Ein bisserl hat es ihm immer schon gefallen, wider den Stachel zu löcken. Dass Christian Kirnbauer nun eine radikale Umbenennung seines Weinguts am Deutschkreutzer Sonnenweg durchgezogen hat, passt ins Bild. Denn irgendwann wird er es Leid gewesen sein, immer die Unterschiede zu seinem Cousin (Markus, Chef beim ungleich größeren Betrieb „K+K Kirnbauer“) länger zu erklären als die eigenen Weine. Schließlich machen beide Blaufränkisch nebst einigen französisch inspirierten Weinen. Und auch als Freunde des Cabernet Franc sind sie nicht auseinanderzudividieren für das oberflächliche Volk. In digitalen Glotz- und Wisch-Zeiten am Handy steigt die Aufmerksamkeit für Nuancen auch nicht.
Weshalb das Logo nicht nur augenfällig in Blau gewählt wurde, sondern mit einem Kunstwort auch Rätsel aufgibt. Hat man Kirchblau erst als den KIRnbauer CHristian BLAUfränkischland dechiffriert, erzählt die neue Linie sogar mehr von der Herkunft als der frühere Familienname. Diskussionen wird es geben, doch Gerede sollte der Bekanntheit von „Kirchblau“ nicht schaden. Es darf nur nicht auf der Strecke bleiben, worum es eigentlich geht – die Weine in den Flaschen mit dem Schriftzug in Blau. Seit zehn Jahren gibt es die Weine und wir haben ihnen hier bereits vor Jahren ein Trinkprotokoll gewidmet. Mit Freude kosteten wir uns daher auch durch die neue Serie, großteils aus dem Jahrgang 2022 stammend.
Es beginnt aber jünger, nämlich mit dem „Kirchblau Rosé“ 2024, natürlich einem Blaufränkisch. Mit 12,5% vol wird er auf der leichteren Seite gehalten, was den Alkohol betrifft. Optisch hingegen fällt er relativ dunkel aus. Er geht Richtung Almandine-Rot. In der Nase bringt der rosa Blaufränker Pink Grapefruit und Himbeere mit. Dieser fruchtige Grundcharakter hat im Mund seine Entsprechung – hier ist es noch deutlicher Himbeere, die mit Fruchtigkeit und Säure zugleich für Trinkfreude sorgt. Kompakt, zugänglich und doch mit einem sehr weiniger Charakter hat dieser gekühlt zu servierende Kirchblau durchaus nicht nur als „Spaß-Wein“ seinen Auftritt. Als leichte Variante eines Rotweins kann er z. B. ein klassisches Carpaccio ebenso begleiten wie ein Reisfleisch oder Szegediner. Ziemlicher Allrounder ohne Kopflastigkeit!
Kräftiger (14% vol) ist der Einstieg in die Welt des rot gekelterten Deutschkreutzer Regenten. „Löss und Lehm“ heißt er bei Christian Kirnbauer. Der 2022er zeigt seine karmesinrote Robe, die Nase bringt jugendliche Bitternoten von Eichenholz und Nussschokolade über einem Duft-Kern aus Weichsel und Cranberry mit. Bemerkenswert ist die haptische Qualität dieses Blaufränkisch am Gaumen – seidig und doch mit viel Nachdruck beginnt der 2022. Im Geschmack wird die typische „BF“-Frucht mit einer attraktiven und trinkfördernden Mischung von schwarzen Oliven und Lorbeer begleitet. Im Abgang eckt kein Gerbstoff, die geschmeidige Art trägt den „Löss und Lehm“ auch hier. Lässt man Vanille und Cremigkeit weg, ist hier das Profil einer „Schwarzwälder Kirschtorte“ anzutreffen.
