Kann Sekt quasi Muttermilch sein? Eine Frage, die man sich stellt, wenn Christina Hugl aus der Weinviertler Sektkellerei mit eigenen Schaumweinen zur Verkostung bittet. Denn letztlich kehrte die Sommelière wieder nach Stützenhofen zurück, um sich hier den „Bubbles“ zu widmen. Und während einige ihrer Sekte – 2014 entschied sie sich für die Rückkehr zu den Familien-Wurzeln – noch auf der Hefe lagern, wollte sie etwas Anderes probieren. Pet-Nat, wie sie die nach der méthode ancestrale erzeugten naturtrüben Schaumweine mit der einmaligen Flaschengärung schmissig nennt (normal als Pet.Nat. – von Pétillant Naturels – abgekürzt), sollte es sein.
Im konkreten Fall wurde der Most von Grünem Veltliner (was sonst in seiner Hochburg Weinviertel?) mit 20 Gramm Restzucker in die Flasche gebracht, um am Ende trocken ins Glas zu kommen. Das Ergebnis hat zunächst nichts mit der Rebsorte zu tun (und würde vermutlich auch in einer Blindprobe für spaßiges Raten sorgen): Ribsisln und Himbeeren gehören gemeinhin nicht zu den Standard-Aromen des „GV“. Doch wir täuschen uns nicht; auch im Mund tritt dieser Pet.Nat. rotweinig auf, die schaumige Perlage wirft die Himbeer-Fruchtigkeit nur so gegen die Wangen. Zitruszesten geben weitere Frische, doch das Finale bestreitet eine neue Note. Denn auch Kräuter finden sich in Christina Hugls Erstling, vor allem Basilikum und Zitronenmelisse beschließen den leichten (10,5 Volumsprozent) Weinviertler, der nicht nach Weinviertel schmeckt.
Der zweite aus der Experimentierecke Hugls stammt von Pinot Noir-Trauben und überrascht in seiner rosa Aromenwelt weniger: Verhalten nach rotem Apfel, aber auch den Salzgebäck-Stangen „Soletti“ duftet dieser trockene Pet. Nat. mit seinen 11,5% Alkohol. Die Befürchtung der starken Oxidationsnoten, wie sie alternativen (Schaum)Wein-Bereitungen gerne entgegenschlägt, zerstreut der Rosé schon mit dem ersten Schluck. Frisch und „sauber“ kommen die Beerennoten durch, die fruchtige Ausrichtung lässt eher an Erdbeeren denken, ein Touch Topfencreme schwingt in der säurigen Art dieses Weins mit.
Wie ein Gaumen-Kärcher aus Übersee
Der bislang einzige klassische Schaumwein stammt aus dem Jahr 2014, mit einer Hefe-Lagerung von 28 Monaten entspricht er einer Österreichischer Sekt-Reserve gemäß der neuen „Sektpyramide“. Doch viel wichtiger als die Nomenklatur ist uns wie immer der Flascheninhalt. Mit den beiden heimischen Sorten Grüner Veltliner und Welschriesling wurde eine bewährte Mischung gewählt, im Duft kommt der Blend aber bereits intensiv und exotisch daher. Ananas trifft auf Salzkaramell, könnte man sagen.
Die Kraft deutete sich bereits an, doch die Finesse des Blanc de Blancs erschließt sich erst am Gaumen. Da wetteifern weiße Blüten, Brennessel und weißer Pfeffer damit, den Frischekick am deutlichsten zu repräsentieren. Wie ein Gaumen-Kärcher aus Übersee legt der 2014er Sekt auch noch Tropenfrüchte nach. Lychee und Ananas, beide in kühler Ausführung, nicht (über)reifer Fruchtversion schließen dieses Trinkerlebnis ab.
Das Gute in diesem Falle: Man muss sich nicht zwischen hergebrachte Versektung und der experimentellen (wenn auch historisch klar älteren) Methode entscheiden. Beide hat „Kellerei-Kind“ Christina Hugl bestens im Griff. Cin cin!
Bezugsquelle:
Christina Hugl, Grüner Veltliner Pet-Nat kostet wie der „Rosa“ Pet-Nat (Pinot noir) je EUR 18, der Blanc de Blancs ist um EUR 24 erhältlich, alle ab Hof bzw im Webshop, www.christinahugl.at