Noch beim Nachhause-Gehen musste von einigen der 2011er Weinen geschwärmt werden. „Rauchig wie knusprige Sesam-Goldfischli und würzig wie Paprika-Speck“ mag schließlich nicht die typische Wein-Beschreibung sein. Erwin Sabathis Sauvignon Blanc aus der Ried Pössnitzberg lässt sich aber nicht treffender charakterisieren. Er ist in Restmengen sogar noch vorhanden. Und das war einmal mehr der Wermutstropfen bei der Raritäten-Kost der Steirischen Terroir-Weingüter (STK). Denn auch, wenn man erstmalig in der Alten Börse Wien schaute, wie die „Aktien“ der letzten Jahrgänge stehen, sind viele dieser bis 2003 zurückreichenden Kreszenzen längst vergriffen.
Das galt etwa für Hannes Sabathis expressiven „Ried Kranachberg“ 2013, der mit seinem tropenfruchtigen Duft samt leichtem Rauch-Ton (ausgewischter Aschenbecher, schreibt Kollege Klimek da gerne – und treffend) neugierig machte. Es war ein Wein in perfekter Balance. Säure hatte dieser Sauvignon Blanc immer noch genug, um der üppigen Steinobst-Mischung (Nektarine vor allem) Paroli zu bieten. Das Ganze rundete ein Touch Weißbrot mit weißem Sesam ab. Aber leider: Es gibt ihn nicht mehr zu erwerben. Ein „Schicksal“, das Sabathis Wein mit dem Morillon „Ried Flamberg“ 2011 von Katharina Lackner-Tinnacher teilt. Kurz und klar steht daneben in unserem Kostheft „Vermutlich der Beste“. Denn auch hier beindruckt die Ausgewogenheit der Komponenten.
Ein Frucht-Säure-Spiel von beachtlicher Intensität und mit einem tropischen Einschlag, der aber immer frisch wirkt, stand bei diesem Wein zu Buche. Man konnte sich der Mechanik dieses Ausnahme-Chardonnays aber gut annähern über den noch verhalteneren und auch stärker von der Säure geprägten 2013er Flamberg. Der aktuelle Morillon, 2017 geerntet, lebt dafür stark vom Rauch des Muschelkalk-Bodens. Sowohl die Nase, als auch der Gaumen melden: „Smoky“! Und genau für solche Entwicklungspfade, die erst im direkten Vergleich erkennbar werden, lohnt die Raritäten-Kost.
Was innerhalb einer Wein-Serie gilt, hat aber auch im Vergleich des Winzer-Dutzends, das sich auf zwei Weingebiete – Südsteiermark und Vulkanland – erstreckt, seinen Reiz. Denn 2011 zeigte bei fast allen verfügbaren Weinen eine starke Boden-Prägung in Richtung Würze, dazu aber auch eine Frische und buddhistische Ausgeglichenheit, die eine Freude war.
So erwies sich die bislang im „Langen Keller“ (Schloss Kapfenstein) abgehaltene Verkostung einmal mehr als Feiertag des gereiften Weins: 90 Raritäten-Weine aus den Kellern der Weingüter Frauwallner, Gross, Lackner-Tinnacher, Maitz, Neumeister, Polz, E. Sabathi, H.Sabathi, Sattlerhof, Tement, Winkler-Hermaden und Wohlmuth findet man selten. Zumal auch diesmal jeder Betrieb je zwei Weine aus vier unterschiedlichen Jahrgängen entkorkte. Bei Erwin Sabathi (am Bild rechts) waren es Chardonnay und Sauvignon Blanc aus der Riede Pössnitzberg. Der schon erwähnte „Wein des Abends“ mit seiner aberwitzig intensiven Speck-Rauch-Röst-Note war der 2011er Sauvignon Blanc, denn es zum Glück noch in Restmengen gibt.
Der Sprung vom aktuellen 2017er zu diesem großen Wurf des Leutschachers ist beträchtlich, doch auch der „junge“ Pössnitzberg hat Klasse. Maracuja, überhaupt säurige Früchte wie Rote Johannesbeere, mischen sich mit einem zarten Feuerstein-Duft, der aber auch leichte Karamell-Noten wie von einem Brownie (oder einem „Stollwerck“) an die Nase bringt. Fast kernig ist diese Fruchtigkeit zu nennen, die sich schwer fassen lässt, denn Frische und Salzigkeit sind noch im Vordergrund. Etwas Limetten-Zeste, dazu Kräuter wie Kerbel und eine hocherfreuliche Lebendigkeit zeigen die frühe Form. Man könnte auch sagen: Es ist viel Struktur als Baugerüst für Großes vorhanden; die aromatische Form aber werden ihr erst die Jahre verleihen.
