Schön langsam sollte man die Craft Brauer einteilen. Denn der eine liebt das Spiel mit den Aromahopfen (gähn!), der andere lässt die Malze als Cuvée im Sud tanzen. Und der Dritte konzentriert sich auf jene Zutat, die es laut Reinheitsgebot gar nicht gibt – die Hefe. Dass sie den Ton angibt aromatisch, kann man bei etlichen Veltliner-Winzern lernen, die plötzlich Sauvignon blanc-Düfte aus dem Glas zaubern. Oder man hält seinen Riechkolben in ein Glas Weißbier. Message delivered? Dann können wir uns im Detail der seit zwei Jahren aktiven Grazer Bier-Produktion von Alfried Borkenstein widmen.
„Brauerei“ steht hier bewusst nicht, denn der gelernte Grafiker, der unter dem „Alefried“-Label abfüllt, ist ein Wanderbrauer. Ohne eigene Braustätte, dafür mit hübschen Labels, die etwa Freunde der finnischen Mummins lieben dürften, sorgt Borkenstein für Bier, das sich mehrheitlich dem Hefe-Einsatz widmet. Am Anfang steht ein American Pale Ale, das die Geschichte des „Schlawiners“ erzählt, nach dem es benannt ist: Maracuja und deutliche Hefenoten (frischer Brioche-Teig) geben neben Orange den Ton an, wer dem illegalen Hanfkonsum frönt, wird vielleicht auch da einige Duftnoten wieder erkennen. Immerhin gehört der Hopfen zur gleichen Familie wie Cannabis inidica, in diesem Falle sind es aber amerikanische Aromahopfen namens Citra, Columbus und Centennial, die den „grünen“ Geruch beisteuern.
Im Mund bringt der – wie alle Alefried-Biere unfiltrierte – „Schlawiner“ eine frische Kohlensäure mit, auch hier ist wieder viel Orange zu schmecken. Zu diesem Aroma der bitteren Schale und der Frucht zugleich gesellt sich eine deutliche Bitterkeit. Die 40 IBU (= Bittereinheiten) hängen lange nach bei diesem Hopfen-satten Auftakt.
Drei Getreide und eine schöne säuerliche Note prägen das Lieblingsbier des Brauers, ein Saison oder auch Farmhouse Ale. Es zeigt einen herzigen Fuchs, der Name des Biers spielt wohl auf das Gänsestehlen an, denn „Fladerant“ hätte man im Verkaufsseminar eher nicht als Top 5-Biernamen empfohlen. Doch es geht ja nicht um’s Cover, auch wenn es formschön und Kindergarten-Gewand-Haken-tauglich zugleich ist.
Sehr schön beschrieb die Kümmelbraten- und Kren-Note dieses 6,5% Alkohol starken Biers einer der Verkoster beim Tasting mit Erica Pugh: „Eine Heurigenplatte von einem Bier“! Wo der Mann recht hat, hat er recht. Denn speziell die Würze schält sich auch am Gaumen aus der anfänglichen Fruchtigkeit. Wo Zitrusfrüchte und Joghurt den Auftakt machen, kommt alsbald Sesam dazu, der wiederum Platz macht für einen zarten gelben Paprika. Diese würzige Note trägt das erfrischende Saison mit einem cremigen Nachhall ins Finale. Sicher kein Crowd pleaser, aber für Freunde des belgischen Brauens ein selten gelungenes Exemplar aus heimischer Fechsung!
Wer in Graz wohnt oder einen Draht zu Alefried hat: Herausragend, wenn auch selten, ist das fassgelagerte „Fladerant“, dem die sechs Monate im ehemaligen Weissburgunder-Fass aus Rust eine lebendig-saure Note verleihen, die wir schlicht Ribislkuchen mit Prosecco-Guss nennen wollen.
Lange scheint man beim Gypsy Brewer auch an der Abstimmung der Hopfen-Ladung für sein India Pale Ale (IPA) getüftelt zu haben. Denn die fünf Sorten (darunter Simcoe, Citra und Mosaic) ergeben einen Mix, der den „Klabauter“ zu einem überraschend balancierten Bier macht. Was beim „Schlawiner“ noch ein wenig neben der Frucht stand, wird hier zum Trumpf. Denn die Bittere am Ende verhindert ein zu süße-intensives Bier. Denn dicht zum Beissen ist das 7,2% starke IPA! Der Duft nach Pink Grapefruit und Buchteln (also wieder das Spiel mit der Hefe!) bereitet nicht ganz vor auf das was dann kommt. Rote Früchte und Papaya zu Beginn werden begleitet von einer deutlichen Cornflakes-Aromatik. Die zarte Bittere (mehr Artischocke als Hopfen) und die softe Karamell-Bonbon-Süße am Ende versöhnen auch Hopfen-Skeptiker mit dem India Pale Ale.
Bier zum Grübeln: Wie hieß das NÖM-Mix damals?
Die Liebe zu belgischen, mit der zweiten Gärung entsprechend „hefigen“ Stilen kommt am besten aber bei jenem Bier durch, das Alfried Borkenstein als ausgebildeter Gestaltwahrnehmer gleich mal abgesetzt hat von den anderen. Das flämische braune Sauerbier, also ein oud bruin, erinnert an Gerüche der Kindheit. Vergeblich versuchten wir in der Anstalt für Getränke zu rekonstruieren, wie das lange verblichene NÖM-Mix-Yoghurt mit den drei Früchten hieß. Ananas und Sauerkirsche waren jedenfalls drinnen. Nach ihnen duftet auch das „Oud Bruin“, allerdings findet sich auch der intensive Zitrustouch der gerne in Bäder- und Kinobuffets verkauften „sauren Cola-Fläschchen“. Mit 9,4% kein Leichtgewicht, bringt das in der Großflasche verkaufte Bier aber eine beachtliche Drinkability mit.
Wer mit der milchsauer unterlegten Mischung aus Sesam und Zitrusfrucht von Aufenthalten in Flandern (und sei es nur im Bierglas) vertraut ist, wird zumindest kurz trachten, die Hände frei zu haben. Denn dann kann man dieser heimischen Interpretation eines alles anderes als leicht zu brauenden Stils applaudieren. Hands up for Hefe!
Bezugsquelle:
Alefried, das American Pale Ale „Schlawiner“ ist ebenso wie das „Fladerant“ um EUR 3 erhältlich;: das IPA „Klabauter“ kostet EUR 3,20 (alle in der 0,35 Liter-Flasche) und das Flemish Sour „Oud Bruin“ EUR 12 (allerdings in der 0,75 Liter-Flasche) im Webshop erhältlich, www.alefried.com