Letztens erst standen wir beim Afterwork in einem Getränkehandel und stellten fest: „Das sollte man öfter trinken“. Das ganz leger aus dem Kühler gereichte Glas Champagner war die „Carte jaune“, das gelbe Etikett, von Veuve Clicquot. Diese Abfüllung, die es scheinbar überall gibt, „ist die schwierigste in der Erzeugung“, erläuterte Madame Œnologue, Alexandra Doillon Jardin. Sie war aus Reims in den Mailberger Hof gekommen, um die Details der bekannten Marke zu erläutern. Dazu gehört die Herkunft der gelben Etikette (auch wenn sie manche für „orange“ halten): „Damit wurden in England die trockenen Champagner unseres Hauses gekennzeichnet“. Das diffizile Zusammenspiel dahinter besteht nicht nur in der Assemblage von 50% Pinot Noir, 30% Chardonnay und 20% Pinot Meunier.
Auch die Ausrichtung der Weinberge wird zunehmend wichtiger, um Reife und doch Frische in einen Wein zu bringen, der jedes Jahr Millionen-fach gleich schmecken soll. Der Anteil der Reserve-Weine, also älteren Jahrgängen, in der Zusammenstellung ist dazu ein Schlüssel. Von 1988 an hat man sie noch auf Lager, verrät Madame Doillon Jardin. Denn mit 45% macht dieser Part einen großen Teil des Geschmacks des „Yellow Label“ aus.
Aromatisch denkt man zunächst an Himbeer-Macarons; deutlich ist aber auch die Säure im Duftbild. Sie weist aber keine Spitzen auf, sondern erinnert eher an Orangen-Creme und Eisenkraut. Der Gaumen wird schön cremig ausgekleidet, auch da merkt man die Reserve-Weine an der Struktur der Perlage.Erneut ist Himbeere da. Man schmeckt neben den hellen Beeren aber auch Bitterorange als Zeichen der eleganten, aber merkbaren Gerbstoff-Struktur. Das Finale wird dann von Kräuternoten – vor allem Zitronenmelisse – mit einer neuen, lebendigen Facette versehen.
Interessanter Weise basiert auch der Rosé der maison de Champagne auf der besagten Assemblage. „Allerdings fügen wir 12% Rotwein hinzu“, führt die Französin zum zweiten Glas der Schaumweinprobe aus. Der relativ hohe Anteil wird ebenfalls nach Erntejahr variiert und kann noch höher (16% etwa) sein. Die Qualität dieser Wein aus dem Grand-Cru-Örtchen Bouzy in der Montagne de Reims prägt den mit 8 Gramm Zucker dosierten rosa Champagner. Er wird sehr fruchtig, aber nie süß.
Die roten Trauben ergeben unsere besten weißen Weine.
Barbe-Nicole Cliquot-Ponsardin
Im direkten Vergleich mit dem „Yellow Label“ kommt mehr Hefe an die Nase. Die Himbeere ist spitzer, also zugleich frischer und säuriger. Man denkt aber auch an die in der Champagne so beliebten Kekse von Fossier („Biscuit Rose Caramel“). Dazu kommt eine mit Luft deutlicher werdender Akkord von Kirsche und bisweilen sogar Schwarze Johannisbeere – nicht ganz reif und noch säurig frisch. Im Mund wirkt der anfangs präsente Kirsch-Geschmack fast dropsig. Er hat mit der Kohlensäure zusammen etwas von Brausepulver. Doch der Eindruck dreht in Richtung anderer Früchte, sobald sich die Perlage am Gaumen entfaltet. Fast noch weiße Ribisln sind dann zu schmecken, ein Alzerl Weißer Pfeffer auch und die feine Säure der roten Johannisbeere macht einen sicher, dass man hier auf der richtigen Spur ist.
Die roten Früchte dominieren, aber man wird vergeblich nach Süße suchen. Und eine ganze Liste an möglichen Essenspartnern kam zusammen, als er verkostet war: Italienischer Rohschinken, Roastbeef, Kalbstafelspitz, Lachsravioli mit Beurre Blanc…
Höhepunkt war natürlich das Entkorken der „Grand Dame“, jenem Vintage-Champagner, der an die Namensgeberin Barbe-Nicole Cliquot-Ponsardin, die berühmte Witwe Cliquot, erinnert. Aktuell kommt Jahrgang 2018 in den Verkauf, was die Vorfreude erhöhte. Denn die Reife des Pinot Noirs war gut in diesem Jahr und die rote Rebsorte macht 90% in der Assemblage aus. „Auch der Pinot kann viel Frische ergeben“, erläutert die Kennerin – und sie hat recht. Fast zu frisch und ungestüm ist der Veuve-Vintage 2018. Man sollte ihm also Zeit im Glas geben oder ev. karaffieren. Die erste Nase liefert Birne in Reinkultur. Sehr frisch und deutlich ist diese Frucht ausgeprägt, hinter der Ananas-Gelée und auch zarte Röstnoten auftauchen – Mohn-Cräcker ist eine Assoziation, die sich zwischen den fruchtigen Akkorden einstellt. Blanchierte Mandeln hingegen brauchen etwas Zeit, damit man sie deutlicher wahrnimmt.
Das wundert auch nicht: Frühestens nach sechs Jahren auf der Hefe kommt diese Abfüllung, die es seit 1973 gibt (damals startete man mit dem Jahrgang 1962), in den Handel. Die Jugend äußerst sich als Druck und Säure in der ersten Begegnung. Wir notieren gelben Apfel. Noch deutlicher ist dann die weißfleischige Birne da; wirklich nur ganz zart sind auch jugendliche Pfirsiche zu schmecken. Man spürt aber, dass hier noch mehr erscheint, wenn man Geduld hat. Ergo warten wir…
Denn in der Zwischenzeit gibt es den „Rich“ zu verkosten. Mit 55 Gramm (!) Zucker und auf Eiswürfeln gereicht, ist er für uns als Champagner-Snob aber nichts, was trinkprotokolliert wird. Lieber geben wir der „Großen Dame“ noch die Zeit, die sie braucht. Nicht, um sich frisch zu machen. Im Gegenteil, um sich zu entfalten. Nach 15 Minuten Plauderns mit Mme. Doillon Jardin gesellt sich in der Nase des 2018ers dann Limettenschale als neue Note hinzu. Die feinere Struktur lässt auch am Gaumen neue Entdeckungen zu: Kiwi und einige Zesten-Töne sind dann zu erkennen. Rückgrat bleibt aber die saftig-kühle Birne. Lange im Finish wird der Jahrgangschampagner durch den dezenten Schalen-Ton und die herbe Frische von Limetten.
Es gibt also zwei Arten, sich dieser Hommage an „la veuve Cliquot“ zu nähern: Voll Freude über die jugendliche Frische und Vielschichtigkeit. Oder mit etwas mehr weinigem Charme in einigen Jahren. Sie haben die Wahl!
Bezugsquellen:
Veuve Clicquot, Brut Yellow Label kostet EUR 58,99, der Champagne Rosè wiederum ist um EUR 69,90 erhältlich – beide bei Interspar oder im „Weinwelt“-Shop, www.interspar.at
Veuve Clicquot, „La Grande Dame“ Vintage 2018 wird z. B. um EUR 159,- bei May Wines angeboten, https://maywines.com