Chandon, einmal ohne Moët? Ja, als eigenständige Marke kennt man Chandon vor allem in Übersee. Doch auch wenn die Automaten mit „American Champagne“ (die Amis erkennen den Gebietsschutz nicht an!) meist in Las Vegas stehen: Die Geschichte von Chandon als eigenständigem Weinhaus begann mit Robert-Jean de Vogüé und vor allem in Südamerika. Denn der Pionier hielt schon in den 1959 Jahren Ausschau nach neuen Schaumwein-Ländern.
Argentinien mag einem da als eines der Letzten einfallen. Doch das Klima in Mendoza – einer hochgelegenen Halbwüste in den Ausläufern der Anden – ergibt einen durchaus guten Standort zum „Versekten“. Denn die Trauben brauchen vor allem Berechenbarkeit, das lernt man in der Champagne als erstes. Und auf 1.000 Metern Seehöhe wachsen heute Chardonnay, Pinot Noir und Semillon, die man für ein neues Produkt mit einem alten Bekannten paart.
Denn der Schuss Orangensaft im Sekt ist ja nur ein wenig abgekommen, hatte aber zu Omas Zeiten seinen Charme – da waren beide Zutaten noch eine Abwechslung, vielleicht auch eine Flucht, aus dem Alltag. Für den „Garden Spritz“ wurde es aber nicht der instabile Fruchtsaft. Er hätte im Verein mit dem Schaumwein keinen „ready to drink“ (RTD) ergeben, wie das Marketer nennen. Sondern eine ziemliche Sauerei beim Öffnen. Nachgärung, Säure-Verbindungen, eh scho wissen.
„Die Schalen, Kräuter und Gewürze, die wir verwenden, mazerieren wir separat, um eine große Auswahl an Geschmack zu ermöglichen.“
Ana Paula Bartolucci, Kellermeisterin, Chandon
Doch es geht auch anders, wenn die Früchte ihr Aroma an Alkohol abgeben. „Booze on booze“ funktioniert bei Cocktails, auch Bitters kennt man von der Bar. Und einen solchen Orangenbitter baldowerte man aus. Argentinische Orangen, eingelegt in Traubendestillat, wie stets geheime Kräuter/Gewürze und keine künstlichen Aromen, fertig war die Basis zum Aromatisieren!
Gemischt mit dem Schaumwein wird daraus eine sommerliche Erfrischung, die in der orangen Flasche fast ein wenig unterverkauft wirkt – „Kindersekt“ lässt beim ersten Anblick grüßen. Doch wir sind schnell versöhnt. Denn die Bellini-Rosa Farbe ist die erste Überraschung, aber nicht die letzte. Der fruchtig-herbe Duft des „Garden Spritz“ erinnert an Blutorange, Rooibos-Tee, Rhabarber und ein wenig Meersalz. Dass man sich trotz der Optik bei der Süße zurückgehalten hat, ist dann die sensorische Überraschung. Auch die Orangen vom Etikett sucht man am Gaumen, dafür wird es sowohl saftig, als auch wieder leicht herb.
Die entfernte Ähnlichkeit zu einem (vorgemixten) Aperol Spritz darf man sicher nicht als Zufall sehen, aber hier kommt zum Rhabarber-Bitterl auch noch eine saftige Himbeere, die mit der sanften Perlage des neuen Chandons gut zusammenpasst. Das Finale erinnert auch noch an die Schaumwein-Kompetenz des Hauses. Es ist Gerbstoff-bestimmt und lässt an Assam-Tee denken.
Gut gekühlt sollte man den „Garden Spritz“ servieren, das ist unsere Lehre. Dann aber ist er bestes Ausgangsmaterial für eigene Plünderaktionen im Obstgarten: Beeren, Birnenscheiben, Kräuter wie Thymian oder Rosmarin passen als Aromageber und Deko ins Glas, Zitrusfrüchte sowieso. Persönlicher Favorit: Ein bisschen vom Grapefruit-duftigen Timut-Pfeffer ins Glas reiben und mit dem eisgekühlten Sprudel aufgießen. Prost!
Bezugsquelle:
Chandon, „Garden Spritz“ ist um EUR 19,90 (0,7 Liter-Flasche) beim Versandhandel Vinorama erhältlich, www.vinorama.at