Wer jetzt der Craft-Cider-Erzeuger im ehrwürdigen Amerika-Haus ist, steht auch bei gut 100 Gästen schnell fest. Denn nur einer kommt mit dem langen Brauer-Bart an der Security vorbei: Nat West, der Evangelist des vergorenen Apfels. Denn als „Reverend Nat“ sieht sich der aus Oregon stammende Gründer von Nat’s Hard Cider als Nachfolger der Westmänner, die in ihren Zelten (tent shows) obskure Tränke an die Cowboys verhökerten. Tatsächlich hat West mittlerweile auch schon zwei Freunde verheiratet, die Lizenz dafür gibt es in den USA recht „easy“.
Und ähnlich blauäugig begann der Reverend 2004 auch in Portland in seiner Garage mit dem Cider-Machen. Aus der „garage-cidery“ übersiedelte er schnell – und Wachstum sollte weiterhin die Entwicklung treiben. In 22 Bundesstaaten gibt es die Ciders, in Japan und nun auch in Wien. „Theoretisch reichen 8% Apfelsaftkonzentrat, 8% Zucker, etwa aus Mais-Sirup, und Wasser, um etwas Cider nennen zu dürfen“, hat Nat West wenig für die gesetzliche Mindestanforderung der USA über. Der Clou allerdings ist, dass er selbst keine Anhänger der reinen Lehre ist. Apfelbäume hat er wenige, dafür kauft er Fruchtsaft zu und das gerne auch von anderen Früchten als Äpfeln.
Der Klassiker des Hauses, „Revival Hard Apple“, wurde mit belgischer Saison-Hefe und mexikanischem, dunklen Zucker erzeugt. Dazu kommt etwas Hopfen (Mosaic um genau zu sein). Er erinnert an Holunderblüten, sauren Apfel, bringt aber auch ein wenig Alpenkräuter (Arnika á la „Almdudler“) im Geruch mit. Der säuerlich-mostige Antrunk echter Äpfel ist im Mostland Österreich gleich vertraut, die natürliche Machart ist hier am auffälligsten. Auch der Verzicht auf übermäßiges Zuckern steht auf der Haben-Seite; für Fruchtigkeit sorgen leichte Weingartenpfirsich-Töne, die sich über den Apfel legen. Mit einem an Grapefruit anstreifenden, betont trockenen Finale leitet der „Revival Hard Apple“ die Verkostung schon erfrischend ein. Denn die zarte Hopfen-Bittere und die leichte Zitrusnote des Mosaic rundet den Apfel trinkanimierend ab.
Als Meisterstück erweist sich der „Sacrilege Sour Cherry“, für den zwei Weichsel-Sorten (Montmorency und Morello) auf Apfel treffen. Veredelt wird das Ganze mit Chili. Der pure Weichselsaft-Geruch und die schokoladige Note (man denke: Sacher-Torten-Masse) bereiten auf den frischen Eindruck nicht ganz vor. Zitrone und Limettenzesten prägen den von guter Karbonisierung unterstützten Frischekick, der schon an Sauerbiere anstreift. Fast könnte man von einer grün-rot gestreiften Fruchtigkeit sprechen, denn die Kirschen-Noten blitzen zwischen den Agrumen immer wieder durch. Der Clou ist aber der im Abgang zu spürende leichte Chili. Er verleiht eine zusätzliche Länge, erhöht aber auch den schon so gefährlichen „Zug“ dieses Ciders. Die Ähnlichkeit zum Sauerbier hat auch einen Grund: Englische Bier-Hefe vergärt auch diesen flüssigen Predigt-Behelf des Reverends.
Ananas und Apfelstrudel für „most unusual ciders”
Der „süßeste“ unter den vorgestellten Varianten lebt von einer intensiven Frucht; der unverkennbare Duft von Ananas prägt den „¡Viva la Pineapple!“, für den Nat auch zu Nelken und Piment griff – der Einsatz von Gewürzen ist ein weiteres Steckenpferd des „Reverends“. Auf Dosen-Ananas und weiße Schokolade im Duft folgt ein tropisches Frucht-Gestöber, das auch Papaya mitbringt, aber recht trocken ausklingt. Dieser Cider eignet sich mit seiner „Ananas KELI“-artigen Frische auch top zum Mixen – Wodka und natürlich Rum wären Partner der exotischen Erfrischung.
Und dann ist da noch der „flüssige Apfelstrudel“ namens „Abbey Spice“. Technisch wäre es eine Mischung aus fermentierten Rosinen und Äpfeln. An die Trauben mit dem starken Aroma erinnert der Eiswein-Geruch, der mitunter an Mandelblüten, aber auch Kräuterliköre („Averna“ vor allem) anstreift. Mit 7,5 Volumsprozent und dem Einsatz von Eichenchips für einen reiferen Charakter bringt dieser Cider ordentlich Zimt und einen weihnachtlichen Touch mit – der Anflug von Limetten-Säure am Ende rettet die Frische. Allerdings darf man im Alpenland Österreich den „Abbey Spice“ gerne auch erwärmen – als „mulled Cider“ wäre das eine echte Glühwein-Alternative für die kommende kalte Jahreszeit.
Bezugsquelle:
Reverend Nat’s, „Revival Hard Apple” kostet EUR 4,90 (0,5 Liter-Flasche) bzw. EUR 2,85 (0,355-Liter-Dose), der „Sacrilege Sour Cherry“ ist ebenso „¡Viva la Pineapple!“ und der „Abbey Spice Cider” um je EUR 6,20 (0,5 Liter-Flasche) zu haben, alle online bei BeerLovers, www.beerlovers.at