Zum Tag der Offenen Tür kann ja bald wer laden. Doch in Mödling nennt sich der Wein-Feiertag beim Weingut/Heurigen Pferschy-Seper „Tag der Offenen Flaschen“. Sehr sympathisch! Denn dann öffnet die Winzerfamilie nicht nur Raritäten der letzten Jahrzehnte, sondern auch erstmals die aktuellen Abfüllungen. Etwa den als Sortenrarität immer spannenden Zierfandler aus dem Jahrgang 2017. Mit 12 Gramm Restzucker gilt er als „halbtrocken“, was die Rarität der Thermenregion aber keineswegs zu einem lieblichen Wein macht. Im Gegenteil, der Duft erinnert Parfümerie-Stammgäste an den Hermès-Duft Un Jardin sur le Nil – ausgeprägt sind die Noten von Seerosen und Tang, die mit Luft den frischeren Ton einer Zitronenmelisse annehmen. Der erste Schluck bringt einen saftigen Wein, der nach Zucker-Melone und Kräutern schmeckt, auf den Gaumen. Leichte Süße und knackige Säure ergeben ein Tandem, das an Tomaten-Concassé erinnert. Ob man das jetzt kennt oder als Vergleich braucht, ist einerlei. Es besagt nur, dass der Zierfandler 2017 einen wunderbares Trinkanimo entwickelt. Käsespätzle oder Makkaroni wären seine Tinder-Partner.
Erfrischend im seit 2003 als Biobetrieb bewirtschafteten Weingut ist die Offenheit. Sie passt ja auch zum Tagesmotto. Und so erfährt man von einer Sorge, „die so noch nie dagewesen war“: Das heiße Jahr 2018 brachte auch eine Wespenplage und so schnell, wie einige angestochenen Trauben zu Rosinen wurden, konnte man gar nicht ernten. Der Gelbe Muskateller fiel dadurch „relativ gehaltvoll“ aus, wie es Winzerin Birgit Pferschy-Seper (kl. Bild links) nennt. Wohngemerkt, wir reden von 12,9% Alkohol und einem knochentrockenen Wein. Doch die aromatische Fülle macht aus der duftigen Sorte eben kein leichtes Spritzer-Fundament – sondern einen Wein, den man sich einlagern sollte.
Der Duft bringt mehr Lychee und Jasmin-Tee als Muskatblüte mit und ist ungemein einladend. Saftige gelbe Früchte – von der Nektarine bis zur Ananas – bilden den fruchtigen Auftakt, in den Säure und ein herberer Strang (Hagebutte) einfallen. Immer enger macht dieser ungewöhnliche Muskateller die Räume gegen den Abgang hin. Wie saftiges Orangen-Fruchtfleisch, voll Sonne und doch auch herb und säurig, klingt er aus. Abgerundet wird dieser Wein heute noch von einem jugendlichen Gerbstoff – aber wie gesagt, jetzt einlagern, das sortiert sich noch!
Mit gerade 400 Litern hat Pferschy-Seper auch ein neues Experiment gestartet, einen maischevergorenen Traminer, also einen so genannten „Orange Wine“. In diesem Fall sorgt die bekannt dicke Beerenhaut beim 2017er „Natural“ für einen mächtigen Gerbstoff – im kleinen Kostglas und bei geschlossenen Augen könnte man das für ein India Pale Ale (IPA) mit schlechter Kohlensäure halten. Der Duft bringt die Sorte weniger mit ihrem nicht jedem gefälligen Rosen-Aroma zum Vorschein, sondern als Marillen-Marmelade und Erdbeer-Blatt, erst dann kommen auch Buschröschen durch. Im großen Verkostglas hingegen wird aus dem „IPA des Weins“ ein komplexer Wein, der Birnen-Most-Anklänge mit Saftigkeit, etwas Papaya und Hagebutte sowie einem langen Finish (vom Hopfen, pardon: Tannin) kombiniert. Ein spannender Wein dieser Kategorie ohne Unsauberkeiten, der geeignet ist, auch Skeptiker an diese Spiel-Art heranzuführen.
Und wer jetzt die Rotweine vermisst: Wie für einen Thermenregionswinzer von Rang üblich, auch wenn er mitten in Mödling residiert, pflegt man auch den Pinot Noir. Er duftet im Jahrgang 2017 nach Eberraute, Erdbeere und Milchschokolade. Dass hier keine Himbeeren vorkommen, zeigt schon, dass es weniger der säurige Typus wurde. Erst im Mund melden sich die Himbeeren, denn der mit 13% gefüllte Burgunder ist herrlich sortentypisch, wenn auch mit einer koketten Seite, die man der gerne als intellektuell verkauften Sorte normal nicht zugesteht. Gewürznelke ist so ein Schmuck, mit dem dieser Wein auch beim Heurigen Verehrer anlockt, Pink Grapefruit ein anderer. Sieht man dann den Preis dieses wunderbaren Sommer-Roten (kühlen, bitte!), fragt man sich, warum wir nicht mehr Pinot Noir trinken? Okay, beim nächsten privaten „Tag der offenen Flaschen“ vielleicht.
Bezugsquelle:
Weingut Pferschy-Seper, Zierfandler 2017 ist um EUR 12,40 erhältlich, der Gelbe Muskateller um EUR 9,10, der Traminer „Natural“ ist um EUR 17,10 zu haben und der Pinot Noir 2017 kostet EUR 10,10 – alle ab Hof bzw. im Web-Shop, www.pferschy-seper.at