Ohne „Kult“ und „Legende“ geht es offenbar kaum bei Stories über Rudolf Buzasi. Er selbst braucht derlei Lobhudelei nicht, auch wenn den Barbesitzer am Naschmarkt einiges mit der jüngeren Gastogeschichte Österreichs und Bayerns verbindet. Nur im Gegensatz zur „Aubergine“ in München, wo er einst an der Seite von „Chef“ Eckart Witzigmann wirkte, oder der Wiener „Reiss-Bar“, einer weiteren Station seiner Karriere, ist Buzasis Wiener Blut quicklebendig. Neben dem unter Wiens Grüntee-Süchtigen nicht minder legendären Cha no ma lädt die rote Tür seit 16 Jahren zu Gin, Wein und Champagner.
Dass Rudi Buzasi seinem Freund Falco nicht nur den Namen der Bar verdankt, erfährt man nebenbei, denn auf da Ausschlachten als Falco-Schrein hat er im Gegensatz zu anderen Lokalen der Wienerstadt verzichtet. G’schichtln gibt es auch so genug, wenn Rudi loslegt und von Spitzenköchen wie dem seligen Jörg Wörther ebenso schwärmt, wie er von Angus Youngs (ja, der AC/DC-Young!) Hunger auf Schnitzel berichtet. Und als Wirt von Schrot und Korn schimpft Buzasi – wenn etwa die Regierung die Gastronomie wieder vergisst – aber hat auch kreative Lösungen parat. Und fad wurde ihm im Lockdown nicht. Seine Lieblingsfrucht, die Kumquat, gibt nämlich seither einem Gin ihr Aroma, der mit einem markanten Etikett schön langsam seinen Mundpropaganda-getriebenen Siegeszug antritt.
Ein bisserl Dieter Meier („Yello“), ein bisserl Falco, könnte man das Porträt von Buzasi, im feinen Zwirn vor blutrotem Hintergrund, am Label umschreiben. Und das charmante 1980er Zitat passt schon. Der Gin, der so heißt wie die Bar Wiener Blut, ist nämlich Hedonisten-Stoff. Ein Schluck für Leute, die ihren Gin auch mal pur trinken und nicht an einer 1:3 Verdünnung und Gurkenscheiben interessiert sind.
Doch der Reihe nach. Wie es sich für Gin gehört, steht der Wacholder im Geruch an erster Stelle. Auch wenn das seltener wird unter allen Beeren- und sonstigen Gins: So gehört das eigentlich (nicht nur von Gesetz, auch von Genuss‘ wegen)! Die Kumquat sorgt dort für weiche Zitrusfrucht-Noten, wo bei einigen britischen Rezepten die Limette sitzt. Hier kommen eher Orangen-Töne zur Geltung, sie verweben sich immer enger mit diesem würzigen Wacholder-Duft. Zitrusfrucht ohne Kitsch und Süße so zu dosieren, ist schon ein guter Anfang.
Auch am Gaumen geht Würze und herb-erdiger Wacholder vor, erst im Finish kommt die Kumquat wieder. Dort erinnert sie mit feiner Süße dann an Mandarine, durchaus saftig würde der Wiener Blut ausklingen. Wenn man nicht auch bei den anderen Botanicals fein gearbeitet hätte. So wird dieser Nachklang von einem vibrierenden Weißen Pfeffer-Bremseln begleitet. Das Lob für die präzise Abstimmung gebührt Albert Büchele, dem Brenner vom Michelehof. Im zweiten Anlauf fand Rudolf Buzasi zum Vorarlberger Destillateur: „Ein Freund in Bregenz hat ihn mir empfohlen“. Und Büchele, von dem wir bislang nur den Subirer – ein feines Birnen-Destillat! – kannten, versteht sich auf Gin.
Das zeigt sich vor allem, wenn der Brand wärmer wird im Glas. Nicht selten „zerlegt“ es einen Gin dann nämlich: Ein Aromageber wird dominant, das Destillat selbst schal. Doch nicht so hier. Der aromatische Umbau hebt herbe und grüne Noten ein wenig hervor, die an Koriander und Seerosen erinnern mit ihrem leicht „sumpfigen“ Duft. Der Gin aber bleibt stabil und trinkt sich mit 42% vol. auch pur gefährlich gut. Sanfter als viele Obstbrände, logischer Weise aufgrund der Botanicals auch vielschichtiger, macht er aus dem Tumbler Freude. Es ist auch wichtig, ihn so zu kennen, denn ein falsches Tonic Water zerstört im Highball die feine Balance aus Kumquats, Wacholder und pfeffriger Grundierung. Je trockener, desto besser – wir blieben bei Fentiman’s Connoisseurs – und ein solides Mischverhältnis (1:1, maximal 1:2) sollte es auch sein. Und dann kann man vergnügt summen wie Anno 1988: „Wir hab’n die Medizin! Der Dekadenz hab’n wir an Preis verlieh’n“.
Bezugsquelle:
Wiener Blut, Gin ist um EUR 37,90 (0,5 Liter-Flasche) bei Spirit Lovers online erhältlich, www.spiritlovers.at