an denen die Trauben wachsen, schließen den Bogen. In früher Form schon groß!
Überhaupt ließe sich die Probe der elf regulären Weine (die TBA Nr. 12, eine Chardonnay–Scheurebe–Welschriesling-Cuvée blieb mit nur 4,5% Alkohol unter den gesetzlichen Anforderungen für Wein) in zwei Hälften teilen. Denn neben den fruchtsatten Varianten stachen einige besonders würzige Vertreter heraus. Am markantesten war dieser Zug bei der TBA vom Muskat-Ottonel (Nr. 8 des Jahrgangs 2015), auch wenn der sortentypische Duft davon noch wenig verriet. Im Mund allerdings kamen zum Butterkeks-Schmelz und der zarten Salz-Aromatik dann plötzlich unerwartete Akzente, die durch die Süße der 250 Gramm locker durchstießen: Thymian und Thai-Basilikum (!) sorgten hier für ein herbes und würziges Finale, das mit den Kakao- und Kokos-Noten ein verblüffendes Aromenspiel ergab.
Die Essenzen mit den Ordnungsziffern 6 ,7 und 10
Bei den von der (exotischen) Frucht geprägten Rebsorten fällt der Blick natürlich auf die Grand Cuvée, den Blend aus Welschriesling und Chardonnay, der heuer die TBA Nr. 6 vorstellt. Weißer Pfirsich und eine leichte Speck-Note mischen sich im Geruch mit einer frischen Pink Grapefruit-Zeste. Vollmundig kleiden die 238,8 Gramm Restzucker den Mund aus, man braucht eine Zeit, bis man die Früchte in diesem Tropen-Mix sortiert: Papaya, Ananas und auch Mango kommen in einer Intensität daher, die von einem langen und druckvollen Finish begleitet wird.
Trotz leicht höherem Zuckergehalt (hier sind es 246 Gramm) wirkt der reine Chardonnay, der als TBA Nr. 7 folgte, noch etwas lebhafter. Den röstigen Kaffee-Duftnoten und einer an Kokos und gesponnenen Zucker am Rummelplatz erinnernden Art in der Nase folgt ein komplexes Gaumen-Spiel. Bratapfel, um auf dem Kirtag zu bleiben, und saftiges Nougat, das sich mit der Tropenfrucht zu einer Art flüssigem „Bananensplit“ mischt, notierten wir. Das pikant-säuerliche Finale, an Gelbe Paprika erinnernd, setzt hier den Kontrapunkt. Mit 9,5% Alkohol entwickelt diese TBA auch bei einem Viertelkilo Restzucker am Liter glatt eine Süffigkeit.
Balanceakt mit Tropenfrüchten – die Säure macht‘s
Dass das Spiel aus Fruchtzucker, Alkohol und Säure durchaus nicht am Einzelwert festzumachen ist, zeigte dann der Vergleich der beiden Welschriesling-TBA Nr. 9 und Nr. 11. Während der mit 270 Gramm gefüllte Welsch „Zwischen den Seen“ mit seinen 9,5 Volumsprozenten eine HARIBO-Pfirsich-Aromatik lieferte, die fast zu viel des Guten war in ihrer kompottigen Saftigkeit, legte es die Nr. 11 anders an. Wohlgemerkt hatte dieser Wein am Papier noch über 40 Gramm Zucker mehr (um genau zu sein: 313 Gramm/Liter), allerdings schlanke 6,5% Alkohol. Rauchig im Beginn, der von einem Duft nach rotem Apfel und Grapefruit lebt, kommt eine salzig-säuerliche Mischung auf den Gaumen: Himbeere, überhaupt viel rote Früchte, und eine cremige Art stehen zu Buche. Bei aller Süße erinnert die Welschriesling TBA Nr. 11 an Ribisl-Schnitten und Himbeer-Baiser. Wer einen Süßwein sucht, der bei hohem Zucker in völliger Balance zwischen Süße, Säure, Kraft und Lebendigkeit steht – hier wäre einer!
Wobei, natürlich auch die zweite Scheurebe (TBA „Zwischen den Seen“ Nr. 10) kann etwas! Was mit einer Mischung aus Honig und Zitronenmelisse wie ein Kräutertee duftet, entlässt mit der Zeit auch exotischere Duftnoten – Mango und Grapefruit strahlen hier fast in ihrer Saftigkeit. Die vollmundige Mischung aus Dosen-Mandarine und Bergamotte zeigt bei aller Intensität (289 Gramm Zucker) auch herbe Noten, die vor allem im Abgang das große Potential dieser 2015er TBA demonstrieren. Um Winzer Gerhard Kracher (leicht abgewandelt) zu zitieren: „Es war ein Jahr nach dem Geschmack des Süßwein-Trinkers“!
Bezugsquelle:
Weinlaubenhof Kracher, TBA 2015 „Rosenmuskateller No. 1“ ist um EUR 38 erhältlich, die TBA 2015 „Scheurebe No. 4“ kostet EUR 39, die TBA 2015 „Muskat Ottonel No. 8“ ebenso wie die „Grand Cuvée“ 2015 (TBA No.6) und die TBA 2015 „Chardonnay No. 7“ EUR 40; die TBA Scheurebe No. 10 ist um EUR 43 erhältlich – alle in 0,375 Liter-Flaschen und im Kracher-Webshop, https://shop.kracher.at