Am Weingut Weninger hat man sich schon früh dem ungarischen Weinerbe verschrieben. Als endlich die Grenzen fielen, wollte Franz Weninger wissen, wovon man da jahrzehntelang abgeschnitten war. Den ersten Weinen zusammen mit Attila Gere in Villany folgte später das geographisch näher gelegene Investment in Weingärten bei Sopron. Sohn Franz Reinhard war mit 18 Jahren hier schon als Mitbesitzer eingetragen und er führte die Grenzgänge zu neuen Höhen. Das zeigt sich auch am Bekenntnis zum Furmint, den er mittlerweile auf zwei sehr unterschiedlichen Lagen – eine in Ritzing im Burgenland, eine in Balf in Ungarn – kultiviert.
Und da wir durchaus bekennende Fans dieser Sorte sind, die seit wenigen Jahren wieder verstärkt gepflanzt wird (Tiefpunkt waren bundesweit (!) 11 Hektar), wollten wir den Vergleich auch im Glas haben. Zumal der biodynamische Betrieb den früher einmal „Riesling des Ostens“ genannte Sorte in aller Unterschiedlichkeit fördert. Das beginnt bei der Namensgebung. Denn der „Stein“, wie der ungarische Sortenvertreter heißt, soll sich auch vom „Kalk“ – der aus der Lage „Kalkofen“ im Mittelburgenland stammt – semantisch so abheben, wie er es auch beim Boden tut. Beide Weine sind Jahrgang 2020 und sehr leicht im Alkohol; 10% stand schon lange auf keinem aktuellen heimischen Weißweinetikett.
Beim Furmint „vom Kalk” ist das aber der Fall und die sonnenverwöhnte Lage, die nicht von ungefähr „-ofen“ im Namen führt, lässt dennoch nicht an der Reife der Trauben zweifeln. Vergoren wurde spontan im 500 Liter-Holzfass; auch die elfmonatige Reifung verbrachte der 2020er aus Ritzing in diesen Fässern. Der Ausbau lässt die Germteig-Noten, die wahlweise an „Dim Sum“ oder Germknödel anklingen, deutlich zum Vorschein kommen. Als Frucht steht der typische Apfel-Ton der Rebsorte olfaktorisch im Vordergrund.
In diesem Fall kommt sie in säuriger Form – zu Omas Zeiten hätte man wohl „Lagerapfel“ gesagt – daher. Eine ganz feine Säure legt am Gaumen vor und bereitet den Weg für den traubigen Charakter, aber auch den Gerbstoff des Furmints. Er hat aber nicht das letzte Wort in Sachen Geschmack. Trinkanimierend war der „vom Kalk“ von Beginn an, im Finale aber zerstäubt er in einem Reigen von herben und gelben Früchten. Vor allem Quitten und Ringlotten sind zu merken, aber auch der Apfel, diesmal eher der Sorte „Golden Delicious“, ist da. Wer von diesem feingliedrigen und erfrischenden Wein etwas möchte, sollte nur nicht zu lange warten. Gefüllt wurden lediglich 1.200 Flaschen – als „Naturwein“, der auch Einsteigern zeigt, wie so etwas schmecken kann. Noch dazu von einer Sortenrarität!
Denn hierzulande „überlebte“ der Furmint vor allem im edelsüßen Ruster Ausbruch. Doch zum Glück besinnt man sich auch auf die Qualitäten der Sorte im trockenen Ausbau. Und auch als „Klimagewinner“ ist er plötzlich wieder interessanter als – sagen wir – ein Grüner Veltliner, made in Burgenland. Was möglich ist, zeigt ein Wein, der nicht von ungefähr auch preislich höher angesetzt ist als der „vom Kalk“. Wobei dieser ungarische 2020er Franz Reinhard Weningers erst den dritten Jahrgang aus der Lage Spern Steiner darstellt. Leicht im Alkohol blieb man auch hier, doch bei den in diesem Fall 11,5% Alkohol endet die Gemeinsamkeit auch schon.
