Zufälle gibt’s: Vormittags skizziert Guillaume Deglise von der weltgrößten Weinmesse VINEXPO globale Trends. Schaumwein boomt weltweit, auch Österreichs sprudelnde Exporte steigen (nota bene: auch ins Prosecco-Land Italien!), so die Info des Franzosen. Nachmittags trinken wir dann jenen heimischen Sekt, der derzeit international die Punkte abräumt. Erstaunlich daran ist weniger die Herkunft, denn das Weinviertel ist immer noch das Reservoir der so genannten Grundweine, aus denen viele österreichische Schaumweine entstehen. Dass die Hymnen der US-Verkoster („…is killing Champagne“) für einen Newcomer in Sachen Sprudel angestimmt werden, verblüfft dann doch. Denn Marion und Manfred Ebner-Ebenauer begannen 2006 mit dem Versekten. Der mit 95 von 100 Punkten vom US-Magazin Wine Enthusiast ausgezeichnete Poysdorfer Schaumwein ist reinsortiger Chardonnay, allerdings von bekennenden „Spät-Lesern“, und wird in 500 Liter-Fässern vergoren, ehe dann sechs Jahre Flaschengärung am Weingut in Poysdorf folgen.
Die Liebe zu Champagner stand am Anfang des Sekt-Projekts, nicht unwesentlich allerdings waren auch die Bodenanalysen. Verhältnismäßig viel Kalk fand sich in den weit verstreuten Lagen des Weinguts (eine frühe Form des Hagel-„Schutzes“). Doch vom angelesenen Wissen über Schaumwein bis zum fertigen Chardonnay-Sekt führt kein gerader Weg. Vor allem „an der Dosage wurde lang herumgebastelt, um dann festzustellen, dass wir sie weglassen“, erinnert sich Marion Ebner-Ebenauer an die Versuch-und-Irrtum-Ära, die einige Jahre währte. Denn das Verkosten nach einem Jahr war ernüchternd, erst nach 54 Monaten auf der Hefe begann sich der primärfruchtige Geschmack zugunsten komplexerer Aromen zu verändern. 1.000 Flaschen seien nur für diese Experimente drauf gegangen, die jeweils 12 Flaschen einmal mit drei Gramm Fülldosage, dann wieder mit sechs Gramm versehen haben. Öffnen, kosten, scheitern, besser scheitern, hätte Samuel Beckett das Tun der Weinviertler wohl kommentiert.
Familienähnlichkeit: Wir kosten den Sekt-Grundwein
Doch die Entscheidung für die komplett trockene Variante und die langen Jahre – sieben – auf der Hefe zahlten sich aus. Das zeigt ein Vergleich eines Sektgrundweins, den Manfred und Marion Ebner-Ebenauer mithatten. Der Chardonnay aus der Lage „Alte Geringen“ stammt aus dem Jahrgang 2014 und erinnert mit seiner Nase an Zitronen-Tarte, aber auch Passionsfrucht. Kurz vor der Versektung zeigt er also Aromatik der Rebsorte, aber auch die Säurigkeit, auf die es bei den Grundweinen ankommt. Am Gaumen sind es zwei markante Eigenschaften, die auffallen: Die hohe Säure und ein beträchtlicher Gerbstoff. Dazwischen allerdings spannt sich eine exotische Grundausrichtung, die zwischen süß und sauer pendelt. Viel Maracuja, dazu auch eine süße Zwiebel, im Finish denkt man vielleicht auch an eine saure Ananas. Das alles will gebändigt, gesoftet und neu geordnet werden für einen Schaumwein. Dekonstruktion durch zweite Gärung, quasi.
Dass die Lernpunkte, wie Unternehmensberater und öffentliche Redner gerne sagen, noch nicht abgeschlossen waren mit der 2006er Erstfüllung, zeigt der Vergleich der jüngeren Jahrgänge. Nicht, dass der Blanc de Blancs 2008 finessenreicher wäre als 2007, er ist nur deutlich kompakter in seiner Bündelung recht unterschiedlicher Aromen. Doch bleiben wir vorerst bei 2007.
Der Ersteindruck erscheint durch den Duft nach Klarapfel und grüner Birne kühl, mit Luft wird es ein wenig holziger, dann hat man den Geruch von Kurkuma in der Nase, mit mehr Luft kommt auch die exotische Fruchtmischung leicht durch. Kräftige Akzente setzt der 2007er Chardonnay-Sekt am Gaumen, die Maracuja ist ausgeprägt wie bei einem Lagen-Sauvignon Blanc, dazu kommt unter dem Eindruck der frischen und cremigen Perlage ein Hauch von Vanillecreme, die Hefenoten – etwas, das den Winzern enorm wichtig war beim platonischen Ideal eines Schaumweins – sind spätestens ab dem mittleren Gaumen unüberschmeckbar. Brotig und mit einer zusehends herben Charakteristik startet der Blanc de Blancs ins Finish, hier kommen die zarten Curry-Noten zu der durchaus rauchigen Würze und lassen den Sekt animierend ausklingen. Hier muss man sich nicht für „frischen“ oder kräftigeren Schaumwein entscheiden, als wandelnder Widerspruch hat dieser Weinviertler beides zu bieten.
Unterjährige Lernkurve: Knapper Punktesieg für 2008
Vielleicht noch kompakter erschien uns persönlich sein Nachfolger, der im Duft zwar deutlich mehr Oxidations- und Holznoten mitbrachte, wen dies stört, hat nach spätestens fünf Minuten aber ein anderes Geruchsbild im Glas. Auf das leicht verbrannte Karamell und die braune Ananas folgen dann deutlich gelbfruchtigere Aromen, vor allem Honigmelone, aber auch „Golden Delicious“-Apfel. Druckvoller noch als beim 2007er ist hier das Mousseux zu Beginn, ehe sich wieder die Cremigkeit im Mundraum ausbreitet und eine Kombination vor dem geistigen Auge entstehen lässt: Allerheiligen-Striezel mit wenig süßer Pfirsichmarmelade. Denn die Brioche-Note fällt nicht nur wunderbar aus, es ist auch faszinierend, wo sie sitzt. Nicht im Duft, wie bei vielen Champagnern, sondern als klarer Kern, um den sich die Frucht (neben kühlen Pfirsichtönen findet man auch Zitrusnoten) gruppiert.
Ein Unterschied liegt auch im Abgang dieses Jahrgangs, denn die Salzigkeit des 2008ers merkt vermutlich auch ein Laie. Mit den an Salz-Zitronen erinnernden Noten klingt dieser Sekt aus, der überkomplett ist wie sein Jahrgangsbruder namens „2007“. Aber eben noch fokussierter. Und ehe das landestypische Jammern über den Preis einsetzt, seien drei Dinge vermerkt: Versektung wird vorfinanziert, auch das Lagern über sieben Jahre gehört – no, na – „eingepreist“. Mit dem Ab Hof-Preis liegen wir mitten in der Champagner-Preisrange und in diesem Sektor sind nicht nur Top-Flaschen dabei. Drittens zwingt keiner jemanden zum Kauf, wir raten aber dringend, zumindest einmal den Blanc de Blancs zu kosten. Als Benchmark für heimischen, reinsortigen Sekt sollte man ihn kennen.
Bezugsquelle:
Ebner-Ebenauer, Blanc de Blancs Zero Dosage 2008 ist um EUR 55 ab Hof erhältlich, in Wien führen ihn Marco Simonis (Dominikanerbastei 10) und Meinl am Graben (Graben 19), www.ebner-ebenauer.at