Ein wenig nerven die Diskussionen schon. Eine Plog‘ für den Blogger quasi. Es geht um die Fragen, die natürlich angesichts der Fach-Messe „Pro Wein“ (Düsseldorf) dieser Tage wieder Konjunktur hatten:
- Wird „Orange Wine“ bleiben?
- Was hältst Du von der neuen Wein-Farbe?
Die Antwort, auch hierorts schon öfter gegeben, ist einfach. Und beinhaltet eine Gegenfrage: Reden wir von einer einfachen Technik – Weißwein auf der Maische vergoren//langer Schalenkontakt//dunklere Farbe und mehr Gerbstoff – oder werden uns mehrere Ideologien gleich mit untergejubelt? Denn wenn dann noch spontan vergoren, ohne Schwefel und Filtrierungen gearbeitet wird, dann verbinden sich mostiger Geruch, flüchtige Säure und der Laien am einfachsten mit „Eierschas“ zu beschreibende Weinfehler Böckser (im worst case) mit einer für sich unschuldigen Technik der Weinbereitung.
Verallgemeinerungen sind immer falsch. Und so gibt es auch eine Menge „oranger“ Weine, die genau das erfüllen, was man sich von alternativen Wegen erwartet – es entsteht Tiefgang. Wenn man es metaphorisch ausdrücken will: ein mehrdimensionaler Wein, aber definitiv kein Weinfehler. Sehr schön drückte das Helmut Bernthaler aus, um dessen Wein es heute gehen soll. Der „Gülden“, wie man sich schon im Namen absetzt von den Orangen, ist laut dem Golser „eine Art Retro- Wein, angelehnt an Ideen der Naturalweinbewegung“. Dieses „angelehnt“ kann man getrost doppelt unterstreichen (was ich Technik-Depp nur einfach zusammenbringe: angelehnt). Bernthaler, der mit seinem Bruder zu den Biopionieren am Neusiedler See zählt und vor allem auf alte Rebstöcke zurückgreifen kann, hat sich bewußt „für die nicht oxidative Variante entschieden“. Kräftig und mit Gerbstoff versehen darf der Wein auch bei ihm sein, aber er denkt dabei eher an Zeiten der Korbpresse und hat weißen Seihmost (das, was ohne viel Druck „freiwillig“ aus der Beere rinnt) und Pressmost kombiniert. Der Ausbau im kleinen, alten Holzfass sorgt für gehöriges Schmalz.
Auch bei den Rebsorten wurde es statt dem beliebten Grauen Burgunder sein Cousin, der Chardonnay, zu dem sich ein anderes Familienmitglied (Weissburgunder) sowie etwas Grüner Veltliner gesellt. Allesamt von Alten Reben, konkret mindestens 39 Jahre alten Stöcken. Der Retro-Wein verdient daher auch eine historische Verpackung und der „Lacus Fertö“ samt dem Hanság blitzt uns von einer Landkarte in sattem Blau entgegen am Flaschenetikett.
Der Gülden 2015 bringt einen spannenden Geruch ins Glas, es erinnert an Gebäck, vor allem an Topfenstrudel – eine zart röstige Note, dazu Cremigkeit und leichte Säure. Der Gerbstoff schleicht sich auch in den Duft, aber in der angenehmen Gestalt. Apfelmost-freie Zone hier! Dafür haben kühle, herbe Früchte wie Quitte und Reineclaude das Sagen. Mit der satten Vanillenote aus der Patisserie auch am Gaumen, kann der Gülden seine Zeit im Fass nicht abstreiten. Sie scharwenzelt um einen saftigen Apfel herum. Vollmundig und balanciert wirkt dieser Wein.
Vor allem aber löst er ein Versprechen ein, das Orange Wine-Fans gerne geben (aber oft genüg in Gemüsesuppe con Gerbstoff untergehen lassen): Der 2015er ist vielschichtig. Eine Viertelstunde später dreht die Frucht in Richtung Birnen-Zuckerl, insgesamt wirkt der Wein kühler als zu Beginn. Und nebenbei, auch das gehört ins Stammbuch vieler Naturwinzer, die nicht nur viel Geld für Chemie im Weingarten (bravo!), sondern mitunter auch viel Aufwand im Keller sparen (Umpumpen? Nein, danke!) und es dennoch schaffen teurer als konventionelle Weine zu sein: Bernthaler + Bernthaler liefern ihre „goldige“ Cuvée zu einem mehr als fairen Preis. Samt historischer Landkarte am Label.
Bezugsquelle:
Weingut Bernthaler+Bernthaler, Cuvée „Gülden“ 2015 ist um EUR 13 ab Hof erhältlich, www.winebernthaler.at