„Six amis“ steht auf der Holzkiste. Doch es ist kein Projekt, das ein paar Studienfreunde ausbaldowert haben (der Klassiker der Start-up-Szene!), sondern die sechs Freunde stellen die Zahl an Bordeaux-Weinen in der Kiste dar. Clemens Schwaiger hat seine Liebe zum französischen Wein, an der sein Schwiegervater nicht unschuldig ist, in ein Geschäftsmodell verwandelt. Die Expertise dazu hat man Familien-intern, denn seit 2015 mischt Gattin Bérénice mit Aux Bulles die Champagner-Szene auf. Im Abo kommen die großteils unbekannten Winzerchampagner seither zu den Bestellern.
Six amis geht es ein wenig anders an, auch wenn die umfangreiche und sehr frankophile Dokumentation der Herkunft auch beim Bordeaux-Abo Teil des Vergnügens ist. Drei Lieferungen im Jahr ergeben nämlich á la longue einen ganzen Weinkeller. Den man sich noch dazu zusammenstellen kann. Entweder man wählt sechs „Erstweine“ (grand vin) der allesamt im Klassement von 1855 genannten Weingüter. Oder die spannenden und nicht immer erhältlichen Zweitweine, oder man greift zur Option „mixte“ und hat je drei „second vins“ und „grand vins“ in seiner Holzkiste.
Wir öffneten die dritte Kiste und nach Château Giscours und dem Château d’Issan (beide aus Margaux) folgten „sechs Freunde“ aus St. Julien: Château Lagrange. Dieses Duo aus Zweit- und Erstwein lädt natürlich zum direkten Vergleich ein. Und auch wir widerstanden nicht lange.
Der „Les Fiefs de Lagrange“ des Jahrgangs 2015 ist vielleicht nicht nur in Schwaigers Box-System ein guter Einstieg, sondern auch in die Bordeaux-Diskussionen, die sich im Wesentlichen immer um Cabernet– und Merlot-Anteile und linkes und rechtes Ufer der Gironde. Nun, dieser Wein kommt vom rive gauche („linkes Ufer“) und die Sorten halten sich nahezu die Waage, auch wenn ein bisschen Petit Verdot den Blend erweitert. Und eben diese beiden Hauptanteil aus dem Blend kommen auch für Bordeaux-Einsteiger bestens erkennbar durch: Zu Beginn ist es die dunkle Beerenfrucht des Merlot, die den Zweitwein prägt: Heidelbeere vor allem ist zu riechen, doch mit der Zeit schiebt sich auch die Würze des Cabernet in den Vordergrund. Nicht als plumpe Paprika-Note, sondern als Rosmarin-Thymian-Mix ist sie beim Lagrange angelegt. Als verbindendes Element fungiert eine dunkle Schokolade-Note. Bisweilen blitzt aber fasst Erdbeere durch in diesem durchaus vielschichtigen Duftbild.
Am Gaumen legt der Franzose druckvoll los, allerdings mit einer balancierten Art, in der Frucht und Würze gut ausgewogen sind. Die schwarzen Beeren werden von einem ganz feinen Unterton, der nach Grünem Pfeffer klingt, belebt. Auch die Vanille der Fassreifung ist zwar da, aber in einer hoch eleganten Art, die mit einer ebensolchen Tannin-Struktur für das Finale des 2015ers sorgt. Einmal mehr liefert ein „second vin“ eine Überraschung in Sachen Leistung und Preis!
In der Regel würde hingegen der „grand vin“ vom Château Lagrange jetzt in den Keller wandern, doch wir kosten den Wein aus Saint-Julien natürlich auch einmal an. Hier sind die Sorten ungemein eng verwoben, der Sprung vom Zweitwein zeichnet sich schon in der Nase ab. Sie bringt Erdbeeren und Lorbeer mit grünem Pfeffer zusammen. Vor allem aber wirkt sie ungemein elegant; weder Gerbstoff, noch Säure drängen sich vor. Würze und Frucht strahlen in reiner Form. Und machen neugierig auf diesen 3ème Cru Classé.
Im Mund ist der Lagrange samtig von Beginn weg. Überraschend zugänglich für sein jugendliches Alter und mit ausgeprägter, dunkler Kirschfrucht stellt er den Erstkontakt her. Die Gerbstoff-Struktur vor allem zeigt schon leichten Schliff: Sie ist merklich, aber schon bereit sich in den Hintergrund zurückzuziehen. Nix da mit „in der Jugend hartem“ Bordeaux, wie ein Vorurteil lautet! Der Kern aus roter Frucht strahlt daher in diesem Stadium förmlich am Gaumen. Dieser Jahrgang – auch sie wählt Clemens Schwaiger bewusst aus – zählt zu den starken, das zeigt schon diese frühe Form! Denn auch wenn sich die letzte Tannin-Klippe noch zu einem weichen Kiesel schleifen wird: Dieses Niveau hält der Château Lagrange 2015 noch spielend 15 Jahre.
Bezugsquelle:
Six Amis, Château Lagrange kostete in der Box für sechs Flaschen „Grand Vin“ EUR 395, für 6x „Second Vin“ EUR 249. Einsteigen kann man ab der nächsten Edition (Februar/März 2022) – es wird Château Cantenac Brown sein! Preise und Info bei www.sixamis.at