Eine Rebsorte hat Geburtstag – genauer gesagt feiert der Chardonnay in Australien seinen „50er“. Was zum einen überrascht, weil die Sorte weit länger am Kontinent verfügbar war, aber korrekt ist, da es 1972 den ersten reinsortigen („varietally-labelled“, sagen die „Aussies“) Chardonnay gab. Mittlerweile ist die seit 1830 für die Destillation verwendete Rebsorte „down under“ die wichtigste Sorte nach dem Shiraz und bei den Weißweinen auch mit Abstand die Nr. 1. Die Geburtstagsverkostung war für uns als bekennende Freunde des australischen Weißweins ein willkommener Anlass, der rasanten Entwicklung der Sorte – und ihrer Ausbaustile! – in acht Flaschen zu folgen.
Notiert haben wir allerdings nur jene Weine, die auch für österreichische Käufer verfügbar sind. Denn der übliche „disclaimer“ in unseren Australien-Wein-Geschichten gilt auch hier: Es wird viel zu wenig importiert vom Südkontinent! Dabei will man schon anhand der Geschichten einfach mehr kosten. Der besagte erste Chardonnay („Vat 47“) etwa kam von Tyrrell’s und erzählt selbst ein Stück Wein-Geschichte, denn er wurde noch als „Pinot Chardonnay” etikettiert. Derlei erzählte neben dem Botschafter der Vermarktungsgesellschaft Wine Australia in den USA, Mark Davidson, ein ganz Großer der Weinschreiber-Zunft: Gleichsam als Gratulant und Zeitzeuge fungierte der famose Oz Clarke; er zitierte einen 1971er Katalog von John Harvey („damals einer der bedeutendsten Händler Englands“) – mit genau keinem (!) Australier im Sortiment.
Chardonnay put Australia on the map globally.
Mark Davidson, Wine Australia
Die Liebe der Briten zu australischem Weißwein ist also ebenso jungen Datums wie die Geschichte der Rebsorte, die heute 15% der Rebfläche Australiens ausmacht. Gewissermaßen habe das moderne England mit den Chardonnays ab den 1980er Jahren neu Wein trinken gelernt, subsummierte Clarke und brachte eine Anekdote dazu mit, die um eben den „Vat 47“ kreiste, der all das auslöste: Der Erstling wurde 1972 nämlich bei der Lissabonner Wein-Show präsentiert und erhielt sechs (!) von 20 möglichen Punkten, „rangierte also gleich irgendwo neben Batteriesäure“, wie Oz Clarke es formulierte. Entsprechen hart traf dieses Urteil Tyrrell’s Management, das der Legende nach grantelte: „Selbst der Spucknapf bekommt acht Punkte“!
Doch derlei ist ja mittlerweile Geschichte und die Großen des Aussie-Weinbaus haben ebenso ihre „Chardos“ im Repertoire wie viele Newcomer. So stand neben dem verdienstvollen Tyrrell’s auch der „Bin 311“ vom Giganten Penfolds auf der Geburtstagskostliste. Er stammt aus drei sehr unterschiedlichen Gegenden, nämlich Tasmanien, den Adelaide Hills und Tumbarumba – die letztgenannte Region sorgt für einen speziell kühlen Einschlag, denn sie liegt für australische Verhältnisse recht hoch. Das zeigt der 2019 gelesene Chardonnay auch. Die Vergärung in französischer Eiche (und eine Lagerung darin) ist kaum zu merken, wie sich schnell zeigt in einem würzigen Duft-Mix, den man auch mit einem südsteirischen Sauvignon Blanc verwechseln könnte: Senfsaat, Gelbes Curry und eine säurige, zart herbe Frucht, die zwischen Kaktusfeige und Birnen-Chutney verortet werden kann.
Der erste Schluck bringt dann diese frische, säurige Art erneut, nur im Mund, zum Vorschein – völlig entfernt vom Klischée eines Eichenholz-dominierten Weißweins. Ein Anflug von Gelbem Apfel, durchaus frisch und nicht so „lieb“ wie etwa Golden Delicious, legt vor. Dann übernehmen Zitruszesten, etwas Thymian, aber auch saftiges Steinobst (Nektarine). Es ist ein Wein, der praktisch immer geht, denn der Zug und Druck sind vorhanden. Und der „Bin 311“ zaubert auch stets neue Noten aus dem Hut. Der Stilwandel weg vom burgundischen Vorbild, hin zu einer eigenständigen Mach-Art ist nicht nur hier zu merken.
Das zeigt sich auch schön beim „M 3“, der aus einem Weinberg in den Adelaide Hills stammt. Nachdem die Gründer der „Winery“ in Süd-Australien (Michael und Matthew Hill Smith und ihr Cousin Martin Shaw) alle ein „M“ im Vornamen tragen, erklärt sich auch der Name dieses Chardonnays aus dem Jahrgang 2020. Es ist ein sehr komplexer Weißwein, der da von Shaw+Smith kommt. Denn die Rauchigkeit und die Limettenschale sind nur die Ouverture zu einem Wein, der auch nach Butterkeks, Mango-Lassi und etwas Sesam duftet. Schön anzusehen ist auch der grüne Schimmer im Glas, auch wenn wir in der Regel keine Farbnotizen publizieren. Im Mund kommt der „M 3“ sehr präsent mit einem zart exotischen Früchte-Mix (Grüne Mango und Nektarine) daher. Die säurig-frischen Schlussakkorde wiederum erinnern an Limettenkuchen.
Martin Shaw und „master of wine” Michael Hill Smith stehen auch hinter einer Einzellage in Tasmanien, der man durchaus schon Kult-Status in britischen Sommelierkreisen zuschreiben kann. Tolpuddle Vineyard enttäuscht auch in diesem Falle nicht. Der 2020er Chardonnay ist vermutlich der diffizilste in der acht Gläser umfassenden Serie. Wir notieren einen rauchigen Erstantritt und etwas bittere Zitrusfrucht (Bergamotte und Cedrat-Zitrone) in der Nase. Mit Luft kommt die Tropenfrucht, aber auch der Holz-Duft – hier vor allem Vanille – klarer durch. Die kühle Mango-Frucht macht einen ebenso neugierig wie etwas Weiße Lilie und salzige (nicht geräucherte!) Mandeln.
Der Gaumen bringt nahezu alle diese Eindrücke in einem recht straffen Weißwein mit. Die Zitrusfrucht macht die Räume eng. Dafür kommt eine ganze Welle salziger Eindrücke, teils einem trockenen Sherry zum Verwechseln ähnlich, nach. Das Finish zeigt dann wieder die Mandel- und Rauchnoten, die Länge wird von der salinen Art (Salzkapern) ebenso wie der herben Säure der Zitrusfrüchte gleichermaßen getrieben. Ein spannender Chardonnay, der trotz seines Preises jederzeit Skeptiker der Sorte überzeugt. Und sicher noch nicht sein Genuss-Plateau erreicht hat. Ein würdiger Geburtstagsschluck zum „50er“!
Bezugsquelle:
Penfolds, „Bin 311” Chardonnay 2019 ist um EUR 39,95 bei Wine in Black zu haben, www.wine-in-black.at
Shaw+Smith, „M3 Chardonnay 2020 kostet EUR 29,95 beim deutschen Importeur Apell, www.apell.de
Tolpuddle Vineyard, Chardonnay 2020 kostet EUR 69 beim deutschen Importeur Apell, www.apell.de