Die thematische Verkostung daheim ist ein Kind des Lockdowns, das durchaus Spaß macht. Neben dem besonders kritischen Blick auf die Moderatoren (Was sind das für Tapeten? Welches Buch steht da? War das eine Katze?) ergeben sich auch mehr Erkenntnisse. Wenn man sein Verkosttempo gehen kann und nicht im Gedränge einer Tischpräsentation überheizter Hallen seinen Kostschluck ausgefolg bekommt. Im Falle der 15 Weine, die aus dem Vulkanland Steiermark stammten, stellte vor allem das kleine Gebinde (0,1 Liter) eine Zusatz-Forschungsfrage dar: Wie würde ein Lagenwein aus dem kleinen Holzfass sich gebärden, wenn er aus diesem – logistisch notwendigen – Gefängnis befreit würde? Um sich schlagend oder handzahm?
Doch zurück zur eigentlichen Thematik dieser Verkostung, die Daniel Pfeifer seitens der Winzer des Gebiets begleitete. Die Hintergründe von Gebiets-, Orts- und Riedenweinen sollten sich im Vergleich erschließen. Denn nach wie vor ist das DAC-System der Steiermark recht neu. Und es dehnte mit seinen Finessen dieses Prokrustesbett von Verordnungslogik noch weiter. Sauvignon blanc etwa geht Steiermark-weit als Ortswein im DAC durch, doch dann gibt es für jeden Ort eine festgelegte „Lieblingssorte“, die aber auch mal eine Cuvée sein kann. Das klingt einigermaßen komplex, zumal wenn man gerade eine Sommelierprüfung zu machen hat. Da wirkt es dann auch verhängnisvoll, wenn die „Örtlichkeiten“ der Ortsweine keinen Ort, sondern einen halben Bezirk umfassen.
Dem Konsumenten ist im Wesentlichen egal, worüber sich Weinpolitik und Journalisten da in die Wolle geraten. Für ihn muss die preisliche Abstimmung mit der qualitativen zusammenstimmen. Und das ist beim weitgehend neuen „Ortswein“ aktuell ein „work in progress“. Wobei das Vulkanland hier den Vorteil eines recht klaren Profils hat. Die größte Überraschung fand sich beim Kosten somit auch nicht an der Spitze, sondern bei den DAC-Gebietsweinen. Die zwar keineswegs alle erinnerungswürdig waren. In ihren besten Vertretern aber wird die erste Stufe eines System gelegt, das in der Tat wertiger und komplexer im Geschmack wird, je näher es an die Einzellagen geht.
Daniel Pfeifers eigener Wein zeigte einen der Vorzüge, den das Gebiet bei der Einstiegskategorie hat, gut auf: Denn hier gibt es noch alkoholarme Weine, die aber nichts bei der Aromatik vermissen lassen. Mit 11,5% vol. hat der Gelbe Muskateller einen angenehmen Wert, der für sich aber nichts Anderes als Druckertinte am Papier wäre. Doch Pfeifer hat es auch geschafft, diesem günstigen Einsteiger aus einer durchaus kontroversen Aroma-Sorte zu einem Profil zu verhelfen. Indem er offenbar alles vermieden hat, was in Richtung fruchtiger Süße geht. So duftet dieser 2020er Weißwein nach blühendem Lavendel, was auch stellvertretend für den recht würzigen Duft steht. Ein wenig Currypulver könnte man auch entdecken.
Mundfüllend ist der Gelbe Muskateller trotz seiner Leichtfüßigkeit und somit auch ein idealer Gebietswein – denn diese Kategorie repräsentierte er ideal. Dass es im Vulkanland auf der Einstiegsebene keine „Wasserl“ zu trinken gibt, dafür sorgt großteils der Boden. Ein leicht vulkanischer Anteil im Weingarten reicht hier mitunter schon. Dann kommt zur Nektarine, die dieser Wein so saftig vorstellt, auch eine leichte Weizenbrot-Würze. Die blumige Art dieses 2020ers nimmt man in Kauf, dafür hat man auf vordergründige Frucht verzichtet. Doch machen wir es kurz: Ein Wein, der einfach Spaß macht. Easy drinking, the Vulkanland way.
Dass die ganz wenigen „Ortsweine“, deren Herkunft wirklich mit Gemeindegrenzen identisch ist, sich vor allem im Vulkanland befinden, hat einen Grund. Hier werden nicht nur unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt (Klöch und der Traminer, Tieschen und Burgunder-Cuvées). Auch die Böden ergeben unterschiedliche Formationen mit wenig diffusen Mischzonen: vom puren Basalt bis zum Schotter. Das Wiedersehen mit dem Ortswein „St. Anna“ der Fischer-Geschwister unterstrich unseren positiven Eindruck von diesem Morillon aus dem Februar dieses Jahres (hier nachzulesen).
