Dass man bei einem Glas Whiskey sentimental wird, soll schon mal vorkommen. Im Falle des Bar-Ausbildungsprogramms „Master of American Whiskey“ (MOAW) hatte das aber einen konkreten Grund. Was vor wenigen Jahren noch live in Brandenburg am famosen Landgut Stober stattfand, wurde nun zur Online-Konferenz. Und auch wenn die Vortragenden, die dereinst mit Ihrem Trinkprotokollanten US-Bourbons von Brown-Forman erläutert hatten, ihr Bestes gaben: Es blieb eine Trockenübung. Auch wenn man zum Glück genug Woodford Reserve-Whiskey an die Teilnehmer verschickt hatte.
Aber Prosten ohne Rippenstöße, Schulterklopfen und Gläser-Klang im Kornspeicher des Landguts im Havelland ist halt doch was Anderes. Doch immerhin ließ sich der Bildungsauftrag in Sachen Bourbon ähnlich versiert erfüllen wie damals. Dazu trug etwa die Verkostung mit Woodfords Assistant Master Distiller Elizabeth McCall bei. Sie ließ die Superlative der bekanntesten Marke von Brown-Forman, Jack Daniel’s, Revue passieren, um einen Eindruck von der gewaltigen Größe zu geben: „2,5 Millionen Fässer liegen aktuell in unseren Warehouses in Tennessee“. Täglich werden es übrigens 2.500 Fässer mehr.
Doch die Frau, die Seite an Seite mit Chris Morris arbeitet, ließ natürlich auch einiges zum Bartender-Bourbon Woodford Reserve verlauten. Etwa die ungewohnt offene und leicht irritierende Beschreibung des „Double Oaked“:
„50% des Geschmacksprofils sind süße Noten. Er ist also mit Vorsatz „unbalanciert“ und war als Dessert-Bourbon konzipiert“.
Elizabeth McCall, Assistant Master Distiller
Dafür allerdings geriet der „unbalancierte“ Bourbon recht artig. Freilich, er ist ein Janus-Kopf, wie wir gleich bei unseren Kost-Notizen sehen werden. Aber der Weg ist auch ein unkonventioneller, der eine zweite Lagerung in US-Weißeiche (an sich ja das gesetzlich vorgeschriebene Holz für Bourbon) umfasst. Die Fässer werden für diese einjährige Lagerung in Versailles/Kentucky zuvor erneut ausgebrannt („charring“). Damit will man neben der Röstnote auch die angesprochene Süße aus dem Holz kitzeln in „Kaintuck“. Was durchaus gelang, wie man vor dem MOAW-Bildschirm mit Mrs. McCall nachkosten konnte.
Die Fass-Note ist hier fast als rauchiger Holz-Ton präsent – man denke an frisch lasierte Fenster-Flügel! Auch der gerne in Bourbon-Kostnotizen genannte Ahorn-Sirup ist einmal wirklich in Reinkultur präsent. Etwas Haselnuss-Creme hat es gegen die intensiven Töne der doppelten Lagerung schwer, aber doch blitzt immer wieder so etwas wie süße Nuss-Schokolade durch beim „Double Oaked“. Sein Geschmack bringt dann praktisch alles mit, was man von US-Whiskey gewohnt ist, lediglich bei der Vanille hält er sich zurück. Und das ist ja kein Fehler!
Dafür gibt es Karamell-Creme (die aus dem MARS-Riegel), Kokosraspel, etwas Erdnussbutter und generell wieder viel nussige Noten und natürlich jede Menge Schokolade beim doppelt gelagerten Bourbon. Sie wird mit dem Trinkverlauf immer herber – was als sanfte Milchschokolade mit leichter Zimt-Note beginnt, schmeckt am Ende nach Plantagen-Schoko.
Überhaupt ändert sich der „Double Oaked“ (43,2% vol.) ab dem mittleren Gaumen; immer mehr klingt das Eichenholz durch: Man spürt die Flut der süßen Aromen förmlich wie bei Ebbe zurückgehen am Gaumen, während die trockenen Noten und damit auch die feine Würze erstarken. Der Nachklang ist lang und endet nach der besagten trockenen Schoko-Note in gerösteten Mandelblättchen. Und ganz am Ende ist da noch getrockneter Steinpilz.
Wer bei diesem Edel-Stoff Cola aufgießt, hat das selbst zu verantworten. Aber mit Walnuss-Bitter und Orangen lässt sich hier schon Feines zaubern. Übrigens: In Kentucky selbst rät man zu einem „Sazerac“ mit diesem Woodford Reserve. Sicher auch nicht verkehrt. Aber am schönsten ist er eigentlich pur.
Bezugsquelle:
Woodford Reserve, „Double Oaked“ kostet in der Liter-Flasche EUR 57,90 bei Urban Drinks, www.urban-drinks.at