Für 500 Flaschen legen viele Winzer nicht einmal eine Inventar-Nummer an. Bei Kurt Steiner in Klöch ist das allerdings ein knappes Viertel seiner Jahres-Produktion. Hätte er nicht ein schmuckes Anwesen im Vulkanland, würde man ihn wie in den 1990er Jahren wohl einen Garagen-Winzer nennen. Der skrupulöse Anspruch an das Lesegut verbindet ihn mit diesem weitgehend ausgestorbenen Typus Weinbauer, ansonsten regiert am Klöchberg der Hedonismus und die feine Klinge. „Venustus“, „Ab avo“ oder „Nobiles“ heißen seine Weine – eine Verstiegenheit in Bildungs-fernen Zeiten, dem alten Latein Platz am Etikett einzuräumen, sicher. Doch Steiner (am kleinen Bils links zu sehen) muss nichts, er will das so.
Diese Kompromisslosigkeit stand schon am Beginn seiner Winzerkarriere. Denn als wohlbestallter Beamter bei Tag und leidenschaftlicher Golfer nach Feierabend sollte das 3er-Holz nur dauerhaft ruhen, „wenn wir mit dem Erstlingswerk auch eine Prüfnummer bekämen“. Denn das halbe Hektar, das sein Schwieger-Opa seiner Gattin vermacht hatte, bedeutete schließlich Arbeit. So man es wirklich ernst nimmt. Und ein Bruder Leichtfuß war Steiner allenfalls in seiner Jugend. Heute regiert die Perfektion. Füllstände werden nachgemessen in der Bouteille, den Mittellauf (= das Herzstück) seiner Treber-Brände fraktioniert er mehrfach, um nur ja keine Unsauberkeiten im Brand zu haben. Und so gut befreundet oder ehrwürdig ergraut kann kein Lese-Helfer sein, dass ihm Steiner nicht edelfaule Trauben aus der „Butten“ entfernt.
Das Ergebnis – wir können es vorweg nehmen – sind blitzsaubere Weine, deren Frucht auch Wein-Laien betört. Mit uns kosten: ein Jung-Jurist, persönlich sehr nett und mit den Gedanken beim morgigen Plädoyer (die Tage, an denen wir uns beim abendlichen Wein sorgten, was Tags darauf um elf Uhr ansteht, gehören einem anderen Jahrtausend an, der Advokat, sub auspiciiis spondiert, einer anderen Generation). Die Qualität des Welschrieslings, des Einstiegsweins von Daniela und Kurt Steiner, geht ihm mit dem ersten Schluck auf. „Nemo plus juris transferre posset, quam ipse habet“, mögen die Rechtsgelehrten seit Ulpianus murmeln, hier gilt ein anderer Lehrsatz: Niemand kann mehr Wein mit 11% machen, wenn er nicht rigoros auf jedes Detail achtet. Der „Welsch“ ist leider vergriffen, weniger schön gesagt: „Seit dem Sommer ausgetrunken“. Daher – ohne die langen Zähne zu befördern – nur so viel: Kumquats, viel helle Birne und weißer Pfeffer am Gaumen, Terroir-geprägt und vollmundig trotz der Leichtigkeit.
Die Steiner’sche Suche nach Frucht ohne Kitsch gelingt am besten beim Riesling, der wie eine säuerliche Marillen-Marmelade duftet; in diesem Fall hat sie die Oma eingekocht, auch wenn es Großvaters Weingarten ist. Der „Ab Avo“ bringt ein zartes Rum-Aroma mit, Zeichen der hohen Reife des 2017ers („Ich hasse es, „grün“ zu lesen“, bekundet der Winzer seine Zufriedenheit mit dem Jahrgang). Der Boden-Ton des Klöcher Basalts wirkt wie kalter Rauch, der diese Frucht umhüllt. Gibt man dem „Ab avo“ mehr Luft, wird auch der Gelbe Apfel deutlicher in der Nase. Der schöne „Zug“ dieses Weins ist augenfällig, am Gaumen mengen sich Apfel-Spalten in die klare Rosenmarille, das Finish fällt kräutrig (für uns am markantesten: frischer Salbei) aus. Dem nicht genug, rundet eine herbe Zitrusnote – man darf an „Pink Grapefruit“ denken – den Klöcher Riesling ab.
Feinherbes Feingefühl: Traminer „Proavitus “ 2017
Wer Klöch sagt, muss auch Traminer sagen. Doch in diesem Fall, gibt es nicht für jeden Gaumen von knochen-trocken bis edelfaul-süßlich eine Spielart, „dafür sind wir schlicht zu klein“. Die Steiner’sche Variante ist technisch halbtrocken, aber auch das nur, weil Österreichs Weingesetz kein „feinherb“ kennt. Denn der Zuckerwert mag sich gegen 13 Gramm bewegen, gefühlt ist dieser Traminer aber trocken. „Proavitus“ heißt er wieder mit Ehrenbezeugung an Ludwig Schöffl, der die gut 40 Jahre alten Reben in seinem fast 100 Jahre – und 70 Wein-Jahrgänge – währenden Winzerleben hinterlassen hat. Der Duft wirkt trocken, fast kreidig, allmählich traut sich die Wildrose aus der Deckung, davor dominieren aber Sesamstangerl, eine ausgeprägte Haselnuss und Nuss-Brot das Duftbild.
Der Gaumen zeigt dann das bei uns gerne als „Fruchtpikanz“ bezeichnete Spiel zwischen Süße und Säure, man denkt an fleischige Ringlotte, Gelbe Paprika und etwas unreife Marille bei diesem Wein. Rosenseife? Ist nicht! Kitsch? Findet nicht statt! Dafür kommt ein zartes Pfefferl im Finale dazu, das einmal mehr zeigt, wie tief sich diese Rebstöcke in den Basalt-Grund gebohrt haben.
Und weil der Spät-Frost 2016 auch die Mikro-Produktion (wir reden im „Rekord-Jahr“ 2018 von kumulierten 2.600 Flaschen!) der Steiners nicht verschont hat, entstand aus den nicht erfrorenen Reben eine Cuvée, die Riesling (60%), Traminer und Welschriesling (je (15%) sowie – in diesem Fall zugekauften – Sauvignon Blanc (10%) vereint hat. Das aus der Not geborene Ergebnis überzeugte. Und so gibt es auch eine 2017er Version des „Nobiles“. Der Traminer kommt am stärksten in der Nase durch, es ist der Rosenduft, der sich um die Steinfrucht-Noten des Rieslings rankt. Denn auch Weingarten-Pfirsich erschnuppert man, aber erst mit etwas Luft.
Die stets präsente Mineralik des alten Vulkan-Gesteins äußert sich auch hier in Form eines pfeffrigen Grund-Rauschens; in diesem Falle setzt es von Beginn weg ein und begleitet die weißfleischige Birne und den saftigen Orangen-Schmelz dieser Cuvée. Auch der „Nobiles“ hat in seiner Jugend schon ein beachtliches Trinkanimo. Erst am Ende erinnert der Rosen-Ton des Traminers uns daran, dass immerhin 13% Alkohol zu Buche stehen. Aber bei allem Verständnis für die generell kleinen Produktionsmengen, halten wir es mit Van Morrison: „It’s too late to stop now“….
Bezugsquelle:
Daniela & Kurt Steiner, Riesling „Ab avo“ 2017 ist um EUR 14, der Traminer „Proavitus“ 2017 um EUR 17 und die Cuvée „Nobiles“ 2017 um EUR 16 ab Hof erhältlich, alle über die Homepage des Familien-Weinguts, www.vvlweine-steiner.at