Man darf ja gern aus dem Nähkästchen plaudern. Bei jeder SALON-Kost steht für uns ein Flight im Mittelpunkt, mit dem andere Verkoster – wenn überhaupt – aufhören. Die Prädikatsweine gehören mit ihrer Finesse aber ganz am Beginn verkostet. Denn nur, wenn feine Säure im Spiel ist, hat die Süße dieser Weltklasse des heimischen Weinbaus einen Gegenspieler. Und so freuten wir uns auch heuer auf jene – mit einer Ausnahme (die „fruchtsüßen Weine“ gewann die NÖ-Fachschule Retz) – rein burgenländischen Weine.
Den Sieg bei den „Edelsüßen Weinen“ holte sich ein Routinier, der auch schon einige Male zum weltbesten „Sweetwine maker“ gekürt worden war. Hans Tschida vom Angerhof hatte einmal mehr gezeigt, wie perfekt die gern geschmähte Scheurebe sich für Prädikate eignet. Seine 2017er Trockenbeerenauslese (TBA) lässt vor allem bei den Werten aufhorchen. Beinahe 10 Gramm Säure und ein leichter Alkohol von 7,2% macht diesen Wein auch für alle interessant, die dem Analytik-Blatt mehr trauen als ihrem eigenen Gaumen. In diesem Falle haben beide recht, denn der leicht herbe Duft nach Quitte und Golden Delicious begleitet einen wunderbar balancierten Süßwein. Die breite Anlage zu Beginn zerfließt förmlich im Trinkverlauf.
Was als intensives Pfirsich-PAGO von einem Wein beginnt, wandelt sich über einen Mittellauf von Akazien-Honig, Mango und sogar etwas Lychee zu einem herben Finish. Mit seinen würzigen Hagebutten-Noten rundet der Abgang eine nicht nur „vergoldete“, sondern auch im Aroma golden erstrahlende TBA aus Illmitz ab.
Parallel hatten die Fachleute einen edelsüßen Wein in die Runde der „Auserwählten“ (= keine regulären SALON-Teilnehmer, die aber herausragende Abfüllungen erzeugen) aufgenommen. Kurt Feilers 2016er Ruster Ausbruch, in diesem Falle eine Cuvée aus Weißburgunder, Chardonnay und Ruländer (Pinot Gris), bringt eine lebhafte Art mit, die man bei satten 221 Gramm Restzucker vielleicht nicht vermutet hätte. Melone und Grüner Apfel machen Laune im Duft, der intensive Gaumen legt nach. Auch da sind es wieder Melonenstücke, die man schmelzend wahrnimmt, dazu auch saftige Pfirsiche.
Es ist ein Essenz-artiger Eindruck, der mit einem von Chili-Paprika geprägtem Finale aber erneut Frische aufnimmt. Feilers Blend, in dem mit 65% der Weißburgunder dominiert, scheint ideal proportioniert – ein reiner Chardonnay wäre wohl weitaus breiter als dieses Florett aus Frucht und gesponnenem Zucker. Große Klasse!
Alternativwein – qu’est ce que c’est?
Doch da war mehr Gold am Kosttisch im Palais Niederösterreich: Erstmalig wurden die 17 Kategorien um eine Rubrik „Alternativweine“ erweitert, die den diversen maische-vergorenen Abfüllungen („Orange Wines“) galt. Vom witzigen „Qualtinger, Teil 2“ des Wieners Michael Edlmoser angefangen, einem Gemischten Satz, der zwischen Rooibos-Tee und Birnenschale oszillierte, waren hier andere Geschmacksbilder gefragt. Der „Alternative“ von Edlmoser zeigte dies mit einem ledrig-herben Wein in der markanten Flasche vor. Karl Fritsch wiederum legte mit seiner „Materia Prima“ 2017 eine Cuvée aus Traminer und Grünem Veltliner vor, die im Beton-Ei ungeschönt reifte.
Der Duft nach Marzipan und Orangen, aber auch Ananas und Ringlotten macht neugierig auf diesen Fritsch-Wein in der massiven schwarzen Ton-Flasche. Der lebendige Auftakt bringt gleich einmal einen Schwung Steinobst mit. Eine leichtfüßige Erdigkeit könnte man diesem „Urstoff“ (=Lat.: materia prima) attestieren. Denn das lange Finale gehört Noten wie Kurkuma und Hagebutte sowie dem Thai-Gewürz Galgant. Den ersten Sieger der neuen Kategorie aber stellte nicht dieser Wagramer mit den feinen Anlagen, sondern ein Meister des alternativen Weins aus der Thermenregion.
Franz Landauer-Gispergs „wild“ 2016 hatte allerdings ebenfalls auf den Traminer als Sorte gesetzt. Massiver Buschrosen-Duft zeigt die Rebsorte auch olfaktorisch an; dazu kamen die herben Noten frischer Hagebutten. Intensiv, ja fast ölig, kleidet der Tattendorfer Traminer den Mund aus. Die Sorte kommt auch hier schön durch, der gefürchtete Gerbstoff maische-vergorener Sortenvertreter (Grund: die dicke Schale und damit mehr Extraktion) bleibt außen vor! Dafür gibt es feine gelbe Frucht- und Kräuternoten, unter denen die Kamille neben etwas Honigmelone herausragt.
In diesem Fall stimmt auch, was man den „Orange Wines“ gerne zuschreibt: Landis wilder Traminer macht zum Essen gute Figur. Wir träumten nahezu sofort von Krautfleckerln; der Winzer selbst empfiehlt Eierschwammerl-Pasta. Das wäre dann nicht nur im Glas „wild“!
Bezugsquellen:
Angerhof Tschida, Scheurebe TBA 2017 kostet EUR 29,- (0,375 Liter-Flasche) ab Hof bzw. im Webshop, www.angerhof-tschida.at
Feiler-Artinger, Ruster Ausbruch „Pinot-Cuvée“ 2016 ist um EUR 21,- (0,375 Liter-Flasche) ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.feiler-artinger.at
Weingut Fritsch, Cuvée „Materia Prima“ 2017 ist um EUR 29,99 bei Meinl am Graben online zu bestellen, www.meinlamgraben.at
Landauer-Gisperg, Traminer „wild“ ist um EUR 21,20 (0,75-Liter) im Webshop bzw. ab Hof zu haben, http://winzerhof.eu