Es dauert halt ein bisserl. Aber mit 265 Weinen, die sich in zwei Tagen dem Fachpublikum in Grafenegg stellen, ist die Auswertung der „En primeur“-Verkostung langwierig. Denn die Lagenweine der Winzer-Vereinigung ÖTW werden von uns immer blind nach Nummern gekostet. Kein berühmter Lagen-Name soll ablenken und auch keine Sympathie zu Winzerin oder Winzer den objektiven Blick trüben. Daher werden erst hinterher unsere „Lieblinge“ dekodiert und den wackeren Weinbauern dahinter zugeordnet. Doch nun ist es so weit und die ersten Weißweine der großen Lagenkost kommen zu trinkprotokollarischen Ehren!
Der Wiener Weinbau hatte einen markanten 2019er Jahrgang mit, der vor allem bei den Gemischten Sätzen Großes erwarten lässt. Um es in Zahlen zu sagen: 12 der 26 Lagenweine aus der Hauptstadt waren Mischsätze und vier aus unserer „Top 5“ ebenso. Die Ausnahme bildete ein Weissburgunder, der sich in Wien immer prächtiger entwickelt. Aber davon später mehr. DAC-Wein first!
Ganz außergewöhnlich in der Serie der Wiener Lagenweinen zeigte sich der Gemischte Satz vom Maurerberg, den Michael Edlmoser gekeltert hatte. Der „Himmel 2019“ riecht, man kann es nicht anders sagen, wie ein India Pale Ale. Mehrfach riechen wir ins Glas, ob das eh so sein kann. Doch nicht nur die intensive Passionsfrucht ist da. Auch der herbfrische-Ton des Hopfens (für Bierkenner: „Mandarina Bavaria“) findet sich als kräutrige Duftnote wieder. Saftig wird es dann im Mundgefühl, hier drückt Edlmosers Gemischter Satz ordentlich an, die Tropenfrucht der Sorten, laut Weingut sind darunter Traminer, Zierfandler und Rotgipfler, konnte sich im warmen Jahrgang voll entfalten. Aber auch hier kommt zu Ananas und Maracuja ein deutlicher Pfeffer-Schwall. Er sorgt mit dem Boden-Ton der Riede „Himmel“ für eine frische Art, die nie grün wirkt, aber doch bei aller Dichte der gestaffelten Fruchtaromen eine Leichtigkeit ermöglicht. Anders gesagt: Das will man trinken!
Ähnlich würzig kam dann der „Falkenberg“ ins Glas, ein 2019er Gemischter Satz von Fritz Wieninger. Dieser Weißwein aus der kalk-reichen Ostlage am Bisamberg ist praktisch von Beginn an aufregend würzig. Mango-Chutney, aber auch Bockshornklee-Samen und etwas Macis, sorgen für eine indische Duftnote. In der Tat beschreibt man auch am Weingut diesen Wein aus sieben Sorten (darunter: Chardonnay, Neuburger und Traminer) als „würzig, asiatisch“. Und das stimmt in diesem Jahrgang wieder. Exotische Natur signalisiert auch der Gaumen, wenn sich kühle Banane, etwas Ananas und wieder der würzige Grundton melden. Eine zarte, salzige Körnung prägt das Nach-Bild dieses Wiener Gemischten Satz‘, der bereits jetzt auch eine schöne Balance all dieser Noten aufweist.