Straden wiederum hatte einen gänzlich anderen Burgunder-Typus zu bieten, was definitiv nicht nur am großen Holz, also der Behandlung im Keller, lag, sondern bereits im Weingarten begann. Der gehört Stefan Krispel, der heuer auch sein „Genussgut“ auf ein neues Level hebt: Fine Dining mit Koch Daniel Weißer ergänzt den Heurigen rund um die Wollschwein-Köstlichkeiten von Vater Toni.
Sportschuh in Rosé-Gold: Grauburgunder „Straden“ 2019
Doch zurück zu Wein Nr. 13; einem Schmuckstück von Wein, das in Roségold strahlt. Was selbst in einem 0,1 Liter-Gebinde auffällt. Der orangerote Schimmer dieses Grauburgunder ist im Glas noch attraktiver. Und Krispel-Fans wird dazu gleich der „Hochstrandl“ einfallen, der einen der mehrheitsfähigsten, auf der Maische vergorenen Weißen des Landes darstellt. Beides sind Grauburgunder, der Ortwein allerdings wird lediglich im großen Holzfass (konkret: 1.500 bis 2.000 Liter) gereift. Der kupfer-farbene 2019er braucht auch einige Zeit, bis er im großen Glas alle Facetten zeigt. Hagebutte, Haselnuss-Schokolade und etwas Tamariske sorgen für einen ungewöhnlichen Duft. Die feine Säurigkeit, die damit angedeutet wurde, findet sich auch am Gaumen wieder. Die eigentliche Raffinesse liegt aber darin, wie Stefan Krispel hier jede Üppigkeit und Überreife vermieden hat.
Klar, das ist jetzt kein Leichtwein mit seinen 13,5% vol., aber dem an Nougat erinnernden Schmelz setzt das Fass-Holz leicht herbe Noten entgegen. Vanille oder Kokos, die vielleicht einen Chardonnay „gestützt“ hätten, finden sich beim „Straden“ nicht. Roter Apfel, gerne mit Schale, könnte man assoziieren, der insgesamt druckvolle Charakter liegt aber an der Ausgewogenheit dieses Weins, bei der auch die „hohen“ 4,6 Gramm Restzucker eine wichtige Rolle spielen. Wie ein guter Sportschuh hat der Grauburgunder Grip, gibt Halt, er drückt aber nirgends. Krispels Speisenempfehlung einer Pasta Carbonara ist nachvollziehbar; auch Käse – wir raten zu Cantal oder Comté – begleitet er bestens. Vielleicht in zwei Jahren sogar noch perfekter.
Die mutige Stil-Entscheidung prägte auch den zweiten Favoriten der Vulkanland-Verkostung, wenngleich der Wein einerseits offener, was den Duft betrifft, zum anderen aber härter in seiner Jugend war. Walter Frauwallner (links im Bild) hatte mit seiner „Ried Buch“ eine im kleinen Holzfass ausgebaute Flasche in die Miniflasche gefüllt, die schlichtweg ein „Brett“ war. Für etwas peniblere Verkoster: Dieser Riedenwein mit der STK-Klassifizierung „Große Lage“ ist gerade einmal im Baby-Alter – es handelt sich um Morillon des Jahrgangs 2018. Umso überraschender ist der Duft nach Passionsfrucht, der den Karamell-Noten des Barriques Paroli bietet. Auch Kaktusfeige, ebenfalls kühl und säurig, reiht sich unter die fruchtigen Duftnoten ein.
Im Mund ist der saftige Burgunder genau das, was mein anerkennend ein „Mäuvoll Wein“ nennt. Abgerundet wie ein Milchkaramell-Bonbon, dabei mit Nachdruck und leichten Tabak-Noten. Der Wein beginnt das Holz gerade zu verarbeiten, das merkt man – gleichzeitig aber das sichere Reifepotential dieses Frauwallner-Weins. Denn die feine Frucht, die an Orangenkandis erinnert, steht noch am Anfang. Aber sie wird in Zukunft mit den exotischen Noten bestimmend werden. So viel kann man sagen. Aus der klaren Erinnerung an „große“ Flaschen mit diesem „Morillon“.
Bezugsquelle:
Weingut Pfeifer, Gelber Muskateller 2020 ist um EUR 9,10 ab Hof und im Webshop zu erwerben, www.pfeifer-weingut.at
Weingut Krispel, Grauburgunder „Straden“ 2019 kostet EUR 17,99 bei Interspar Weinwelt, www.interspar.at
Weingut Frauwallner, Morillon „Ried Buch“ 2018 ist um EUR 32,90 bei der Vinofaktur online erhältlich, www.vinofaktur.at