Blind würde man dieses „Burgunderstinkerl“ eher in Frankreich verorten, aber selten in Ungarn. Wer wissen will, wie Reduktion im Weißwein riecht: Dieser „Kapselpracker“ von einem Furmint zeigt es! Wie die „Munition“ der Spielzeugrevolver in den 1980er Jahren oder Schweizer Kracher riecht es aus dem Glas mit dem „Stein“. Etwas Zitrusabrieb ist auch da, aber viel stärker noch mischen sich Lychees, Mandelblüten und Magnolien unter den Schießpulver-Geruch. Mit Luft – die man ihm durchaus auch gönnen sollte! – notierten wir auch noch ein Quäntchen Blutorange.
Am Gaumen verblasst diese Expressivität anfänglich. Jetzt ist die feine Klinge angesagt. Tee-artig eleganter Gerbstoff und die angenehme Leichtigkeit erinnern an Malven, aber auch eingeschrumpelte Äpfel. Am Gaumen wirkt der „Stein“ 2020 zarter als der „vom Kalk“. Aber irgendwie auch eindrücklicher. Einmal mehr ist da der Widerspruch, das Oxymoron, das beeindruckende Weine gerne prägt. Doch auch hier wartet eine Schlußpointe geschmacklicher Natur: Der mineralische Schliff vom Soproner Weinberg taucht final wieder auf – und bleibt lang und animierend haften. Man versteht, dass in den Annalen der Stadt (als Sopron noch Ödenburg hieß) dieser Weingarten als bester West-Ungarns deklariert wurde.
In den Hollerbusch „gebeamt“: Hochäcker 2018
Weil es so schön war, schenkten wir aber auch einen Klassiker des Weinguts ein. Der ist Horitschon durch und durch, denn die Parade-Lage „Hochäcker“ und Blaufränkisch sind ja praktisch Synonyme. Im Falle der Weninger’schen Parzellen sind die Reben bis zu 40 Jahre alt. Auch hier belässt es Franz R. Weninger schlank. Man muss das jetzt nicht „burgundisch“ nennen, aber so elegant zeigt sich ein Blaufränkischer auch nicht alle Tage. Kühle und Finesse sind angesagt, der Ausbau interessiert hier wenig, aber den schreibt man ohnehin nie aufs Etikett. Stattdessen soll der Wein für sich sprechen – und das kann der 2018 ziemlich beredt.
Wie frisch geschlagener Ziegel-Staub duftet es aus dem Kostglas; man merkt die Sonnigkeit der Lehmlage nicht an der Üppigkeit, sondern eher an einem Flirren. Auch die oft fast plakative Kirsche scheint Ferien zu haben, sie bleibt vornehm zurückhaltend. Piment sorgt für die Würze und wenn man lange nachdenkt, fällt einem der ebenso markante, wie selten bei Wein anzutreffende Duft ein – es ist Holunderholz, aus dem man früher mal Pfeifen schnitzte. Als auch die Kinder-Colts rauchten wie bei „Fuzzy“ am Vorabend.
Jedenfalls steht dieser Wein für Vertrautheit mit der Sorte, aber ungewöhnliche Machart: Kein Gramm Fett ist beim 2018er „Hochäcker“ zu sehen. Schminke ist Weninger ohnehin ein Gräuel. Dafür liefert er wieder einen dieser Gegensätze, die Spannung im Mund erzeugen. Mundfüllend und zurückhaltend zugleich ist dieser Rotwein. Die Frucht, klar als Sauerkirsche erkennbar, wirkt dennoch fein wie ein Aquarell. Auch hier darf es aber komplexer werden; frisch gemahlener Schwarzer Pfeffer gesellt sich im Nachklang zur saftigen, aber kühlen Rotfruchtigkeit. Aber warum soll nicht auch „easy drinking“ Anspruch haben dürfen?
Bezugsquelle:
Weingut Weninger, Furmint „vom Kalk“ 2020 kostet EUR 15, der (ungarische) Furmint „Stein“ 2020 EUR 24 und der Klassiker Blaufränkisch „Hochäcker“ 2018 EUR 13, alle bei Pinard de Picard, www.pinard-de-picard.de