Weinkennern muss man „Ornellaia“ ja kaum vorstellen. Das Gut an der toskanischen Küste unweit der mittelalterlichen Ortschaft Bolgheri produziert mit dem gleichnamigen Rotwein einen der bekanntesten „Supertuscans“. Dazu gibt es im Stile der französischen Chateaux auch einen Zweitwein („Le Serre Nuove dell’Ornellaia“). Die am wenigsten bekannte Abfüllung hingegen stammt aus weißen Trauben und trägt die freche Elster im Namen und am Etikett: „Poggio alle Gazze“. Eigentlich wollte man den Weißweinanbau bereits aufgeben, erinnert sich Önologin Olga Fusari. Sie selbst stand am Beginn ihrer Arbeit für die Eigentümerfamilie Marchesi Frescobaldi und gab den letzten Sauvignon blanc-Trauben eine Chance.
Bis heute stellt die Sorte den Löwenanteil des Blends; 2020 etwa lautete die Assemblage 69% Sauvignon Blanc, 22% Vermentino, 5% Viognier, 4% Verdicchio. Weingutsleiter Axel Heinz nennt das einen Mix „aus atlantischen und mediterranen Weißwein-Sorten“. Wobei man im regnerischen Jahrgang 2020 sehr unterschiedliche Lesezeitpunkte für sie vorsah; der Vermentino wurde Wochen nach den anderen drei Rebsorten im September gelesen. Auch im Ausbau teilte man die Trauben: Die eine Hälfte wurde in Edelstahl, die andere Hälfte in Barriques ausgebaut. Diese wiederum waren zu 50% neue, zu 50% gebrauchte Fässer. Und natürlich setzte man ganz italienisch auch auf Flaschenreife; erst nach 12 Monaten kam der aktuelle „Poggio alle Gazze“ in den Handel.
Die Mühe lohnte durchaus. Denn dieser Wein ist komplex. Er läßt es sich aber nicht gleich anmerken. Man sollte ihm daher durchaus Zeit geben oder ihn karaffieren. Sofort detektiert die Nase nämlich säurige gelbe Früchte – man denke an Pomelo, Kaktusfeige und Mispel. Die aromatische Intensität begleitet den 2020er auch weiterhin, allerdings wird der Sauvignon Blanc als dominante Sorte mit jeder Minute deutlicher erkennbar – und zwar in seiner Passionsfrucht-satten Duftspur. Die Würze frischt ebenfalls auf, je länger man den „Poggio alle Gazze dell ‚Ornellaia“ 2020 im Glas hat. Currykraut und Estragon begleiten dann die Frucht-Power.
Den Gaumen füllen ebenfalls reichhaltige Eindrücke. Man muss diesem Weißwein zuhören können, denn die Tiefendimension geht bei seiner Frische und Dichte fast ein wenig verloren. Der feinen Säure – die man auch als „mild“ bezeichnen könnte – steht nämlich erneut einiges an Kräuter- und Gewürztönen gegenüber. Auf der Fruchtseite wiederum erinnert neben dem Mix aus Passionsfrucht und Orangen eine dezente Vanillecreme-Note an den Fass-Anteil in diesem 2020er aus Bolgheri. Diese Balance aus Geschmeidigkeit, Würze und Intensität macht den weißen Ornellaia auch zu einem „food friendly“-Wein, wie das modern heißt. Vor allem Risotti sind ein perfektes Match, etwa wenn auch Scampi oder andere Schalentiere im Spiel sind.
Dazu passt, dass man neun italienische Spitzenköche maritime Gerichte zum „Poggio alle Gazze dell’Ornellaia“ kreieren ließ. Denn das Motto dieser Rezepte – „Unterhaltungen am Meer“ – könnte man getrost auch über die Aromatik des aktuellen Jahrgangs 2020 setzen.
Bezugsquelle:
Ornellaia, „Poggio alle Gazze“ 2020 ist um EUR 51,40 (0,7 Liter-Flasche) beim Versand Vinorama erhältlich, www.vinorama.at