Nie wird mehr Schaumwein getrunken als am Silvester. Für den heimischen Sekt sorgt allein dieses eine von 365 möglichen Konsumdaten für ein Zehntel (!) des Jahreskonsums. Wir tranken vorweg schon Champagner. Denn Campagner kann man immer trinken. Und sollte man, wie und die Tournee der Cuvée Louise, des Jahrgangschampagners der Maison Vranken-Pommery, wieder vor Augen führte. Neben Wien beehrte die Champagner-Visite bei Topköchen auch das Landhaus Krainer zu Langenwang – ein Genuss-Tipp am Weg von Wien in den Süden (oder umgekehrt). Die belgische Familie Vranken, die Pommery vor 12 Jahren als eine ihrer 17 Marken – darunter Heidsieck Monopole oder Demoiselle – übernommen hat, gilt gemeinhin als Glücksfall unter den großen Häusern. Was zu zeigen sein wird….
Stilistisch jedenfalls führt man den Weg weiter, den Madame Pommery 1874 mit dem ersten Brut-Champagner beschritten hat. Davor enthielt der Schaumwein für uns kaum vorstellbare, aber etwa an den im finnischen Åland-Archipel aus einem Wrack geborgenen Flaschen aus den 1830er Jahren nachzukostende, Zuckergrade. Die „Chefin“ hat aber noch andere bleibende Verdienste; sie ließ auch 1868 das grandiose Anwesen mit den 30 Meter tief unter der Erde in die Kreide gegrabenen Gewölben errichten. In den 18 km lange Stollen lagern seit Abschluss der Baurbeiten zehn Jahre später die Flaschen des Hauses Pommery. 25 Millionen sind es aktuell. Madame Pommerys Nachfolger setzen zwar nicht auf knochentrockene Brut nature-Weine, die Frische ist aber ein dominierendes Merkmal, das auch die gereiften Jahre – Grand Cru Millesimé 1998 und die 1999er Cuvée Louise – noch klar aufwiesen. Doch wir greifen vor.
Reims trifft Aussee: Brut Millésimé 1998
Der Jahrgangschampagner 1998, der aus der Magnum eingeschenkt wurde, duftete anfangs „wie eine Beerenauslese“. Die Bemerkung der nebenan sitzenden Arzt-Gattin aus dem Mürztal war so falsch nicht, allerdings veränderte sich dieser Duft nach getrockneter Marille mit Luft noch deutlich. Man merkte richtiggehend, wir der 1998er Luft holte: Auf die deutliche Hefe-Note und die reifen, gelben Früchte folgte ein würziger Geruch, der an Krustentierfonds, von allem den Fenchel darin, erinnerte.
Bereits angesichts dieser eigenen Duftnote war klar, dass der Abend einen ersten Höhepunkt erlebt. Am Gaumen pendelten die Aromen wieder zwischen reif (diesmal eher an Kletzenbirne angelehnt) und frisch (viel Quitte, schön säurig unterlegt), im Finale folgte noch ein salzig-mineralischer Akkord, der zu der satten Frucht einen Kontrapunkt setzte. Die kongeniale Begleitung zu dieser leichten Salzigkeit lieferte das Saiblings-Tartar, das Andreas Krainer dazu servierte.
Typisch, jugendlich: Cuvée Louise 2002
Dabei sollte die Hauptdarstellerin sich erst zu uns gesellen! Louise, die Tochter der resoluten Madame Pommery, die 1890 mit dem Marquis Louis de Polignac auch die Geschäftsleitung übernehmen sollte, ist die Patin der Jahrgangscuvées, für die lediglich Grand Cru-Lagen herangezogen werden. Wieviel Chardonnay und Pinot Noir es genau ist, darüber schweigt das Haus, auch die Lagerung auf der Hefe obliegt dem Keller-Chef Thierry Gasco. „Irgendwo zwischen acht und zehn Jahren“, gab Verkaufsleiter Werner Semper beim Verkosten als Richtwert preis. Aktuell wird also 2002 ausgeschenkt, der erste Jahrgang unter der Ägide Paul-François Vrankens.
Wer nach typischen Champagner-Noten wie Kreide und Brioche sucht, wird hier fündig, geradezu ideal ist der erste Dufteindruck, den Grapefruit-Zeste und ein leicht herber, an Apfelschalen erinnernder, Zug ergänzen. Auch im Mundgefühl dominiert die Frische, die Perlage ist fein, mit einer zarten cremigen Note. Gelber Apfel und ein wenig Bergamotte, vor allem aber ein mineralisches Finish bleiben in Erinnerung, wobei dieser Pommery durchaus noch einige Zeit im Keller verträgt (zumal 2002 auch ein herausragender Champagner-Jahrgang war). Der Unterschied zum reiferen Jahrgang – „kann man den als Laie schmecken?“, sorgte sich eingangs die Arztgattin – war deutlich zu erkennen.
Abgeklärt am Zenit: Cuvée Louise 1999
Der goldgelbe ältere Schaumwein, die Cuvée Louise 1999, erinnerte mit ihrem zarten Petrol-Ton und der anfangs fast rotfruchtigen (Zwetschke und Lagerapfel) Intensität daran, dass sie sich am Höhepunkt befindet. Sogar zarte Selchnoten besitzt dieser auf den Punkt gereifte Champagner. Am Gaumen straft eine herrlich verwobene Perlage diesen Altersverdacht aber Lügen, die roten Früchte bleiben in verwandelter Form als Himbeer-Noten präsent, dazu kommt ein Hauch Quittenkäse und ein für die anfängliche Kraft fast zartes Finale, in dem Blüten den Ton angeben, am klarsten die Kamille. Magnifique, chêre Louise!
Bezugsquelle:
Champagne Pommery, Brut Millésimé 1998 ist um EUR 137 (Magnumflasche), die Cuvée Louise 1999 um EUR 140 bzw. der jüngere Jahrgang der „Cuvée Louise“ 2002 um EUR 153 erhältlich – Alle bei Meinl am Graben/Wien, www.meinlamgraben.at