Das Mittelstück, ausgerechnet! Eine Trilogie sollte man nicht so beginnen. Und doch war der 23-jährige „Grand Cru“ von Glenfiddich der Erste aus der Serie namens „Grand Series“, den wir im Glas hatten. Er stellte einen bereits ehrwürdig alten Whisky (23 Jahre) vor, der 2019 seine Premiere hatte und in einem ungewöhnlichen Fass nachreifte. Champagner befand sich zuvor darin, auch wenn man offiziell vorzieht, von einem „French wine, famous for its acidity“ zu sprechen. So hielt es auch Master of Malt Brian Kinsman bei der Whisky-Premiere des Nachfolgers, die aus dem Udo Lindenberg-Stammsitz Atlantic in Hamburg gestreamed wurde.
Wir verglichen also erneut das zweite Kapitel mit unseren Verkostnotizen. Und die Trauben-Nuss-Noten, die wir damals beschrieben, zeigten auch heuer wieder den weinigen Charakter an. Räucherstäbchen und Mango fiel diesmal auf und wieder die Leichtigkeit dieses „23 years“ alias „Grand Cru“. Die volle Aufmerksamkeit soll hier aber den beiden anderen aus dem Trio gelten. Neu war ja neben dem Schluss-Stein aus dem Hause William Grant & Sons auch der erste „Grand“ überhaupt – zumindest für uns. Er setzte eine Kombination fort, die David Stewart begründet hatte. Der längstdienende Master Blender Schottlands, der für The Balvenie werkt, legte für den „Caribbean Cask“ Whisky in Rumfässer. In diesem Fall hatte Kinsman als sein Nachfolger bei Glenfiddich aber einen weitaus älteren Single Malt zur Verfügung. 21 Jahre ist der Auftakt der „Grand Series“, der gemäß der Heimat seiner Fässer den spanischen Namen „Gran Reserva“ trägt.
So hell wie die Bernstein-Farbe im Glas ist auch die Frucht dieser Rarität. Cavaillon-Melone, Pfirsich in Reinkultur und Orange leiten ein. Mit Luft kommt die Kokosraspel – ein klarer Ton lange belegter US-Fässer – stärker durch. Brian Kinsman hält ihn dennoch für einen „klassischen Glenfiddich“, da die Leichtigkeit und Fruchtigkeit der Speyside auch beim Rum-Cask-Finish durchschimmere. Da ist was dran; denn fein und elegant kommt der „Gran Reserva“ auf den Gaumen. Wieder führt die Orange die leichtfüßig tänzelnde Fruchtparade an. Etwas Assam-Tee und Piment sorgen für Gerbstoff und Würze, spätestens im Finale lautet das Kommando aber „Alles Schokolade“! Mit feiner, milchiger Süße kleidet der „21 years“ den Mund aus. Erstaunlich jugendlich wirkt der „Gran Riserva“, das muss man sagen. Und man kann es ja der karibischen Lebensfreude aus den Rum-Casks zuschreiben.
Das Grande Finale der Serie stellt in Dufftown aber der „26 years“ dar. Er soll die Trilogie krönen. Auch wenn die Ideen für neue Fass-Hölzer Kinsman und seinem Team nicht ausgehen dürften. Denn neben den erlaubten Holz-Arten, zu denen sich unlängst auch die Behälter für Agaven-Brände gesellten, gibt auch die Dauer der Lagerung viel Spielraum. Das zeigt auch der „Grande Couronne“, wie der teure Neuzugang getauft wurde. Der bereits 24 Jahre alte Whisky kam aus den US-Weißeichen-Fässern und der europäischen Eiche der Sherry-Fässer noch in ehemalige Cognac-Fässern. „Und das nicht für wenige Monate, sondern für volle zwei Jahre“, wie Kinsman betont.
„Bei uns lagern Whiskys in 60 unterschiedlichen Hölzern, um damit zu experimentieren. Die meisten davon werden nie gefüllt“.
Brian Kinsman, Malt Master
Der massive Einfluss dieser „Vorbelegung“ in Frankreich darf also angenommen werden. In der Tat riecht man die Trauben aus der Charente. Auch wenn der Duft dieses ehrwürdigen „26 years“ nur als komplex bezeichnet werden kann. Bratapfel ist die erste Note, dann gesellen sich Blüten wie Flieder und Blauregen (Wysteria) hinzu. Man mag sich täuschen, aber auch Cognac der Grand Champagne hat mitunter diese floralen Düfte. Süße Früchte und Teig lassen an „Tarte Tatin“ denken. Das sagen auch die offiziellen Tasting Notes. Etwas despektierlicher, aber ebenfalls treffend, könnte man auch von durchgeweichtem Blätterteig einer Fruchtschnitte sprechen. Und plötzlich schält sich die Muskat-Traube aus dem hellen Früchte-Mix, dem Saft, den man am Obstkuchen zu riechen glaubt.
Man merkt: Hier sind schon die beschriebenen Gerüche umfangreicher als anderswo die kompletten Kostnotizen. Finesse und Kraft zeigt der „Grande Couronne“ am Gaumen, interessant ist aber, wie der Speyside-Malt das tut: Anfangs ist da nur zarter Rauch, ehe sich der Whisky immer mehr aufbaut im Mund. Nach vorne hin zeigt er gewaltige Gewürzkraft, Mokka und cremige Noten beamen einen in die Konditorei zurück. Nur, dass es dort jetzt keinen Früchtekuchen gibt, sondern Kaffee-Indianer. Mit 43,8 % vol. hat er den richtigen Druck, doch die Frische und Säure spart sich der Whisky aus dem Cognac-Fass dann für das Finale auf.
Es ist ein zweites Gesicht, das sich hier enthüllt und es bringt neben dem zarten Minze-Ton auch reichlich geriebene Gewürze mit. Wie ein Händler am Souk von Marrakesch fächert er die Gewürze vor dem Genießer auf: Da wäre zunächst einmal Piment, etwas Pfeffer, wobei der kaum ins Gewicht fällt, und auch Muskatnuss. Das Finale zeigt sie als funkenstiebendes Gewürz-Ballett, verstärkt um Kardamom, der die Lebendigkeit des Whiskeys unterstreicht. Der Cognac-Anteil, für Malt Master Kinsman „a polish over the top“, gibt vor allem dem Duft viel mit. Der festlich luxuriöse „Grand Couronne“ mit seinen Bäckerei-Düften ist aber ganz und gar Single Malt. Das unterstreicht er im langen Finish, das noch lange die Erinnerung an diesen seltenen Whisky wach hält.
Bezugsquellen:
Glenfiddich, Gran Reserva ist um EUR 230 (0,7 Liter) zu haben, der Grande Couronne ist erst ab Juni 2021 um EUR 549 erhältlich, beide im Onlineshop www.spiritsandco.at