Generell hat sich der frankophile Winzer auch in seiner kirchblauen Inkarnation nicht vom Konzept langlebiger Weine verabschiedet. Das Holz darf die Abfüllungen in ihrer Jugend so formen, dass man sie in der Reife in ihrer Schönheit genießen kann. Nicht zurecht geschnitzt (man ist kein Holzkasperl!), sondern geformt, um die Sorten dauerhaft zeigen zu können. Wenn die Blume der Primärfrucht verblüht ist, erkennt man immer noch die Kontur dieser Pracht. So weit die Idee, die der „Blaufränkisch Reserve“ 2022 am deutlichsten darstellt. Dunkel bei diesem Rotwein nicht das Kirschrot, sondern die Aromatik: Ein Alzerl edelsüßer Paprika würzt die klassische Sauerkirsche der Rebsorte. Zart röstige Noten des Ausbaus lassen an Graham-Weckerl und Nuss-Pralinen denken.
Im Mund hat die sortentypische, intensive Kirschfrucht ihren Auftritt. Sie begleitet ein schokoladig-herber Zug, der sich in den nächsten Jahren nach zu einer geschmeidigen Hülle des fruchtigen Kerns entwickeln. Der beste Garant dafür ist der bereits runde Gerbstoff – vorneweg merkt man ihn, im Finish aber strömen Frucht und Nougat-artiger Schmelz gemeinsam dem Abgang entgegen. Einer, den man im Auge behalten sollte.
Wer es kräftig, aber zugänglicher will, um nicht das missverständliche „geschliffener“ zu verwenden: Bitteschön! Dafür hat man bei Kirchblau den „Merlot Reserve“ (auch 2022, mit 14% vol) gefüllt. Leder, Schwarzer Sesam, etwas Fleischsaft und erst dahinter dann Brombeere und Thymian – so präsentiert sich der Merlot aus Christian Kirnbauers neuer Serie. Dem Duft entspricht eine ebenso würzige wie beerenfruchtige Art am Gaumen. Die getrockneten Kräuter sind immer da, eine üppige Brombeer-Frucht wie viele reinsortige Vertreter versagt sich dieser Deutschkreutzer. Im Gegenteil. Die feine Säure – wir sind von einer überreifen, „jammy“ Frucht des Merlots weit entfernt! – und dezentes Bitterl machen den Wein bereits jetzt sehr zugänglich. Dezente Zichorien-Noten runden den 2022er ab und liefern einen runden, niemals kantigen Gerbstoff als letzten Gruß vor dem Rückaroma. Da gibt es dann kurz auch dunkle Anklänge an Zwetschke zu kosten. Aber bloß so viel, damit man mitbekommt „Wir könnten auch so“.
Geblieben ist auch das Herzbinkerl Kirnbauers, der „Coup de cœur“. So nennt er seit jeher die rare Sorte Cabernet Franc. Sie reift auch unter dem neuen blauen Logo zur Perfektion – eingegossen wurde auch hier Jahrgang 2022. Schon der erste Eindruck entlockt uns ein doppeltes „spannend, spannend“! Marzipan und Paprika finden sich in einem Gleichschritt, den man so einmal finden muss. Da wären Chefköche stolz. Gemeinsam begleiten diese Düfte den Kern aus Herzkirsche und Hibiskus. Malz-Töne und Minze setzen weitere Glaslichter mit dem leichten Sticheln eines gelungen, nicht auflösbaren Widerspruchs. Muss man auch nicht.
Denn es folgt eine feine Textur am Gaumen, die fast burgundisch-seidig ausfällt. Erneut ist es Kirschfrucht mit herben Anklängen, die das Geleise vorgibt. Es führt nahtlos hin zu einem noch jungen Gerbstoff. Ein elegantes Versprechen kann man den „Coup de cœur“ auch nennen. Eins, das man jetzt für seinen Keller sichern sollte. Hohe Reife und feingradige Würze machen hier aber jetzt schon Freude, ohne den Lautstärkeregler zu bemühen.
Bezugsquellen:
Kirchblau, Blaufränkisch Rosé 20224 ostet ERU 17,50, der „Löss+Lehm“ ist um EUR 12, die Blaufränkisch Reserve 2022 um EUR 25,- zu haben, Merlot 2022 wird um EUR 22,- angeboten, der Cabernet Franc „Coup de cœur“ 2022 kostet EUR 39,- ; allesamt ab Hof bzw. im Webshop, www.kirchblau.at