Viele jammern, manche tun etwas. Leo Doppler störte der Stillstand in der Wein-Szene und so lud sich der Hansen-Patron Gäste ins Lokal ein. Junge Winzer(innen), von denen man mehr hören sollte, bespielten in einer unter aller Vorsicht gehaltenen Tischpräsentation die Räume im Souterrain der Alten Börse. Und selbst ein alter Verkost-Hase wie Ihr Trinkprotokollant staunte, was da in die Gläser kam. Beginnen wir mit dem Nachbarn Dopplers aus der alten Heimat Moosbierbaum. Siegfried Resch hat eine nachgerade lächerliche Fläche von 1,5 Hektar Weingarten zur Verfügung, denen er elf Weine abtrotzt. „Von dem sind es zum Beispiel nur zwei lange Zeilen“, weckt er wenige Erwartungen für eine Flasche, die tax-frei zur Entdeckung des Abends wurde.
Spannender wird es schon, wenn der Biochemiker-Schrägstrich-Winzer erwähnte, dass die Stöcke seines Sankt Laurent der Opa setzte und sie mittlerweile 50 Jahre alt sind. Das wäre auch in der Hochburg der Rebsorte (Thermenregion) eine gehobene Augenbraue wert. In diesem Fall befinden wir uns aber im Traisental und dort wurde die Sorte neben dem Blauen Portugieser meist stiefmütterlich behandelt.
Doch der 2019er, der bei „Sigi“ Resch ins Glas kommt, ist ein anderes Kaliber. Klarer Erdbeer-Duft strömt aus dem Glas, etwas Muskat-Abrieb und Schwarzer Pfeffer ergänzen den Wein um Würze, auf dass man ihn nicht etwa für einen Pinot Noir hält. Vor allem die strahlende Frucht bringt den St. Laurent aber auch Menschen nahe, die ihn freiwillig nicht geordert hätten.
No Mainstream! Traisentaler Laurent, Wachauer Grauburgunder
Am Gaumen gesellt sich dann feiner Gerbstoff zu den weiterhin ausgeprägten Beeren-Noten. Diesmal erinnert der Geschmack mehr an Himbeere, denn auch Frische, aber keine vordergründige Säure, unterstützen den Trinkfluss des Traisentaler Rotweins. Das mag ein wenig von der Erwartung in der Nase abweichen, doch keine Angst! Final bindet die Würze wieder alle Aromen zusammen, der lebendige Pfeffer-Akkord hat das letzte Wort – er begleitet diesen ebenso harmonischen, wie trinkfreudigen 2019er vom Weingut Resch in den mittellangen Nachhall.
Während das Traisental abseits seiner Veltliner immer noch zu wenig am Radar der meisten Weinfreunde aufscheint, kann man das von der Wachau nicht behaupten. Und dennoch – auch hier hatte man im Hansen einen Goldgriff getan. Dabei ist der Silberbichlerhof von Fritz Hutter keinesfalls ein Newcomer; seit sieben Generation führt man den Weinbaubetrieb in Mautern. Wobei man nicht nur mit Veltliner und Riesling (saftig, im besten Sinne „fett“ und bereits antrinkbar: „Loibenberg“ 2016) punktet. Auf den 13 Hektar Weingartenfläche findet sich auch einer der wenigen Grauburgunder-Smaragde der Region. Er stammt von der namensgebenden „Hausriede“ Silberbichl und macht dem Weingut alle Ehre.
Die Würze dieser Rarität aus dem Jahrgang 2019 ist bei aller Frucht-verliebter Kraft sofort da in der Nase: Fast pikant – wie roter Paprika – und mit einem ätherischen Quäntchen Orangenminze wird die saftige Frucht von Mandarine und Netz-Melone begleitet. Im Mund dreht der „GB“ dann am Tropenfruchtregler und lässt einem kühle (!) Papaya und Pfirsich auf den Gaumen knallen. Ewig lang ist dieser Smaragd und wird doch immer engmaschiger – auch wenn er nicht gerade als „Zarterl“ begonnen hat (wie auch bei 14,5% vol.?). Vor allem die Salzigkeit des 2019ers macht ihn zu einer spannenden Wahl. Als Solist sowieso für alle die beim Weißwein nicht der „Magermilch-Fraktion“ angehören, richtig eingesetzt wäre er aber auch zu gegrilltem Geflügel eine Macht. Denn der Burgunder vom Silberbichlerhof hält locker auch mit kräftigeren Würzungen (Saté-Spieß, Jerk Chicken) mit.
