Die Beständigkeit ist beim Wein fast alles. Er selbst mag keine Temperaturspitzen, unnötige Verwirbelung oder unbalancierte Parameter. Die Winzer verinnerlichen so etwas. Und bevor es zu philosophisch wird, sagen wir, dass es um die Thermenregion geht. Eine Gegend, in der sich die Winzer nicht hetzen lassen. Dass sie sich unter den beiden letzten Gebieten ohne DAC-Norm in Österreich befinden, ficht viele an der Südbahn nicht an. In den Heurigen wird das Kürzel keine Flasche mehr verkaufen. Und der große Export ist vielfach nicht das Thema.
Viel lieber zelebriert man das gemütliche Tempo, das man auch einfach „menschlich“ nennen könnte. „Bestehendes kontinuierlich gemeinsam weiterentwickeln“ lautet etwa die Devise, die drei Winzer verbindet, die alle Johann Gisperg heißen. Die Dynastie in Teesdorf kümmert sich um den Wein und weniger, was man drauf schreibt. Drei Generationen verbindet hier die Leidenschaft zum Winzerberuf. Und die bedeutet beim jüngsten Johann vor allem: Burgunder. Ihnen widmete er seine erste weiße Cuvée und auch der aktuelle Lieblingswein ist mit dem „Ried Gestein“ ein Chardonnay.
Rauchig wie frischer Toast kommt diese Reserve aus dem Jahrgang 2019 daher – auch an Nusskuchen kann man denken. Die Frucht ist eher noch zart, da regt sich hinter den Fassholz-Noten ein wenig Birne und kühle Ananas. Am Gaumen bleibt es bei frischen Noten: Sternfrucht und Melone, auch etwas Grapefruit, die für herbe Töne sorgt, notierten wir. Interessant ist der leichte Salz-Ton, der sich speziell im Finale unter die kühle Frucht und zarte Bitterkeit mengt.
Im Grunde haben die Gispergs hier eine moderne Stilistik geschaffen, die man von maische-vergorenen Weinen kennt, und sind doch ganz klassisch geblieben. Vielleicht ist das eine der wichtigsten Stärken der mit Heurigenbetrieben gesprenkelten Weinlandschaft der Thermenregion: Man muss nicht alles mitmachen!
Das beweist auch der Mödlinger Zweig der Familie Taufratzhofer, deren Rieden sich aber auch in Gumpoldskirchen befinden. Ihre Weine findet man beim Heurigen, für den die Söhne Michael und Gunther Taufratzhofer im Weingarten tätig sind. Leichte, frische Weine passen da besser als „Granaten“, weshalb wir auch zum 2020er Rotgipfler greifen, jener Sorte, die der Thermenregion „gehört“.
Und von Zucker oder Mango-Duft, der die Sorte in ihrer üppigen Ausprägung oft schwer belädt, ist hier in der Nase nichts zu finden. Mit einer cremigen Duftnote legt man zwischen Gumpoldskirchen und Mödling den jungen Rotgipfler an: Wie in Schokolade getunkte Banane duftet es exotisch, aber eben auch nicht zu expressiv, was die flankierenden Obst-Noten von Ananas und Birne belegen.
Interessant wird es bei der Bezeichnung „halbtrocken“ am Etikett – denn auch am Gaumen findet sich keinerlei „Zuckerspitz“. Hier sind es eher Kiwi und grüne Trauben, die eine Frische signalisieren, wie sie einem 2020er gut ansteht. Im Nachklang gibt es noch ein feines „Bremseln“, das aber mehr der Gerbstoff als ein „Pfefferl“ verursacht. Es rundet diesen Allrounder stimmig ab, der vor allem eines ist: Jetzt sehr schön zu trinken. Und das zu einer Vielzahl von Speisen, wovon man sich nunmehr auch wieder beim Taufratzhofer-Heurigen überzeugen kann!
Bezugsquelle:
Weingut Johann Gisperg, Chardonnay „Ried Gestein“ Reserve 2019 kostet EUR 21 im Webshop bzw. ab Hof, www.weingut-gisperg.at
Weinbau Taufratzhofer, Rotgipfler 2020 ist um EUR 6,40 ab Hof zu haben, www.taufratzhofer.at