Auch Tee hat ein Ablaufdatum – das ist eine der wichtigsten Lehren des hanseatischen Tee-Händlers Rainer Schmidt. Jeder seiner Tees trägt daher daher groß das Datum seiner spätesten Zubereitung auf der Packung. Umgekehrt bedeutet das natürlich auch, dass aromatisch das aromatische Rennen gegen die Zeit mit der Verpackung der Blätter beginnt. Und das unabhängig davon, ob es sich um grünen, schwarzen oder den halbfermentierten Oolong Tee handelt. Schmidt’s Frischeste könnte man mit diesem Hintergrundwissen daher die Proben nennen, die er von der Frühlingsernte 2017 übermittelt hat. Es waren vergnügliche Kost-Tage, egal ob ein kühlender grüner Tee den Sommer erträglicher machte oder ein wärmender Schwarztee ein wenig Wärme an den regnerischen Juli-Tage bot. Das Ergebnis aus den neun Neuzugängen aus Stexwig in Friesland sei hier zusammengefaßt – denn in der Vielfalt der chinesischen Teeaufbereitungen findet fast jeder seinen Geschmack wieder.
Da wäre zum Beispiel der kostbare „Zhu Ye Qing Green Needle“, dessen wie gemalt wirkenden grünen Spitzen einen Viertel-Kilo-Preis von 85 Euro erzielen. Der handverlesene Sichuan-Tee ist so etwas wie der Grand Cru des chinesischen Grüntees, Schmidt preist ihn als den „handwerklich besten grünen Tee“. Sein Duft ist fruchtig, irgendwo zwischen Pfirsich und Ringlotte, vom Gerbstoff oder der Algen-Note anderer grüner Tees ist nichts zu bemerken.
Auch im Mund kommt erst ganz am Ende eine herb-grüne Note. Doch davor erweist sich diese Tasse als das, was oft vom Grüntee behauptet, wenn auch selten eingehalten wird: Er ist erfrischend in seiner balancierten und leichten Art. Mal denkt man an Brennessel-Suppe, dann an Grapefruit, aber alles wirkt hingetupft wie zarte Tuschemalerei. Das Fehlen der Extreme macht hier den Reiz aus. Wer das mit Fadesse verwechselt, kann dem Zhu Ye Qing offenbar nicht richtig zuhören.
Der China Golden Red Needles aus Yunnan wiederum, mit seinem betörenden Milchschokolade-Geruch, gibt auch im Aufguss ein sattes Aroma. Nach fünf Minuten Ziehzeit erinnert seine goldbraune Tasse an wenig süße Lakritze. Zart herb und immer mit einer schokoladigen Note ist der „Red Needles“ ein Schwarztee für Leute, die mit dem Gerbstoff hadern. Hier ist das Herbe fein eingebunden in einen süffigen Patisserie-Touch, der sich mit etwas Kandiszucker im Tee verstärken ließe (auch wenn wir als Puristen das ausdrücklich nicht empfehlen.)
Seine Entsprechung als rarer Schwarztee wiederum wäre der Yunnan Golden Spring Buds. Der Laie würde die gelb-braunen, langen Blätter wohl für’s Erste gar nicht für Tee halten. Die goldenen Blattspitzen sind nicht nur ungewöhnlich, sondern auch hochbegehrt. Malz? Honig? Schoko? Riecht doch wie „Toblerone“! Die leichte Honignote finden wir auch in der eleganten rotbraunen Tasse wieder, die Frühlingsblätter haben aber auch nur einen dezenten Gerbstoff. Vermeiden sollte man eine Überextraktion, dann dankt es der „goldene Yunnan“ mit malzigem Grundcharakter, der in den besten Momenten wie ein Stout-Bier mundet.
Mandeln und Maroni aus der Provinz Zhejiang
Ein Rarität, die bereits optisch dem Laien ihre Schönheit zeigt, stellt der China Westlake Spring Lung Ching (Grade A) dar. Feinste grüne Nadeln, wie gezeichnet, bringt der früher als kaiserlicher Tribut verschickte Tee aus der Provinz Zhejiang mit. Die Frühlingsernte stellt dabei die erste dar, die gesamte Kraft der Pflanze geht in diese ersten Triebe, zudem gehört auch die Technik ihrer Aufbereitung zum chinesischen, immateriellen Kulturerbe. Das hat auch seinen Preis – doch wie schmeckt der rare Grüntee? Sein kräftiger Algen-Duft jedenfalls hat auch eine trockenere Komponente, ein wenig erinnert sie an Semmelbrösel und geriebene Mandeln. Die grüngelbe Tasse bringt ebenfalls kräuterfrische Aromen mit, dazu den sanften, zart erdigen Geschmack gedämpfter Maroni.
Wer bei den Esskastanien nur die geröstete Variante kennt, wird den Fujian Golden Pine Souchong mögen. Dieser rauchige Schwarztee weist im Geruch eine gewisse Eleganz auf, die ihn etwa von den meisten Lapsang-Tees unterscheidet: der Rauch ist dezenter, er erinnert an glimmende Buchenscheite, weniger an Selchkammern und Speck. Eine leichte Süße mischt sich auch hinein, man mag an Kirsche denken, aber vor allem an Nougat-Schokolade. Der erste Schluck vom Pine Souchong bringt herbe Noten mit; da ist vor allem Bitterschokolade, aber auch eine zart „indische“ Mischung aus dezentem Koriander-Pulver und Bockshornklee-Samen. Bei aller Eleganz ist der schokoladige Rauchtee ein kräftiger Weckruf, persönlich gefiel er uns mit einem Stück Shortbread, das ein wenig Süße und Buttrigkeit ergänzt zum Pine Souchong sehr gut. Die Kombination ergab so etwas wie ein herbes Schoko-Brownie.
Bezugsquelle:
Hanse-Teehandel, Zhu Ye Qing Green Needle kostet EUR 19,- (50 Gramm), der Yunnan Red Needles kostet EUR 8,40 (50 Gramm), der China Westlake Spring Lung Ching (Grade A) EUR 15,50 (50 Gramm), Yunnan golden Spring Buds gibt es um EUR 15,50 (50 Gramm) und den Fujian Golden Pine Souchong um EUR 8,60 (50 Gramm), alle bei Hanse-Tee Schmidt, www.teeverkostungen.de