Der Legenden-Faktor war hoch in der „Albertina-Suite“. Das Weingut, das mit neun Flaschen im Ritz Carlton präsent war, reicht alleine für Begeisterung: Château de Beaucastel. Es ist einer der stillen Stars der Weinwelt, abseits der Bordeaux und Burgunder im Rhône-Tal von der Familie Perrin etabliert. Seit 1974 schon arbeitet man biodynamisch, ohne viel darüber zu reden. Dass solche Details in Wien François Perrin persönlich schilderte, erhöhte die Freude am Kost-Nachmittag. Denn eigentlich führt bereits die sechste Familien-Generation die Geschäfte, „ich bin ja fast schon im Ruhestand“, stellte sich Monsieur Perrin mit gallischem Humor vor.
Denn lange hatte er mit seinem Bruder Château de Beaucastel zum Weltruhm getragen. Dabei stand der Beginn des Weinguts im Rhône-Tal unter keinem guten Stern, so der 69-Jährige: „Nachdem die Reblaus alle Weinberge verwüstet hatte, kaufte mein Urgroßvater das Land, um hier Oliven zu kultivieren“. Zum Glück blieb es nicht dabei! Die drei Flights, die von der Gegenwart erzählen, waren jedenfalls klug gewählt. Sie zeigten die Weißwein-Kompetenz der Perrins (deren Flaggschiff stellten wir hier schon einmal vor). Dazu kamen aber auch die beiden wichtigsten Rotwein-Appellationen des Hauses, nämlich Gigondas und Châteauneuf-du-Pape.
In punkto Weißwein stellt der „Roussannes Vieilles Vignes“ 2021 einen in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Wein dar. 1909 wurde die Anlage ausgepflanzt und der Duft erinnert mit seiner feinen Reduktion an gut gebutterten Blätterteig, in den Pfirsiche gewickelt wurden. Die würzige Seite repräsentieren intensive Noten von Gelbem Curry und Weißem Sesam. Dieser Wein gehört zu jenen, die in der Jugend bereits „nicht auszuriechen“ sind – so viel spielt sich in der Nase ab. Bewußt rät man bei Château de Beaucastel dazu, den Wein in den ersten drei Jahren oder erst wieder nach 15 Jahren zu trinken. Dazwischen kann er diese beiden Höhepunkte (Frucht und Tiefgang) nicht ganz so exzellent ausspielen.
Doch wir schreiben 2023 und da erinnert jeder Schluck an flüssiges Gelbes Curry. Kurkuma ist da, die reduktive Note erinnert an den herb-durchdringenden Geschmack von Safran und erst dahinter sind Fruchtnoten dezent hingepinselt: Banane in einer fast schüchternen Art beispielsweise, mitunter auch unreife Mango. Das Finale erinnert an Grüntee mit seiner frischen, aber auch von Gerbstoff begleiteten Intensität. Ein Vergnügen im Glas – und bei aller geschmacklichen Power leichtfüßiger, als es die 14,5% vol. vermuten lassen.
„Der Mistral hilft uns gegen Schädlinge und trocknet auch die Feuchtigkeit im Weingarten“.
François Perrin, 5. Winzergeneration
In Sachen Gigondas schenkte man drei Jahrgänge ein, wobei der ebenfalls aus alten Reben (vieilles vignes) stammende „L’Argnée“ des Jahrgangs 2019 – an sich ein großer Jahrgang in der Region – sich jetzt gerade im Umbau befindet. Zu präsent schob sich hier der Gerbstoff nach vorne. Insofern konnte der „normale“ Gigondas „La Gille“ des Folgejahrgangs 2020 noch mehr glänzen. Er weist einen hohen Grenache-Anteil von 60% auf, dazu kommt Syrah. Doch das sind nur die technischen Details. Viel spannender ist, dass er eine bei Rotwein höchst überraschende Estragon-Duftnote trägt. Erst dahinter zeigt sich das rotfruchtige Gemenge, aus dem Cranberry und getrocknete Rosenblüte herausragen.
Die taktile Überraschung liefert dann der Kostschluck. Für Weine wie diesen ist die Zuschreibung „seidiges Mundgefühl“ erfunden worden. Von Beginn an schmeichelt er dem Gaumen. Selbst die geschmacklichen Glanzlichter haben hier den Feiertagsanzug an: Elegant blitzen Pfeffer, rote Blüten (diesmal eher Malve als Rose) und die Himbeeren durch. Der Name der Region mag altväterlich klingen, diese feine Klinge ist es aber in keiner Weise. Man muss derlei elegante Rotweine nur mögen.
