Beim Wort „Sidro“ klingelt es meist noch nicht gleich, Cidre oder Cider kennt man dann doch. Allerdings befindet sich Gianluca Telloli, der für die Wiederbelebung des Sidros sorgte, in einer speziellen Ecke der Alpen, dem Aosta-Tal. Die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein französisch geprägte italienische Provinz spricht also Italienisch, denkt aber vielfach wie die Nachbarn in der Haute-Savoie, von der das einstige Fürstenhaus ja auch stammte. Apfelwein jedenfalls gab es hier schon vor den Römern. Wie überall galt dieser Most als Getränk der einfachen Leute. Zu vulgär (und natürlich auch zu französisch) empfand 1929 Benito Mussolini und verbot das Vergären von Äpfeln kurzerhand. Die Spätfolge: Mit dem Tod des letzten Sidro-Produzenten schien auch diese Tradition beendet.
Bis man Gianluca Telloli nach Chamonix, also wieder auf die französische Alpenseite, holte. „Was soll ich auf der Apfelwiese für Reben pflanzen?“, wollte der Bürgermeister vom erfolgreichen Önologen (des Piemonteser Weinguts Nervi – Kauftipp: Nebbiolo „Valferrana“ 2005!) wissen. Mit einem Blick auf den Kompass und einem Biss in die bisher dort kultivierten Äpfel gab es nur eine Antwort: „Keine, das ist eine Nordlage, hier sind selbst die Äpfel sauer“. Allerdings stammten sie von der alten Sorte Raventze, weshalb Telloli die Re-Animation des Sidros empfahl – und gleich selbst mit dem neuen Unternehmen „Maley“ in Angriff nahm.
Die Äpfel wachsen beiderseits der italo-französischen Grenze, produziert wird im Aostatal. Neben dem klassischen Sidro, der „Mont Blanc“ genannt wird, hat sich vor allem der „Gran Jorasses“ international einen Namen gemacht. Zwar gibt es gerade einmal 2.000 Flaschen von dem in der Flasche vergorenen Apfel-Schaumwein, doch Tellolis Versektungsknowhow macht ihn außergewöhnlich. Mit acht Gramm Zucker wird die Säure der Raventze-Apferl ausbalanciert, der Geschmack des „Sparkling Sidros“ erinnert an saftigen Golden Delicious. Der – um es nochmals zu sagen: APFEL-Schaumwein – verzaubert aber vor allem durch die hochelegante Perlage, die sich cremig über den Gaumen legt wie bei Blanc de blancs-Champagnern und gut balancierten Winzersekten. „Wir wollten dem Produkt die Würde zurückgeben“, formuliert Gianluca mit typisch italienischem Pathos – mit dem Gran Jorasses ist das zweifellos gelungen.
Bezugsquelle: Cidrerie Maley, Apfelschaumwein „Gran Jorasses“, EUR 11 über Wein&Kultur (christian@weinundkultur.eu) bzw. ab Hof, www.maleymontblanc.com