Es sind perfekt vorbereitete Events, wenn Jetro einlädt. Die Außenhandelsorganisation Japans verkürzt den Weg nach Fernost, in dem sie Produzenten nach Österreich bringt, die mit Original-Produkten nicht nur neue Geschmacksbilder entstehen lässt, sondern auch manches westliche Vorurteil bricht. Das war bereits bei der großen Sake-Verkostung so, diesmal ging es um Tee. Kyȗsu für kyȗsu, wie die traditionellen Ton-Kännchen heißen, wurde eingeschenkt.
Pulver-Tee aus Maulbeeren gab es zu kosten, Senchas mit Yuzu oder Kirschblüten (sakura) und natürlich Matcha. Ob zum Kochen oder als Portionsgröße, ob extra für den westlichen Matcha-Latte optimiert, bei dem es Kenner zusammenkrampft, oder in Bio-Qualität – der Schatten-Tee regierte die Verkostung. Bis hin zum Matcha-Salz auf den Pommes frites (!).
Kurz: In der Fülle der japanischen Tees der 18 Hersteller und Importeure braucht es einen Scout und zum Glück übernahm für uns Ayumi Kondo diese Rolle. Sie führt nicht nur den ältesten Japan-Markt Wiens (Nippon Ya in der Faulmanngasse), sondern auch das Grün-Tee-Geschäft Cha no Ma. Ihrer Empfehlung folgend, begeben wir uns zum Stand von Nagata Seicha, einem in der Präfektur Nagasaki ansässigen Tee-Erzeuger, der seine „Unzen-Tees“ (benannt nach dem Herkunftsort auf der Halbinsel Shimabara) möglichst naturnahe zieht.
Atsushi Nagata hat als Geschäftsführer auch Raritäten wie den Tamaryoku-cha im Programm. Nur 2%, so heißt es, der japanischen Tee-Produktion macht diese Art aus, die statt gerollten und somit Nadel-förmigen Blättern vorm Aufguss eine eher gewuzelte Form zeigen. Zudem wird dieser Tee, von dem es gerade 500 Kilo Jahresmenge bei „Unzen Tee“ gibt, lange gedämpft und hat so ein milderes Aroma als normale Senchas. „Ich bekomme gerade mal 20 Kilo davon“, unterstreicht auch Frau Kondo die Seltenheit des Tamaryoku-cha.
Die smaragd-grüne Farbe oder ein leichter Blau-Ton im grünen Aufguss sind charakteristisch, kommentiert der Teemeister das Einschenken der Rarität aus dem kyȗsu. Es duftet zart nach Brauner Senfsaat, etwas Mangold bringt grüne Duft-Noten mit. Aber: Es ist nicht der Erbsen-schotige Chlorophyll-Schock, den man mitunter von Japan-Tees kennt. Zartes Eisen schwingt im intensiven, aber schwer zu benennenden Geruch mit. Gärtner werden vielleicht an Wicke denken oder auch an einige Kresse-Arten, allerdings ohne die markante Schärfe der Brunnenkresse.
Der Aufguss der lange gedämpften Teeblätter verbindet eine sehr dezente Bitterkeit mit der Frische von Spinatblättern, der zarte Gerbstoff breitet sich lange am Gaumen aus, fast erinnert dieses herbe Fließen an Pale Ales und ihren Hopfen. Doch da ist noch die andere Seite des Tamaryoku, die Kenner schätzten – die leichte Süße. Ein Hauch von Geschmack, irgendwo zwischen Esskastanien und Erdnüssen ohne Schalen, stellt sich ein. Es ist in jedem Fall ein „leiser“ Tee, eine Antithese zu der Welt des aromatischen Lärms, der Kakophonie der Geschmacksverstärker. Schön, dass es auch das dezente sensorische Geigenspiel eines Tamaryoku-cha gibt!
Bezugsquelle:
Unzen Tee, Tamaryoku (lang gedämpft) ist um EUR 23,90 (100 Gramm Packung) beim Spezialisten „Cha no Ma“ erhältlich, www.chanomavienna.at