Zumal es in Sachen Streicheln mit dem Seidentuch noch eine Ecke hochwertiger wurde. Hier kann der Jahrgang 2019 dann wirklich seine Klasse zeigen. Die Rede ist vom „Clos de Tourelles“, der als von Mauern umgebener Weingarten („clos“) mit Grenache bepflanzt ist, der noch wurzel-echt ist – „auf Sandböden konnte sich die Reblaus nicht halten“. Dieses Terroir, unterhalb der Dentelles de Montmirailles gelegen, ergibt auf drei Hektar einen schlicht sensationellen Wein. Himbeeren und Feigenmarmelade lassen als Duftnoten auf einen süßen oder konzentrierten Typus schließen, doch das ist die Schwäche verbaler Beschreibungen. Denn hier ist alles fein ausgestaltet. Selbst bei der Eukalyptus-Note muss man zwei Mal checken, ob sie vorhanden ist. Denn mit „Sportgummi“-bekannter Intensität hat dieser 2019er nichts zu tun.
Päpstliche Cornichons – der „Les Sinards“ 2020
Es ist aber das Mundgefühl, das sofort auffällt. „Pastamara“-Sommelier Teodoro Iennaco sprach als Erster klar aus, dass sich dieser Gigondas von den anderen des Flights unterscheidet. Für uns war es auch der bestechendste junge Rotwein der Probe (wobei der Vergleich mit dem 2009er Châteauneuf-du-Pape auch unfair wäre). Der ätherische Auftritt lässt dann schon im Mittelteil den Gerbstoff des „Clos de Tourelles“ zu. Er bringt auch die Frucht mit: Schlehe, reif und nur zart herb, dafür mit dezentem Stein-Ton, getrocknete Brombeeren und im Nachgang dann auch Schwarztee (Darjeeling). Wer gerne komplexe Pinot Noirs trinkt, sollte sich – auch des Preises wegen! – einmal diesen Wein der Familie Perrin ansehen.
Dass diese Art von Rotwein nicht 10 Jahre weggesperrt werden muss, unterstrich dann auch der Jahrgang 2020 des Châteauneuf-du-Pape „Les Sinards“. Er besteht wie immer aus einer subtilen Melange der 13 zugelassenen Sorten, wobei vier davon diese Cuvée tragen: Grenache (30%), Mourvèdre (30%), Syrah (15%) sowie 10% Counoise – eine Sorte, die François Perrin besonders wichtig ist. Den Rest machen, wie an der Rhône üblich, kleine Anteile der alten Sorten wie die weiße Piquepoul aus.
Die „fleischige“ Qualität dieses Jahrgangs strichen international schon Topverkoster wie Jancis Robinson und Jeb Dunnuck in ihren Tasting Notes heraus. In der Tat zeigt der 2020er eine deutliche Würzigkeit, die zwischen Roter Rübe, Senfsaat und sogar Gewürzpaprika oszilliert. Der Eindruck im Mund bestätigt diese pikante Aromatik dann im Finale wieder. Zuvor kleidet der Rhône-Rotwein den Gaumen aber mit satten Fruchtakzenten (z. B. Heidelbeere) aus.
Die abschließende Würze verbindet herb-säuerliche mit senf-würzigen Tönen. Dass man bei einem Rotwein an Chutneys und Cornichons denkt, ist ungewöhnlich, zeichnet diesen Châteauneuf-du-Pape aber aus. Hier merkt man die nördlichere Lage im Gebiet deutlich. Der „Coudoulet de Beaucastel“ etwa wächst, nur durch die Straße getrennt, schon in der Nachbar-Appellation „Côtes du Rhône“. Die spezielle Würze sowie die Absenz einer „eingekochten“ Aromatik weist beim 2020er auch bei 14,5% vol. eine trinkfreudig-zugängliche Kombination auf, die zumindest uns sehr gefiel. Und auch hierfür wird kein Vermögen fällig.
Bezugsquellen:
Château de Beaucastel, Roussanne Vieilles Vignes Blanc 2021 ist um EUR 199 beim Kölner Weinkeller (versendet nach Österreich) erhältlich, www.koelner-weinkeller.de
Château de Beaucastel, Gigondas „La Gille“ 2019 wird bei Wein&Co. – in den Filialen und online – um EUR 27,90 angeboten, www.weinco.at
Château de Beaucastel, Domaine du Clos de Tourelles Gigondas 2019 kostet EUR 54 bei Pinard de Picard, www.pinard-de-picard.de
Famille Perrin, Châteauneuf-du-Pape „Les Sinards“ 2020 ist um EUR 42 beim Wagners Weinshop zu haben, www.wagners-weinshop.com