Eine Kennzahl aus dem neuen Jahresbericht der Österreichischen Weinmarketing ist beeindruckend: Mittlerweile 91% aller in der Gastronomie getrunkenen Weine stammen aus dem Inland. Ganz so super muss man das nicht finden, denn eine mangelnde Nachfrage reduziert bekanntlich á la longue das Angebot. Wir werden also noch weniger Neues aus der weiten Wein-Welt sehen, wenn sie sich auf gerade einmal 9% zusammenschmuckt. Wobei wir jetzt nicht weiter darauf eingehen, dass in diesem einstelligen Anteil Massen-Dreher wie der sommerliche Prosecco genauso eingerechnet werden wie die Sammlerstücke mit Flaschenpreisen von 200 Euro aufwärts. Was sonst „da draußen“ passiert, geht zumindest in den Wirtshäusern also weitgehend am Gast vorbei.
Schade, denn so viele Fachgeschäfte haben wir dann auch nicht, die es mit persönlichem Einsatz, der Überzeugunskraft und der Rhetorik eines Hutschenschleuderers wenigstens schaffen könnten, dass ein Glaserl vom noch nicht bekannten Winzer probiert (!) wird. Denn was an qualitativen UND preisgünstigen Weinen in Spanien, Italien oder Deutschland gekeltert wird, hätte sich zumindest diesen Respekt, die Chance aufs erste Mal, verdient. Damit aber die Vorrede nicht länger gerät als die Kostnotiz, kommen wir auf den Punkt: Selbst das vermeintliche Hochpreis-Land der Barolos, das Piemont, liefert Weine, für die man hierzulande deutlich mehr aufrufen würde.
„Anschauungsobjekt“ dieser These ist ein Barbera d’Alba von einem relativ stillen Produzenten, nämlich Franco Massolino. Seit über 120 Jahren widmet man sich in der Familie den Rieden um Serralunga d’Alba; der zehn Jahre nach der Ernte vermarktete „Vigna Ronda“ gilt unter Kennern durchaus als Geheimtipp. Aber auch für die übrigen Weine mit dem unspektakulären Etikett gelten die Schlagworte „armonia ed equilibrio“ – Harmonie und Gleichgewicht. Wie aber wird das bei einem 2017er aus dem Hause Massolino sein?
Die Angst vor einem „Kindsmord“ ist bei diesem jungen Barbera natürlich da – der Ausruf „Ist der schon gefüllt?“ bestätigt das in der Verkost-Runde. Vor allem das Tannin macht etliche der Alba-Weine in der Jugend ja recht sperrig, schließlich sollen sie langsam heranwachsen in der Flasche für das in der Regel lange Leben. In unserem Fall hat die Flasche aber Pech gehabt, schließlich wollen wir es ja wissen. Und der Gerbstoff ist in keiner Phase auch nur aufdringlich, geschweige denn problematisch zu nennen in der frühen Phase des 2017ers. Das zart violette Randerl erinnert an Zweigelt, der Sauerkirsch-Duft hingegen ist eigenständig und verweist nach Italien. Zumal er mit mehr Luft auch Hibiskus, aber auch dunkle Beeren (reifen Holunder vor allem) mitbringt.
Es ist ein komplexer Wein, der sich deutlich verändert: Mal gibt es einen Schwung Vanille wie aus der Pasticcheria, dann wird es wieder leicht Eisen-haltig und dunkelbeerig. Der Eindruck am Gaumen ist ähnlich vielseitig, zumal, wenn man auch das Preis-Etikett vor Augen hat. Dem runden und wieder von der Weichsel geprägten Auftakt folgt eine satte Frucht, die an reife Erdbeeren erinnert. Sucht man sie ein wenig später wieder, dreht der Massolino breits in Richtung Chili-Flocken und Schwarzem Pfeffer. Diese Würzigkeit und die „engen Maschen“ gegen den Abgang zu überraschen, denn mit 14,5% sollte der kräftige Alkohol irgendwann zuschlagen – was er aber nicht tut.
Bei aller Frucht ist der 2017er Barbera kein Faserschmeichler, die Säure der Jugend steht aber nicht einfach neben dem satten Vanille-Weichsel-Geflecht, sondern zeigt eine andere Seite des gleichen Weins. Wohin er sich im Alter bewegen wird, bleibt zu beobachten. Als Speisebegleiter jedenfalls machte er „bella figura“ zur sonntäglichen Rehleber im Natursafterl. Es muss ja nicht immer das gereifte, teure Regal sein, wenn es um Piemont geht.
Bezugsquelle:
Tenuta Massolino, Barbera d`Alba 2017, ist um EUR 12,50 bei Wagners Weinshop erhältlich, www.wagners-weinshop.com