Der schwedische Winter grüßt aus dem Glas. Und wir sind happy. Denn von den Abfüllungen aus dem kalten Umeå hörten wir seit Jahren und auch die Machart ist ja interessant: Cider aus gefrorenen Äpfeln, denen so das Wasser entzogen wurde – womit wieder die Süße steigt. „Iscider“ nennt dieses auch aus Kanada bekannte Verfahren Andreas Sundgren, der mit seiner Marke Brännland Cider seit gut einem Jahrzehnt im Alleingang diese Kostbarkeit aus Äpfeln erzeugt. In so manchem britischen Sterne-Restaurant serviert man seine kleinen Flaschen mittlerweile und stolz dürfen wir uns nun auch zu der kleinen Schar von Österreichern zählen, die die goldenen Tropfen aus dem Norden auf der Zunge hatten.
Zumal es auch einige Österreich-Bezüge gibt, deren wichtigster gleich das Aroma des „Fatlagrad“ bestimmt. Was wie ein IKEA-Möbel gegen Langeweile (Laufrad? Fat-Burner?) klingt, ist aber nur die schwedische Bezeichnung für „fassgelagert“. Denn neben seinem Basis-Cider experimentiert Andreas gerne mit seinen Äpfeln der Sorte Ingrid Marie. In diesem Fall vergor ein Teil der 2018er Ernte in gebrauchten 500-Liter-Fässern. Und die stammen aus österreichischen Eichenwäldern, womit wir quasi auch ein bisschen Anteil an diesem „Iscider“ haben. Für ein ganzes Jahr reifte der dann auch im Holz und das Ergebnis riecht intensiv wie frisches Apfelkompott. Was weniger an der Süße des 10,5% vol. leichten Brännland-Ciders liegt, als an den würzigen Stempeln, die das Fass ihm aufdrückte. Zimt ist vor allem zu riechen, aber auch ein wenig Spekulatius-Keksteig. Wie bei guten Süßweinen aus dem Holzfass stützt es aber nur und tritt kaum direkt aromatisch in Erscheinung.
Das ändert sich bei diesem 2018er dann am Gaumen, wobei anfangs auch noch die Säure ihren Auftritt hat. Sie verleiht den 142 Gramm Restzucker eine gewisse Leichtfüßigkeit zu Beginn, ehe die intensive Apfelsüße einsetzt. Ein wenig wie die Honigfrüchte beim Chinesen oder gebackene Apfelspalten schmeckt der fruchtige Kern. Ihn umgeben aber wieder zarte Eichentöne, ein wenig Amarettini-Kekse und am Schluß auch wieder die zarte, aber unbestreitbare Säure. Das ist ein süßer Wein, pardon: Cider, der Leben hat! Richtig fein wird er zu Bisquit passen, aber auch zu Palatschinken aus der alten Heimat seiner Fässer.
Die Varianz, die Sundgren in seinem limitierten und recht kühlen Anbaugebiet zustande bringt, ist das eigentlich Spannende an seiner gesamten Produktion. Vor allem sein „Claim“, ein leichterer Eiscider, der bewußt mehr Säure zeigen sollte, zeigt das. Denn mit dem „Fatlagrad“ hat er wenig mehr zu tun, als dass beide auch nach Apfel duften. Explizit zieht der schwedische Kellermeister (schreibt man auch nicht oft zusammen hin!) einen Vergleich zur „Auslese“ im Süßweinbereich, während seine normalen Abfüllungen doch eher einer TBA entsprächen. Es gibt erst zwei Jahrgänge (2018 und 2019) dieses Einsteigermodells, wobei wir den Erstling im Glas hatten.
Schon der Duft, für Österreicher als Mostapfel unschwer zu benennen, bringt klare säurige Noten mit. Beschäftigt man sich länger damit, fächert sich auch die würzige Seite ein wenig auf. Da blitzt Heu-Duft durch, aber mitunter auch eine fast Hopfen-artig herbe Note. Auch am Gaumen gibt es mehr zu entdecken als eindimensionale Süße und Apfelgeschmack. Die Säure etwa ist lebhaft, hat Biss und auch ein fast mineralisches Bremseln im ersten Anlauf. Wieder setzt sich mostiger Apfel an die Spitze der Eindrücke; seine Süße ist fein und niemals plump. Die Überraschung liefert im Finale eine eindeutig zitrusfruchtige Note, die an Pink Grapefruit erinnern. Dieser leichtere Eiscider 2018 schreit geradezu nach einem milden Blauschimmelkäse, das „perfect match“ wäre wohl der Auvergne-Klassiker Fourme d’Ambert. Französisch-schwedische Erfolgsproduktion im Gaumen-Kino garantiert!
Bezugsquellen:
Brännland Cider, „Claim“ Eiscider 2018 ist um ca. 11,75 EUR (0,375 Liter-Flasche) über den britischen Spezialisten „Cider is wine“ erhältlich, www.cideriswine.co.uk
Brännland Cider, „Fatlagrad“ 2018 (im 0,187 Liter-Format) kostet EUR 25,90 beim Wein- und Delikatessenhandel Ardau, www.ardau.de