Ähnlich an der Grenze zum Kremstal operiert auch die einzige Winzerin im Quintett, das sich in der „Alten Börse“ präsentierte. Christina Wess (am kl. Bild rechts) hatte diesmal bewusst keine Weine aus dem Wachauer Bestand des Weinguts mit, dafür gab es einiges an Nachhilfe in Kremser Lokal-Geographie: „Egelsee liegt hinter dem Steigenberger, der Kögl eher beim Gefängnis“. Eben aus zwei Rieden im Stadtteil Egelsee stammt ein ebenfalls unkonventioneller Wein für das Gebiet. Ein 30 Jahre alter Bestand an gemischten Rebsorten wurde übernommen und es ist ein Wein, über den man mit Christina gemeinsam lachen oder staunen kann. Denn auch wenn es der Duft suggeriert: „Das einzige, was nicht drinnen ist, ist Riesling“. Stattdessen bilden Muskateller, Sauvignon Blanc, Müller-Thurgau, Chardonnay, Frühroter Veltliner und Grüner Veltliner hier einen „Gemischten Satz“. Das etwas kühlere Klima in Richtung der Aussichtswarte lässt beim Jahrgang 2020 auch die aromatischeren Sorten nicht zu vorlaut werden. In der Nase kommt eine fast fleischige Marille (daher der „Riesling-Verdacht“) durch, aber auch kühlere Frucht wie Ringlotte, besonders eigen aber auch ein Duft, der an geröstete Grammeln erinnert.
Am Gaumen spielt dieser Einstiegswein schön zwischen den Polen „sweet and sour“, etwas Quitte ist da auch zu schmecken. Im Finale gesellt sich der Gerbstoff der dickschaligeren Sorten hinzu, was zusätzlich für Trinkanimo sorgt. Nicht von ungefähr empfehlen ihn die Wess zur Wiener Küche, sprich: Backhenderl oder Schnitzel. Das letzte Wort hat bei diesem „Gemischten Satz“ aber der Muskateller-Anteil. Das Rückaroma erinnert klar an diese Sorte.
Eine andere Qualitätsstufe – das Etikett verzeichnet ihn als „Kremstal DAC Reserve“ – stellt dann unser Liebling des Vorgänger-Jahrgangs 2019 dar. „Das ist unser Ortswein“, heißt es zum Riesling, der aus den Lagen Kremsleithen und Braunsdorfer stammt. Beide haben Schiefer-Anteil, wobei letztere die deutlich massivere Ausprägung ausweist. Mineralität wird also ein Thema sein. Und der Kremser liefert sie postwendend bereits im Geruch! Ein lebhafter Riesling, der in seiner leichten Rauchigkeit anfangs an Sandwich-Kruste und Nuss-Brösel erinnert, ehe sich über eine Zwischenstufe exotischer Natur (Papaya) die klare Steinobst-Signatur der Sorte abzeichnet. Mundfüllend und nachdrücklich ist der Ortswein, weist aber auch eine klare Struktur auf; Pink Grapefruit ergänzt hier die Nektarine und verhindert Üppigkeit.
Als Helfer, um etwaige Opulenz in die Schranken zu weisen, entpuppt sich auch die Würze dieses 2019ers. Sie erinnert an dunklen Sesam und im Nachklang an Kaffeepulver. Erfreulicher Weise ist hier auch ein wenig Restzucker zugelassen worden. Schon Vater Rainer Wess war kein Freund exzessiver Technik und von Kellereingriffen. Seit der Umstellung auf biologische Bewirtschaftung (man steht im zweiten Jahr) ist das auch quasi festgeschrieben. Idealer Weise gibt der Wein die Richtung vor. So darf dieser Riesling eben auch ein bisserl Süße mitbringen, die bei seiner Kraft und Würze aber ausgleichend wirkt.
Bezugsquellen:
Weingut Siegfried Resch, St. Laurent 2019 kostet EUR 11,90 ab Hof bzw. über die Homepage des Winzers (Kontaktformular), www.sigiresch.at
Silberbichlerhof Hutter, Grauburgunder Smaragd 2019 ist um EUR 19,50 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.hutter-wachau.at
Weingut Rainer Wess, Gemischter Satz 2020 ist um EUR 10,90 erhältlich, der Riesling „Krems“ DAC Reserve 2019 kostet EUR 15,50, beide im Webshop, www.weingut-wess.at