Das in Meetings beliebte „Bullshit-Bingo“ gibt es natürlich auch beim Wein-Verkosten. Man wiederholt sich halt in seiner Nomenklatur. Leider fällt einem das selbst meist nicht auf. Aber wenn jede Erwähnung des Wörtchens „Sesam“ oder „super-frisch“ ein Lächeln hervorruft bei der Tischrunde, ist es Zeit sein Vokabular zu erweitern. Und es stimmt ja auch: Wenig ist so fad beim Weingenuss wie Stillstand. Gleiche Etikette, neuer Jahrgang. Ja, eh! Doch es wartet noch viel mehr darauf getrunken zu werden. Oder eben darauf, es in Kostnotizen festzuhalten. Und letztlich schlich sich dafür ein neues Wort in unser Beschreibungsrepertoire: „Simplexity“.
Das Konzept dahinter ist breit und auch verständlich, selbst wenn es keinen deutschen Ausdruck dafür gibt. Es geht um Einfachheit, die aber Raffinesse aufweist. Perfektion im Kleinen, wenn man so will. Das ist selten, aber erfreut umso mehr. Was wiederum zum Wein passt, der im Glas war. Denn Heinz Velich kennen wir jetzt auch schon ein Zeiterl. Vor allem der „Darscho“ und die langlebigen Trockenbeerenauslesen des Apetloner Winzers sind immer wieder fein. Der „To“, seine Hommage an den Neusiedler See in Cuvée-Form, wiederum ist ein perfekter Speisenbegleiter. Doch dann ist da noch sein Einstiegswein. Der Welschriesling, den Velich selbst „einen angenehmen Begleiter – zum Essen, zum Genießen, zum Leben“ nennt.
Dazu ist zu sagen, dass die Sorte als Art „Veltliner des Ostens“ im Burgenland lange als Zechwein zur Alltagskultur gehört. Gehalten hat sich das allenfalls im Süden (den Buschenschanken von Rechnitz zum Beispiel), auch wenn es eine kleine Renaissance – samt eigenem, lokalen Klon der Sorte am Leithaberg – gibt. Immer schon gab es den „Welsch“ bei Velichs im Seewinkel, denn immerhin ergibt er auch einige der balanciertesten (die Säure!) Prädikatsweine. Im Glas ist aber der klassische 2020er der Rebsorte und er verblüfft mit jedem Schluck. Denn erst einmal regiert hier Frische, die man dem Hitze-anfälligen Seewinkel so nicht zutrauen würde.
Das zeigt bereits die Aufmerksamkeit, die man am reinen Weißwein-Gut der Beschattung und dem Lesezeitpunkt widmet. Aber da ist auch noch ein zweiter Punkt, der oft auf der Zunge geführt, aber selten dort gefühlt wird: die Salzigkeit. Die zahllosen Gewässer rund um den riesigen Neusiedler See, die „Lacken“, sorgen dafür, dass zwischen den Rebzeilen buchstäblich Salz in der Luft liegt. Doch oft bleibt – nach dem Zukleistern mit der Holzspachtel der Barriques – wenig davon im Weißwein üben.
Hier aber kommen die Salzzitronen schon im Duft durch. Der 2020er Welschriesling zeigt auch weniger den sortentypischen Apfel, sondern eher Nektarine und Birne in der Nase. Auch dieser Duft ist mit Würze verbrämt – man denke an Gelbe Paprika wie in einer „Peperonata“. Der schmelzige Auftakt am Gaumen überrascht dann erneut, zumal sich hier auch fast fruchtsüße Noten von Kompottapfel einstellen. Aber dann! Aus einer an Muskattrauben anklingenden, saftigen Gaumenmitte löst sich die Würze und ein (gut versteckter) Gerbstoff.
Ja, im Abgang kaut man dann beinahe auf dem 12,5% leichten, aber sehr pikanten „Welsch“ herum. Seine Reife – im Seewinkel eine Pflichtübung! – trifft auf Pikanz wie von Salzkapern. Schicht um Schicht an Salzigkeit legt er nach. Und schafft damit die Basis zum ungehemmten Weitertrinken. „Chapeau!“, wie man bei den „Owalonern“, dem Dialekt nach Seewinkel-weit als „Franzosen“ bespitznamt, sagen würde.
Bezugsquelle:
Weingut Velich, Welschriesling 2020 ist um EUR 9,80 im Onlinehandel von Pinard de Picard erhältlich, www.pinard-de-picard.de