Mitunter kommt man erst drauf, was man tut, wenn es eine passende Bezeichnung dafür gibt. „Weinfreundschaft“ etwa wäre so eine Definition, die einerseits signalisiert, dass man nicht sein Leben gemeinsam fristet, sich in einem engen Themenbereich aber trefflich überlappt. Und es kann auch eine Zeit ins Land gehen, bis man wieder zusammenkommt, ohne dass jemand den Vorwurf erhöbe „Du pflegst unsere Freundschaft nicht“. Denn wann immer wieder ein Tisch mit Flaschen zum Podest der Verehrung der Winzer-Arbeit mutiert: Wir sind da. Darin geht man dann vollends auf und kennt auch keinen Spaß (wiewohl genug Schmäh geführt wird).
Die prägnante Bezeichnung derlei „beweglicher Feste“ in Sachen Wein stammt von Kurt Steiner, mit seiner Gattin Daniela Winzer in Klöch, und schon ab und an im Trinkprotokoll zu Gast gewesen. Die sommerliche Verkostung der neuen Weine von Vinea Vulcanica Ludovici (VVL), wie das Weingut mit vollem Namen heißt, beinhaltete zwei Jahrgangsvergleiche, die ja grundsätzlich Freude bereiten. Einmal, weil sich die Unterschiede zeigen sollten, welche die Witterung und der Umgang damit ergeben. Andererseits aber möchte man sie auch erkennen und ihnen dann seine Weinverständnis zu unterlegen.
Riesling-Doppel 2019 und 2020: Erst Boden, dann Sorte
Im Falle des Rieslings, der am winzigen Weingut der Steiners die Hauptsorte darstellt, war dies eine klare Sache. Denn der aktuelle „Ab Avo“, seines Zeichens ein Jahrgang 2020, bringt den Boden deutlicher in Stellung als die Sorte – an sich ein gutes Zeichen, das für die alten Reben spricht. Dem rauchigen Ton des Basalts folgt etwas Grapefruit-Zeste im Duft. Und dann ein typisches Zeichen des Klöchbergs, die tiefen, fast dunklen Noten, die plötzlich die Nase erreichen. Im Mund tritt dann auch die Pfirsich-Tönung auf, die viele beim Riesling als Kletterhaken für ihre Beschreibungsklimmzüge brauchen.
Allerdings erinnert sie bei diesem Wein eher an die Schale der Steinfrucht, was für die kühle Art dieses Jahrgangs spricht. In der Tat flankiert auch heller Apfel diese sortentypische Note. Während man noch so über den Obstgarten am Gaumen sinniert, kommt aber schon feiner Pfeffer durch. Womit das Finale des jugendlichen „Ab Avo“ zart herbe, kühle und helle fruchtige Noten ohne überbordende Süße – für uns erneut Nektarine vor dem Reifeplateau – zugleich aufweist.
Kommt dann der ebenfalls mit 13% Alk. und gleichem Aufwand vinifizierte Riesling 2019 ins Glas, sieht man, was ein Jahr ausmachen kann. Säurige Marille ist hier sofort da, auch wenn Pink Grapefruit-Duft ebenfalls einen frischen Begleiter darstellt. Feine Mandelöl-Düfte sorgen für ein animierendes Duftbild! Am Gaumen formt sich dann ein freudiger Ausdruck: So soll Riesling schmecken – feine Klinge, lieber etwas herber als zu plakativ fruchtig und fast pikant in seinem Spiel zwischen der Würze des Bodens und der Frucht des Top-Jahrgangs. Dass fünf Gramm Restzucker im Spiel sind, gehört ebenfalls auf die Habenseite gebucht. Denn es steht dem Wein prächtig, zumal eben auch die würzigen Mitspieler Pikanz und vulkanischer Boden vom Leder ziehen. Dieser 2019er macht bereits jetzt viel Trinkvergnügen – und wird es auch in fünf Jahren tun!
