Late Release mag kein schöner Begriff sein, aber ein extrem sinnvoller. Nicht nur Weingüter gehen vermehrt dazu über, Jahrgänge nochmals, dann aber ihrer Meinung nach ideal gereift, auf den Markt zu bringen. Auch in der Champagner-Welt, deren große Vertreter ohnehin von „Delays“ durch lange Lagerung und spätes Degorgieren (=Entfernen des Hefepfropfens vor der Füllung) geprägt sind, gibt es das. Dom Pérignon, die Spitzenmarke von Moët Chandon, hat dieses Konzept neu gedacht, aus dem früheren Oenothèque wurde nun der Plenitude 2, kurz P 2.
Der Jahrgang 1998, der nun unter diesem neuen Label in den Handel gelangt, befindet sich jetzt in einem „window of opportunity“, was die Aromatik betrifft, meinte der Chef de cave Richard Geoffroy in einem Interview. Die Erklärung der charmanten Axelle Araud (eine von zwei Winemakern von Dom Pérignon, die mit Geoffroy als Letztentscheider arbeiten) gegenüber Trinkprotokoll.at leuchtet auch dem Laien ein: „Le deuxième plateau“, die zweite Hochphase, nennt sie das, was der 1998er nach mittlerweile 16 Jahren erreicht hat – also wienerisch formuliert „die zweite Luft“.
Die Charakteristik guter Champagner-Jahre bei Dom Pérignon zeigte zuvor ein Schluck vom Vintage 2004. Zarte Orange, vor allem aber viel Hefe, fast wie frischer Germteig, prägen die Nase, mit Luft wird der Duft floraler, Kamille und andere Blüten sind zu erkennen. Deutlich wird der Hausstil an der frischen Art, vor allem auch an einer kräftigen Perlage und dem salzigen Abgang. Dazwischen setzen sich Zitrusfrüchte – Grapefruit und Orangenblüte bleiben bis in den Rückgeschmack erhalten – in Szene, auch die leichte Säurigkeit einer noch nicht reifen Ananas spürt man.
Prickelnde Premiere
Dann hat der P 2 seinen großen, seinen ersten Auftritt in Österreich. Das Jahr 1998 – „sehr heiß und dann regnerisch und kühl“, so Araud – brachte eine Aromatik hervor, die an reifen Chardonnay im Holzfass erinnert: Explosive Tropenfrucht-Mischung, aus der einem die Ananas förmlich anzuspringen scheint. Am Gaumen gesellt sich zu den exotischen Früchten auch eine satte gelbe Birne dazu, doch weniger die Fruchtigkeit, sondern die fast schaumige Perlage – wer’s bildlich will, stelle sich einen frisch geschlagenen Sabayon mit Mango vor – überrascht am meisten.
Wäre das alles, wäre der P2 immer noch ein guter Champagner, doch zum wirklich großen macht ihn die mineralische, richtig gehend ins Salzige abdriftende Mineralik, die sich im Vintage 2004 im Vergleich nur angedeutet hatte. Diese beginnt recht spät, hält dafür extrem lange an und zeigt die Klasse dieses Jahrgangs bzw. seiner „zweiten Luft“. Man wird vielleicht sparen müssen, als Champagner-Liebhaber sollte man den P 2 aber einmal im Leben getrunken haben.
Bezugsquelle:
Dom Pérignon „Plénitude P2“ 1998 ist (ab Sept.) um ca. EUR 350 erhältlich, der exzellente Jahrgang 2004 um EUR 149,-, beides bei Wein&Co., www.weinco.at