Ebenfalls von Wieninger stammt der schon in der K.u.k. Monarchie prestigeträchtige „Rosengartel“. Mit 14,5% Alkohol war die Nussberger Paradelage der mächtigste der Wiener Vertreter – allerdings nur auf dem Papier. Denn schon die Nase meldet höchste Eleganz: Rosen-Seifen-Duft wie ein Traminer, etwas Himbeere und den rötlichen Tropenfrucht-Ton, den die kühle Papaya gerne zeigt. Auch der Antrunk dieses Gemischten Satzes (fast 50% stellt Grüner Veltliner, so Fritz Wieninger) zeigt eine kühle Art. Nektarine und wieder exotische Früchte. Die Würze des „Rosengartels“ schimmert aber ebenso deutlich mit. Geschmacksnoten wie Gelbes Curry, marokkanische Salz-Zitrone oder Kumquat, werden von einem noch merklichen Gerbstoff gekrönt. Kurz: Es ist alles da und muss sich nur noch ein wenig sortieren. Flaschenreife, bitte kommen! Dann wartet hier ab 2022 ein herrlicher Gemischter Satz.
Auch der „Gollin“ von Thomas Huber stellte für uns einen hervorragenden Vertreter unter den Mischsätzen dar. Der würzige Untergrund der kalkreichen Lage am Nussberg schimmerte schön durch. Doch beim Weingut Fuhrgassl-Huber in Neustift hat man immer eine Betonung der Frucht im Sinne, auch Restzucker stört den Winzer nicht. In diesem Fall blieb man aber recht trocken, die typische Veltliner-Note von Gelbem Apfel bringt sogar einen Schwung Brennnessel in der Nase mit. Der „Gollin 2019“ duftet frisch und sehr würzig, zu den Nesseln notierten wir auch frisch geschnippelte Gelbe Paprika.
Saftig und tropenfruchtig beginnt dieser Wein am Gaumen, schön entfaltet sich wieder der Gelb-Frucht-Mix, vor allem Mango und Golden Delicious-Apfel sorgen für Saftigkeit. Aber es ist keine Fruchtbombe, sondern ein Wein mit Tiefgang, der immer mehr Facetten zeigt, je länger er im Glas tanzt. Braune Senfsaat sorgt für fast tanzende Würze im Finish – das geht sich herrlich mit dem exotischen Charakter der Frucht aus! In seiner Lebendigkeit ein Wiener Wein, der viele Fans haben wird – nicht nur beim Heurigen!
Nix „Golli, golli“ – dieser Gollin hat Pinot-Power!
Und die reinsortigen Wiener Weißen? Nun, die Riede Gollin schrieb sich noch ein weiteres Mal in unsere Grafenegger Bestenliste ein. Denn auch der Weissburgunder scheint sich auf den Kalksanden am Nussberg wohl zu fühlen. Vom Weingut Hajszan Neumann stammte ein 2019er, der schon im Duft einen Spannungsbogen aufzieht: Zwischen einem Rauch-Tönchen, das an geflämme Zituszeste erinnert, und einem satten Marmor-Kuchen-Touch voller Nussigkeit nämlich. Auch am Gaumen ist da das reizvolle Spiel der Kontraste; in diesem Fall trifft saftige Nektarine auf Orangenspalten und Karamell-Noten. Mit 14% Alkohol und dem markanten Fruchtausdruck ist das kein filigraner Burgunder, aber ein absolut sicheres Versprechen für die kommenden Jahre. Trinkspaß à la viennoise garantiert!
Bezugsquellen:
Weingut Edlmoser, Wiener Gemischter Satz „Ried Himmel – Maurerberg“ 2019 kostet EUR 16 ab Hof, www.edlmoser.com
Weingut Wieninger, Wiener Gemischter Satz „Ried Falkenberg“ 2019 ist um EUR 21,90 ab Hof bzw. im Webshop zu haben, für den Wiener Gemischten Satz „Rosengartl“ 2019 ist noch kein Preis bekannt, www.wieninger.at
Weingut Fuhrgassl-Huber, Grüner Veltliner „Ried Gollin“ 2019 kostet EUR 19,90 im Sechser-Karton, https://shop.fuhrgassl-huber.at/
Weingut Hajszan Neumann, Weissburgunder „Ried Gollin“ 2019 ist um EUR 24 beim Weinhandelshaus Döllerer zu haben, https://weinhandelshaus.at