Während der Torfrauch des eingeschenkten Whiskys nicht mehr zu „überriechen“ ist in der „Villa Wahnfried“, gibt es noch eine Nachhilfe in Sachen Asgard. Denn der Göttervater der Asen, Odin alias Wotan, wie es Richard Wagner bevorzugte, steht Pate für besagten neuen Whisky. Und Dr. Sven Friedrich kennt als Leiter des Richard Wagner-Museums in Bayreuth den Opern-Wotan bestens. „Er hat Macht, die ihm aber nichts nützt. Er ist durch viele Verträge gebunden und so als Gott eigentlich unfrei“. Starker Tobak, den Tomasz Konieczny noch aus seiner Sicht untermauert. Der Bassbariton, bekannt aus neun Jahren an der Staatsoper Wien, verkörperte den Allvater bereits in 17 Produktionen. „Eine Stunde 50 Minuten dauert die Partie in der „Walküre“, im „Rheingold“ singe ich nicht viel weniger“.
Auch für Mythologie- und Opern-Verweigerer dürfte jetzt also klar sein: der Odin/Wotan ist kein Leichtgewicht. Das mußte zuvor Martin Markvardsen auch dem Master Blender von Highland Park erklären. Der gebürtige Däne und ehemaliger Box-Champion bekam vor einigen Jahren schon die Aufgabe, Gordon Motion in Kirkwall die nordische Götterwelt zu übersetzen. Das hört sich dann für Thor etwa so an: „Mache einen Whisky, der dich wie ein Hammer trifft, aber am Ende sind alle glücklich“.
Für die exklusive Abfüllung eines Einzelfasses (es trug Nummer 5203) für die Bayreuther Festspiele sollte es aber Thors Vater sein. Und der verabschiedet sich am Ende der Oper „Die Walküre“ mit einem musikalisch wie szenisch markanten „Feuerzauber“, den jeder Wagnerianer kennt.
It’s our most heavily peated whisky so far at Highland Park.
Martin Markvardsen
Daher wurde der „Wotan“ zu einer Weltpremiere: Der mit 57,3% vol. gefüllte Single Malt ist ein Rauchmalzwhisky. Während in der Standard-Range von Highland Park nur 20% getorfte Anteile verwendet wurden, sind es hier 100% des Malzes, die mit Torf aus dem Hobbister Moor auf den Orkneys versehen wurden. Für alle Fans rauchiger Whiskys von der südlichen Schotten-Insel Islay sei gesagt: „Der Phenolgehalt bewegt sich etwa auf dem Level von Laphroaig“. Was, anders gesagt, heißt: Der „Wotan“ raucht gewaltig. Allerdings nur in 718 Flaschen, die das Sherry-Fass hergab, in dem der 2011 destillierte Single Malt reifte.
Bereits der Duft des 10-jährigen Whiskys zeigt viel vom Rauchmalz und dem Fass-Holz: Nur kurz bemerkt man die Sherry-Süße und leichte Nuss-Noten. Praktisch sofort nehmen aber Leder, Chipotle-Chili und Rauchmandeln das Heft in die Hand. Duftnoten von Früchten sucht man hier vergeblich – der Göttervater ist offenbar kein Vegetarier! Allerdings sehr komplex – nicht nur in den Wagner-Opern. Denn mit ein paar Tropfen Wasser „gezähmt“, schimmert durch den an Asche und kokelndes Holz erinnernden Duft eine karamellisierte Ananas druch. Und auch Kräuter, vor allem Salbei und Lorbeer, sind dann plötzlich zu riechen.
Am Gaumen wird es (ohne Wasser) erwartungsgemäß nachdrücklich; seinen Feuerzauber wirkt Wotan hier mit mächtigem Rauchgeschmack. Geröstete Orangenschale, die zusammen mit feinem Schokolade-Ton, auch präsent ist, hat da wenig Chance. Erneut mit einem Tröpfchen Wasser aufgeschlossen, wird daraus eine intensive, aber cremige Schokotrüffel-Note. Das letzte Wort hat aber auch dann der Rauchton. Er ist deutlich trockener und nicht salzig, wie von Islay-Whiskys gewohnt, hält aber auch sehr lange im Rückaroma an.
Weiniges aus weißer Flasche: der „Viking heart“
Während der „Wotan“ zunächst den Freunden der Festspiele vorbehalten ist und auch dann schnell ausverkauft sein dürfte, gab es auch einen – relativ – neuen Whisky von Highland Park zu verkosten, der weniger exklusiv ist. Wobei auch den „15 years“ eine eigene Geschichte begleitet. Denn er gehört zu den Single Malts, die „discontinued“ waren, deren Einstellung aber massive Proteste der Fans in aller Welt nach sich zog. Weshalb man sich nach dem Stopp 2016 entschied, ihn fünf Jahre später wieder aufzulegen. Die Keramikflasche, in die der 44% vol. starke Malt gefüllt ist, hat es momentan zwar schwer (Glas wäre nachhaltiger!), trägt aber beispielsweise in China zum Absatzerfolg bei: „Dort wird die „weiße Flasche“ gekauft und nicht der „15 years“, plauderte Markvardsen aus dem Nähkästchen.
Der Inhalt des „Viking heart“ getauften Fläschchens aber fasziniert wie eh und je – Erdnussbutter, süße Birne und etwas Zimt-Schokolade malen ein einladendes Duftbild. Auch frisch geraspelte Karotten kann man riechen; mit Luft wird diese orange Fruchtigkeit noch ausgeprägter und erinnert dann an Guaven. Im Mund setzt sich die dezente Süße in Form von Kirsche und Marzipan (vor allem im Finish) fort. Dann setzt der Biss des leicht getorften Highland Parks ein, doch dieser würzig-kräftige Akzent ist noch nicht das letzte Wort. Denn ganz hinten meldet beim 15-Jährigen ich unverkennbar das Sherry-Fass. In diesem Fall kommt es als richtig weinige Komponente und mit leichter Säure einem echten Schlussakkord gleich. Wie man in Bayreuth sagen würde.
Bezugsquellen:
Highland Park, „Wotan“ ist um EUR 179,- ab 25. Juli 2022 (und wohl nur seeehr kurz) bei „Spirituals“ erhältlich, www.spirituals.shop
Der „15 years“ alias „Viking heart“ in der Keramikflasche kostet aktuell EUR 95 bei Whisky.de, https://at.whisky.de/shop/