Da schauten die Männer nicht schlecht: Blut-Taube als ideale Begleitung zum Champagner war schon starker Tobak. Doch Dominique Cima-Sander beharrte darauf, dass sie idealer Weise auch erdrosselt sein sollte („Étouffée“). Ja, so sind sie die Franzosen. Dafür kommen neben erwürgten Vögeln auch grandiose Champagner aus dem „Hexagon“. Und letztlich stellten sich die Herren ja nicht an, um angesichts der Pairing-Ideen einmal schlucken zu müssen, sondern um an der Auswahl von Heidsieck-Champagnern zu nippen. Wie viele maisons de Champagne verdankt auch Charles Heidsieck seine Gründung 1785 einem Deutschen. Die Wege trennten sich in den Generationen nach Florenz-Ludwig Heidsieck, heute gibt es mit Charles Heidsieck und Piper-Heidsieck (beide Teil der Rémy-Cointreau-Gruppe) auch das Haus Heidsieck-Monopole (das wiederum Vranken-Pommery gehört).
Doch so genau wollen wir das gar nicht wissen, steht doch bereits das Glas mit dem Brut Reserve vor uns. „Er bleibt auch sechs Jahre auf der Hefe und nicht nur 15 Monate, wie vom Gesetz verlangt“, erläutert Cima-Sander den speziellen Charakter dieses Einstiegsschaumweins. Herb und säurig sind seine Duftnoten, man denke an Yuzu und Quitte, das Ganze zart rauchig unterlegt. Mit Zitruszesten geht es auch Gaumen weiter, dazu gesellt sich auch Ananas. Der cremige Beginn erinnert an gelben Apfel, das elegante Finale an weißen Pfeffer. Viel Wein bereits zu Beginn, wow!
Cremig auf jeden Fall: Die Wahl des Rosés
Ehe wir uns den Jahrgangschampagnern nähern, bleibt Zeit für eine weitere Speisenempfehlung von Madame: „Zu Hummer und Jakobsmuschel“ empfiehlt sie die rosa Variante des Brut Reserve. Der Rosé-Champagner basiert auf einer rund fünf Jahre auf der Hefe befindlichem Assemblage aus Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay (zu etwa gleichen Teilen). Die Zitrus-Himbeer-Mischung des Blauburgunders beherrscht den Duft, die cremige Note am Gaumen taucht auch beim Rosé auf; sie erklärt Cima-Sander als Teil des Haus-Stils von Charles Heidsieck.
Wie ein Himbeer-Macaron löst sich diese feine Fruchtigkeit samt zarter Mandel-Note langsam auf und lässt Richtung Abgang Platz für frische Zitrusfrüchte. Wo ist ein Hummer, wenn man ihn braucht?
Wem das zu wenig Rotwein-Charakter sein sollte, für den gibt es den zweiten Rosé-Champagner des Hauses. Aktuell ist das der 2006er Brut Rosé, dessen 63% Pinot Noir einen gänzlich anderen Aromenbogen spannen: Sehr weinig – nach Walderdbeeren, Ribisln und Bisquit-Roulade – kommt dieser Champagner aus dem Glas. Saftig und rotfruchtig erinnert er im Mundgefühl an geeiste rote Früchte („Ribisl-Gelée“ und „Cumberland-Sauce“, tönt es einen Tisch weiter). Erstmalig haben wir hier auch die Brioche- und Kuchennoten vor uns, die mancher gern in seinen Reimser Abfüllungen sucht. Die Empfehlung dazu lautet: „Zum roten Fleisch“. Ja, der Brut Rosé 2006 könnte glatt ein Kalbsteak begleiten.
Reif, komplex: Die Jahrgänge 2006 und 1995
Ähnlich dominant ist der 60%-ige Pinot Noir-Anteil (der Rest stammt von Chardonnay) beim 2005er Brut Millesime, der eine animierende Duft-Mischung aus Nüssen, Mandel und Steinobst (hier vor allem Nektarine) mitbringt. Die Komplexität des Lagen-Materials, aus dem der Jahrgangschampagner gekeltert wurde, schlägt am Gaumen durch. Cremig und pikant zugleich ist diese Assemblage, die weißen Pfeffer ebenso mitbringt wie Golden Delicious-Apfel. Dem merklichen Gerbstoff steht wiederum eine salzige Ader gegenüber – und zum Drüberstreuen entdeckt man auch gelbe Paprika. „Geflügel mit Beurre blanc“, gibt es eine weitere Menü-Empfehlung. Aber ehrlich gesagt, warum nicht einfach solo genießen?
Dunkles Goldgelb zeigt dann der älteste Champagner, den Dominique entkorkt: Der Blanc des Millenaires des Jahrgangs 1995 (!) bringt ausschließlich Premier und Grand Cru-Material mit, u. a. aus Mesnil und Avize. Die Frische nach 22 Jahren ist stupend. Bereits der rauchige Duft mit seinen an geröstete Mandel erinnernden Intensität zeigt keinen Anflug von Müdigkeit. Allenfalls verrät leichte Vanille eine gewisse Reife. Saftige Pfirsiche und immer noch stützende Säure – sie zaubert einen Film aus Yuzu-Zitrusfruchtigkeit auf die Zunge – sind die ersten Eindrücke im Mund.
Äußerst strukturiert und nicht wie so oft bei alten Qualitäen verwaschen, zeigt sich dieser reife Champagner. Denn zu Frucht und Frische kommt ein zart herber Abschluss, der schon wieder Lust auf das nächste Glas macht. Merci, Charlie!
Bezugsquelle:
Champagne Charles Heidsieck, Brut Reserve kostet EUR 49,90, der Brut Rosé EUR 59,90, während die Jahrgangschampagner „Brut Rosé“ 2006 auf EUR 89,90 bzw. der „Brut Millesime“ 2005 auf EUR 69,90 kommen. Der „Blanc des Millenaires“ 1995 wiederum kostet EUR 148, alle im Fine Wine-Shop, www.finewineshop.com