Wieder einmal Bordeaux im Glas! Das ist grundsätzlich spannend, noch mehr aber, wenn es sich um einen Jahrgangsvergleich handelt. Die Auswahl der Jahrgänge – gemeinsam mit Austro-Importeur Gerhard Krachers Fine Wine Shop besorgt – zeigte die Unterschiede bei der Witterung ebenso wie die unterschiedliche Komposition der grob 50:50 ausgerichten Assemblage aus Cabernet Sauvignon und Merlot. Direkt aus dem Château kamen die Jahrgänge 2017, 2016, 2015 und 2012 kommentiert ins Glas. Der jüngste Jahrgang strömte eine extreme Würze aus, für die man tief im Küchenkastl wühlen konnte: Lorbeer, Thymian, Wacholderbeeren – wie eine Wildbeize roch diese Melange, der als Frucht allenfalls getrocknete Heidelbeere beigesellt war. Im Mund sehr zupackend, kam hier wieder ein „spicy“ Charakter zum Vorschein. Die Säure und der Gerbstoff waren aber extra-jugendlich, was angesichts des Jahrgangs 2017 und seiner kurzen Zeit auf der Flasche nich verwunderte.
Der zugänglichste Gast aus der Appellation Saint-Estèphe, wenn wir schon bei Überraschungen sind, stammte aus dem Jahr 2016. Hier regierten die dunklen Waldbeeren! Diese frucht-betonte Nase wurde allenfalls von feiner Säure begleitet, anstatt der Würzigkeit des 2017ers signalisiert hier jede Nasenpore Zugänglichkeit und eine runde Art. Dies bestätigt auch der Gaumen. Saftig und dunkel ist die Frucht, von „Holunder“ gut umrissen, der würzige Part wird hier von fein vermahlenen „hard spices“ gegeben, die wie zerstäubt wirken. Mit einem Geschmack nach Schwarzer Olive kündigt sich der beträchtliche Gerbstoff des 2016ers an, der nahezu eine Garantie für ein langes Wein-Leben dieses Bordeaux‘ darstellt.
Ähnlich fruchtig duftet aus der 2015er Saint-Estèphe, bei ihm klingt schon fast Brombeerlikör und auch Cassis in der dunkelbeerigen Duftmelange durch. Doch man soll sich nicht täuschen! Der Kostschluck zeigt, dass der 2015er doch noch verschlossener und jugendlicher in punkto Säure und Gerbstoff ist als der soeben genossene 2016er. Das dunkle Confit hat mit herben Tönen von Unterholz und Steinpilz noch eine gute Zeit Flaschenreife vor sich, dann aber wird es vermutlich der komplexere dieses Duos sein.
Doch für die „instant gratification“, das schnelle Vergnügen, sind die Phelans ohnehin nichts. Das zeigt der grandiose 2012er, der erst einmal eine ordentliche Dosis Luft im großen Glas benötigt, um von seiner Klasse zu erzählen. Anfänglich sind es noch Firniss und medizinale Töne, die den Blick auf die Düfte von Kirschpaprika (ja, wirklich!) und Sauerkirsche verstellen. Minütlich wird es facettenreicher, hier hat der Cabernet seine Würze-Metamorphose schon feinst in Richtung feinem Schwarzpfeffer abgeschlossen. So gänzlich anders fällt das geschliffene, fast ätherische, Mundgefühl aus. Somit stand der klare Favorit der kleinen Vertikale von vier Jahrgängen Phélan Ségur schon nach dieser ersten taktilen Bekanntschaft am Zungengrund fest.
Dazu lieferten hier rote Früche wie Cranberry einen echen Kontrast. Fast leichtfüßig ließ sich der 2015er im Mund an. Die dunkle Beerenfrucht war zwar noch zu erahnen, aber dieser Jahrgang hatte nach zehn Jahren eine Phase erreicht, die man mit „antrinkbar“ nur unzulänglich beschreibt. Der kraftvolle Schmelz wird von der feinen Säure und einem abgeschliffenen Gerbstoff konterkariert.
Vielleicht hat er nicht mehr das größte Lagerpotential dieses Quartetts aufzuweisen. Aber dafür macht er aktuell am meisten Trinkspaß!Und das ist angesichts des fairen Preises eine doppelt gute Nachricht aus dem Bordelais.
Bezugsquelle:
Château Phélan Ségur, Phélan Ségur 2016 kostet EUR 59,90, der Jahrgang 2015 wird um EUR 54,90 angeboten und der Phélan Ségur 2012 wiederum kostet EUR 47,90, alle im Fine Wine Shop, www.finewineshop.com