Einen weiteren Vergleich, in dem es in diesem Fall um den Ausbau, also das verwendete Fass, ging, offerierte der „Kairos“ 2019. Er folgte dem hier ausführlich beschriebenen ersten Wein, der 2018 in das Geburtstagsgeschenk aus Frankreich durfte. Dieses „piéce“ mit dem „Légère Longue“-Toasting füllte Steiner diesmal nicht mit einer Cuvée, sondern reinsortigem Riesling. Ja, die elegante Sorte kam ins kleine (228 Liter) Fass! Im Vergleich ist dieser 2019er „Kairos“ lebhafter in der Nase als sein Vorgänger gleichen Namens: Sesam, Mandelmilch und Weißer Pfeffer leiten neben einem zarten Rauch-Ton (Basalt, wieder einmal!) ein. Johannesbeere und etwas Orange sind ebenfalls zu riechen.
Am Gaumen ist die Verblüffung ebenso groß. Wo ist der Holzeinfluss geblieben? Saftig und mit feinem Druck rollen die Steinfrüchte über den Gaumen. Etwas Marille, dazu erneut die Orange. Bei aller Jugend wirkt das schmelzig und gerundet, allerdings ohne merklichen Holzeinfluss. Das Geheimnis der burgundischen Chardonnay-Machart dürfte in der Tat an Fässern wie diesem liegen – quod erat demonstrandum!
Vielschichtigkeit aus einem Haus: Cuvée Nobiles 2020
Vom Beweis zum Plädoyer: Ein solches folgte in der Verkostung für das Cuvéetieren weißer Sorten. Die erste Cuvée „Nobiles“ war einem Naturereignis – dem Spät-Frost des Jahres 2016 – zu verdanken, als die nicht erfrorenen Reben gemeinsam gekeltert wurden. Das Ergebnis überzeugte und wurde weiter verfeinert. Aus dem Zufallsfund der Basis-Rezeptur wurde längst ein Basiswein! Kurt Steiner formuliert es seinem Naturell gemäß ebenso präzise wie bestimmt: „Wir wollten eine neue Sorte schaffen“. Dementsprechend ist die Zusammensetzung ausgeklügelt und flankiert die Hauptsorte Riesling (40% Anteil am Blend) mit 25% Traminer, 20% vom Welschriesling und einem 15%-Anteil Sauvignon Blanc. Er wird als bewusste Entscheidung zugekauft, denn die Cuvée wäre ohne ihn nicht dieselbe. Wie geht aber die Suche nach einer neuen Sorte in Klöch aus?
Man kann es kurz machen: Mission erfüllt! Der Duft des aktuellen „Nobiles“-Jahrgangs bringt die Summe aller Bestandteile mit. Da wäre die reife Johannesbeere des Sauvignons ebenso zu finden wie saftiger Nektarinen-Duft des Rieslings. Zarte Rose und einen gewissen Schmelz verleiht der Traminer, der einen Gegenspieler in der säurigen Gelbfruchtigkeit des Welschrieslings hat. Er bringt einen Golden Delicious in das Bukett ein, das mit dieser olfaktorischen Fülle aber lautstark eine Botschaft sendet: Trinken!
In der Tat füllt der saftig-fruchtige Jüngling den Mund aus mit den Anklängen von Kiwi und Apfel. Nichts ist hier kitschig oder süß, der kühle Charakter erinnert bisweilen an das Fruchtfleisch von Limetten. Die säurigen Anteile des Blends bringen neben dem Trinkanimo auch eine gute Länge mit sich. Nussige Akzente mengen sich in dieses Finale, das deutlich vom Riesling geprägt scheint. Der Mehrheitsanteil hinterlässt eine verhauchende Erinnerung an Marillenstrudel mit Nussbröseln. Und wer einen Soudtrack zum Wein brauchen sollte: „Coat of many colous“ von Dolly Parton böte sich an.
Bezugsquelle:
Vinea Volcania Ludovici, der Riesling „Ab avo“ 2020 ist um EUR 15 erhältlich, der Jahrgang 2019 kostet EUR 14 und die große Reserve „Kairos“ 2019 EUR 34. Die Cuvée „Nobiles“ 2020 ist um EUR 16 zu haben; alle Weine ab Hof, www.vvlweine-steiner.at