Normaler Weise gefielen uns die Weine vom Schlossweingut Winkler-Hermaden immer erst in der gereiften Form, vor allem der Traminer hatte da mitunter eine unvergessliche Würze zwischen Kreuzkümmel und Rauch-Paprika aufzuweisen, wenn er einmal zehn Jahre im Keller lag. Doch dieses Jahr zeigte der aktuelle Sauvignon Blanc der Ried Kirchleiten schon bei der „en primeur“-Weinkost bei Hannes Sabathi am Kranachberg (sie findet alternierend bei einem STK-Betrieb statt) auf. Die Raritäten-Kost bot dann knapp ein halbes Jahr später ein Wiedersehen mit dem 2017er aus Kapfenstein. Sand, Kies und vulkanischer Tuff haben dem Wein einen unverkennbaren Rauch-Ton mitgegeben. Gerösteter Sesam trifft es, auch wenn wir das oft bei Vulkanland Steiermark-Weinen schreiben, sehr gut. Der Kräuterstrauß aber ist ziemlich unique, er bringt vor allem Arnika mit.
Es mag unter anderem am Alter der Reben liegen – der ältere Teil ist hier 39 Jahre alt – dass dieser Sauvignon immer mehr strahlt. Vor allem aber braucht er Zeit, denn die feine Klinge unterlegt mit weißen Pfeffer-Adern eine fruchtige Art. Gelbe Kiwi etwa ist in diesem saftigen Mundgefühl zu erkennen, dominant aber ist das süß-saure Spiel einer Passionsfrucht. Belassen wir es dabei, denn das Lager-Potential ist hier sicher – und es soll ja um die gereiften Weine gehen. Auch hier ist es der Jahrgang 2011, der eine Sonderstellung genießt. Er hat es neben dem braven, frucht-geleiteten 2016er schwer. Denn der Frost-Jahrgang unseligen Angedenkens hat hier kaum Kanten zugelassen, während der 2011 aufblitzt in seiner ungewöhnlichen Präzision.
Letscho & Paprika-Speck: Die 2011er Sauvignons
Schon der Duft begeistert hier: Ein Anflug von Weißem Rum, der auch von der Grünen Banane gespeist wird, deutet eine kühle Art an. Verstärkt wird dieser flirrend-fruchtige, aber nie süße Charakter von Kletzenbirnen. Ganz anders dann der Kostschluck, der ähnlich wie beim 2017er „Kirchleiten“ sehr von grünen Kräutern lebt. Ein wenig Borretsch, dann wieder Estragon und Dillkraut. Überhaupt regt der 2011er – wie viele große Weine – zu einem Oxymoron in der Beschreibung an: Gemüsige Frucht. Denn die leichte Süße erinnert an Karotten-Püree, keine Obst-Assoziation stellt sich ein. Ein wenig Letscho, vor allem der austretende Saft gerösteten Gelben Paprikas, schwirrt da auch mit. Dazu kommen geriebener Ingwer und eine immer noch lebendige Säure. In jedem Fall ein ungewöhnlicher Wein, dem man im Stahltank auch „Typizität und Terroir“ belässt, wie es Georg Winkler-Hermaden (kl. Bild links) zu Recht auf seiner Homepage ausführt.
Die Serie unseres Lieblingsjahrgangs 2011 beschloss dann ein Wein, der seit Jahren zu den Schätzen der innenfamiliären Steiermark-Vinothek zählt: Sauvignon Blanc „Privat“, die Selektion aus den reifsten Trauben der 35 Jahre alten Anlage von Johannes Gross. Die an sich hohe Reife dieses Weins wird durch ein wenig Restzucker noch gehoben, es gibt Momente, da wirkt er wie ein flüssiger Butterkeks, den man mit Ananas-Marmelade bestrichen hatte.
Dem rauchigen Duft (ja, recht oft steht das im Artikel, noch öfter wurde er in der „Alten Börse“ erlebt) folgt eine intensive Tropenfrucht, an der aber erneut die Gegengewichte das Faszinosum darstellen. Ein Rest von Säure bringt auch nach acht Jahren noch Lebendigkeit. Ein zarter Gerbstoff wie bei Grünkaffee-Aufgüssen lässt den 14,5% Alk. kräftigen Sauvignon glatt ein paar Tanzschritte machen. Gross‘ „Privat“ Es war eine weitere Werbung für die steirischen 2011er der Ersten und Großen Lagen – und ein würdiger Abschluss der STK-Raritätenkost.
Bezugsquellen:
Weingut Lackner-Tinnacher, Morillon „Ried Flamberg“ 2017 ist um EUR 20,50 im Webshop bzw. ab Hof erhältlich, www.tinnacher.at
Erwin Sabathi, Sauvignon Blanc „Ried Pössnitzberg“ 2017 kostet EUR 29,90, die letzten Flaschen des Pössnitzberg 2011 gibt es um EUR 40, in beiden Fällen im Webshop bzw. ab Hof, www.sabathi.com
Weingut Winkler-Hermaden, Sauvignon Blanc „Ried Kirchleiten“ 2017 kostet EUR 28, der „Ried Kirchleiten“ 2011 EUR 34, beide ab Hof, www.winkler-hermaden.eu