Es wird! Die Aufarbeitung der knapp 270 Weine, die Terroir-Winzer aus drei Bundesländern in Schloß Grafenegg herzeigten, schreitet voran. Und zu November-Beginn darf es wieder etwas aus der Rotwein-Schatzkiste der ÖTW-Mitglieder sein. In der Liste fanden sich die Carnuntumer Winzer zwar am Ende, doch ihre 2018er waren in Summe sehr zugänglich (auch im Vergleich zum Eisenberg, dessen „Heroes“ wir hier schon verkosteten). Wer das der Hauptrebsorte Zweigelt zuschreibt, irrt. Sie hat bekanntlich nicht nur Fans, ergibt aber auch sehr runde Weine. Doch unter den drei Besten aus der Verkostung befindet sich gerade ein reinsortiger Carnuntumer Zweigelt. Und der ist noch dazu ungewöhnlich, weil die Würze und nicht der Schmelz dominiert.
Gerade noch mehrheitlich findet sich die Sorte in einem „großen Carnuntum-Klassiker“, wie es Winzer Gerhard Markowitsch selbst nennt. Der „Rosenberg“ 2018 kombiniert den Zweigelt mit Merlot (30%) und Blaufränkisch (15%). Wer diesen Blend kennt – wir selbst tranken kürzlich den 2015er, vermutlich der beste Jahrgang ever – weiß, wie herrlich er sich im Glas entwickelt. Das Spiel aus dem Samt des Merlots und der Würze, die der „BF“ aus dem Boden zieht, wird immer klarer mit der Flaschenreife. Doch wir haben den 2018er im Glas; Markowitschs Cuvée bringt noch den üppigen Duft einer Schwarzwälder Kirsch-Torte mit: Viel Schokocreme und Nougat legt sich da über den Duft der Kirsche, der stärker als die Brombeere ist, die dennoch immer wieder brav aufzuzeigen versucht.
Am Gaumen allerdings vertragen sich die Elemente bereits sehr gut – es ist die Balance, die schon in der Jugend dieses Weins, der immerhin 18 Monate im Barrique lag, merkbar wird. Zu Herzkirsche, die in diesem Falle auch das „Herz“ des Geschmacks ausmacht, gesellen sich viele Einzeleindrücke, die aber eines vereint: Hier ist keiner vorlaut im jugendlichen Chor. Nougat etwa wirkt als Concealer für jegliches Säure-Übermaß, auch der Gerbstoff wird abgesoftet von der dunkelberigen Frucht des „Rosenberg“. Und die zarte Süße dieses leicht an Heidelbeere erinnernden Eindrucks lässt sogar die die 14% Alkohol verschwinden in diesem Carnuntumer Zaubertrick von einem Wein. Schwere Lagerempfehlung! [Für Pfennigfuchser: Es ist auch der günstigste in unserer „Top 3“!]
Seidentuch und Schoko-Streusel: Spitzerberg 2018
„Große Klasse“ steht da. Schlicht als letzter Eindruck notiert. Daneben nur noch die Bewertungshieroglyphe (zwei Plus, eingeringelt, wenn es wen interessiert). Es geht um einen der wenigen Blaufränkisch im Aufgebot aus Carnuntum. Und auch wenn 90% der Sorte im Burgenland beheimatet sind – dieser Wein hat sie in der letzten Bewertung des „Wine Spectator“ geschlagen. Es war der 2017er „Ried Spitzerberg“ vom Weingut Dorli Muhr, der das Fachmagazin so entzückte, dass es 94 Punkte gab. Ein Wert, den seit der Gründung des Hefts (1976) kein Österreichischer Rotwein erhalten hat.
Dabei beginnt dieser Wein vom puren Kalk des wind-umtosten Spitzerbergs eher fordernd. Er tut sich schwer im kleinen Verkostglas und bringt zu Anfang ein fast burgundisches „Stinkerl“ mit. Etwas Wildrose ist da auch und dann erst, allerdings auch immer klarer, folgt eine noch lang nicht reife Weichsel. Die unglaubliche Kühle dieses Weins aus Prellenkirchen wird aber noch von einer zweiten Eigenschaft begleitet: Der „Spitzerberg“ 2018 ist sehr cremig am Gaumen und wie bei vielen großen Weinen macht dieser scheinbare Gegensatz viel von seinem jetzt schon erkennbaren Reiz aus. Ein wenig erinnert der Gaumeneindruck an Schokostreusel, der sich langsam auflöst. Nur, dass der Film, den er hinterlässt, einen hocheleganten Sauerkirsch-Ton trägt. Etwas von den ersten Erdbeeren eines Jahres, die noch nicht süß sind, aber trotzdem gierig genascht werden, schwingt ebenfalls mit.
Die wirkliche Ausnahme-Qualität bestätigt einem der Abgang, der von einer ätherischen Leichtigkeit ist: Wie bei der flüchtigen Berührung mit einem Seidentuch, bei der man auch nie weiß, ob sie nur nachzittert auf den Oberarm-Härchen oder noch anhält, verschwindet dieser Blaufränkisch. Dass der 2018er in den nächsten Jahren noch eleganter auftreten wird, ist angesichts der jüngsten Rebanlage, aus der Muhrs Wein stammt (Anno 1975 gepflanzt), gewiss. Oder, um es kurz zu machen: „Große Klasse“!
Mit der Startnummer 206 stellte dann Robert Payrs Zweigelt aus der Ried Steinäcker den letzten Wein dar, der wir in Grafenegg kosteten – und es ward ein würdiger Abschluss. Der Duft von schon dunkel-schwarzen Kirschen wurde begleitet vom herb-würzig-salzigen Geruch von grünem Pfeffer in Lake. Diese Pikanz erinnert in der Tat sogar an Tequila (!), auch dann noch, nachdem wir mehrfach die Augen schlossen, um das zu verifizieren.
Doch es hätte auch ein Schluck von diesem „Steinäcker“ gereicht. Denn der Rauchpaprika und die salzige Grundierung bleibt, auch wenn die Weichsel-Noten noch mit sanfter Säure und Gerbstoff gegenhalten. Payrs (kl. Bild) Wein ist jedenfalls nichts für den Mainstream-Trinker. Dafür sollte sich so mancher Zweigelt-Verächter diese extrem würzige Spielart einmal notieren. Denn als einer der weniger Weine war dieser 2018er auch schon herrlich antrinkbar. Bei uns steht er jedenfalls als Tipp zum Sechs-Kilo-Truthahn am Christtag auf dem Zettel!
Bezugsquellen:
Gerhard Markowitsch, „Ried Rosenberg“ 2018 ist um EUR 33 im Webshop bzw. ab Hof erhältlich, www.markowitsch.at
Dorli Muhr, Blaufränkisch „Ried Spitzerberg“ 2018 kostet EUR 85 im Webshop, https://dorlimuhr.at/
Robert Payr, Zweigelt „Ried Steinäcker“ 2018 sollte demnächst um EUR 36,80 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich sein, www.weingut-payr.at