„Economically it was a desaster!“ – es wird Englisch gesprochen bei der Jahrgangspräsentation in Illmitz. Denn die Einkäufer und Sommeliers kommen aus der ganzen Welt in Gerhard Krachers Weinlaubenhof. Schöner klingt die Botschaft des Süßwein-Meisters aber auch in der Fremdsprache nicht: Es gibt nur einen Süßwein aus dem Jahrgang 2014. Auslesen, Beerenauslesen, auch Trockenbeerenauslesen (TBA) wurden produziert, aber nicht gefüllt. Irgendwo schwirren nun 40.000 Liter Illmiter Süßwein herum, doch die Qualität habe einfach nicht gepaßt in dem verheerenden Jahr.
„Wenn Du einen Wein machst, zu dem Du nicht 100% stehen kannst, verfolgt er Dich ein Leben lang“, zitiert Gerhard seinen verstorbenen Vater, auf die Langlebigkeit der Prädikatsweine anspielend. Dass diese kein Gerücht ist, zeigen die Weine, die zum 20. Jubiläum der Kracher-Kollektion, in der jährlich alle TBA gesammelt sind, geöffnet werden. Großartig etwa die 2008er Welschriesling-Trockenbeerenauslese Nr. 9 mit ihrem Spiel zwischen Grapefruit, Malventee und Papaya. Oder die 2011er Abfüllung vom heimlichen Sorten-Liebling Rosenmuskateller, die mit leichtem Gerbstoff einen fast schon gefährlichen Zug – irgendwo zwischen rotem Apfel und Tannennadeln – entwickelte.
Doch sehen wir dem aktuellen Jahrgang ins Auge: Das, was noch zu retten war, verdankt sich der dickschaligen Rebsorte und es bringt mit 10,2 Gramm den höchsten Säure-Wert mit, den Kracher je beim Muskat gemessen hat. Irgendwo sitzt offenbar ein Wein-Teuferl und lacht. Denn der ebenfalls zweistellige Säurewert beim 2010er hat Süßweine mit einer Lebendigkeit von „Bitter Lemon“ ergeben (hier zur Erinnerung unsere Eindrücke). Doch wir haben 2014 und es wird eine Mini-Menge geben, wenngleich auch diese vor Zitrus-Noten nur so strotzt. Der Duft etwa lässt sofort an Pomelo denken, auch wenn die Muskattraube natürlich hinter dem Zitrusfrucht-Korb hervorlugt. Der Muskat Ottonell braucht viel Luft, dann belohnt er mit einem zitrisch geprägten Erst-Schluck. Immer breiter wird der Frucht-Eindruck, der sich bald in Richtung Banane entwickelt. Das Frucht-Säure-Spiel (204,6 Gramm wurden es am Ende) ist fein, mittellang klingt der 2014er TBA-Solitär aus.
Wo die Reise hingeht, auch weil der Zuckergehalt ähnlich war, zeigte dann eine 2013er Grand Cuvée, der Prestige-Süßwein aus Chardonnay und Welschriesling. Der anfangs verhaltene Wein eröffnet dann ein Spektakel an gelben Aromen, die sich nicht auf die Früchte Golden Delicious-Apfel und Marille beschränken – kurz riecht diese TBA (knapp 8 Gramm Säure, fast 200 Gramm Alkohol/Liter) nach Curry-Pulver. Der Hauch von Ingwer wird uns am Gaumen wieder begegnen, wo er sich unter die Mango-Saftigkeit und den zarten Kokos-Ton mischt. Intensive Apfelnoten und die oft zitierte Salzigkeit des Seewinkler Traubenmaterials runden das Finish dieses gelungenen Weins ab.
Er durfte niemals Wein sein – der rare 2002er
Extra erwähnt sei der schrägste Wein aus Gerhard Krachers „Best of“. Kommt er Ihnen unter, dann hier eine starke Kauf- bzw. Trinkempfehlung. Denn der 2002 gelesene „Noble Wine“ aus Scheurebe und Welschriesling bliebt immer unter den Parametern des Gesetzes, um „Wein“ sein zu dürfen – er hat nur 4% Alkohol. Dafür aber aufgrund der ausgebliebenen Gärung satte 420 Gramm Zucker. Wer die Hände zusammenschlägt, sei auf die ebenfalls knapp zehn Gramm Säure verwiesen, womit sich eine alkoholarme Essenz ergibt. Diese duftet nach Mango-Püree und etwas Marillenröster. Die Säure hat der Zucker aber einfach „geschluckt“, ist der erste Eindruck dieses Ausnahme-Weins. Reifste Tropenfrüchte, vor allem Papaya, und ein fast künstlich wirkende Marillen-Nektar stellen sich ein, die Süße selbst erinnert an „Cola-Zuckerl“ und wirkt lange nach.
An Schätzen früherer Jahrgänge gibt es auch abseits des 2002er Noble Wine (unter dem Stichwort „10 & 20 years after“) noch einiges zu kosten in Illmitz. Es liegt an uns Süßwein-Freunden, durch den Kauf von solch reifen Spezialitäten das Horror-Jahr wenigstens wirtschaftlich zu mildern.
Bezugsquelle:
Weinlaubenhof Kracher, TBA No.1 (Muskat Ottonell) 2014 ist um EUR 50 (0,35 Liter) ab Hof erhältlich. Von den älteren Jahgrängen kommt die Grand Cuvée Nr. 2013 auf EUR 35, die TBA Nr. 3 Rosenmuskateller 2011 auf EUR 38 und der schräge „Noble Wine“ 2002 auf EUR 84 (jeweils: 0,35 Liter) – alle ab Hof bzw. im Web-Shop, www.finewineshop.com