Auch wenn aus dem Piemont aktuell leider eher erschreckende, medizinische Bulletins kommen: Bei Martini in Chieri bei Turin hat man dem britischen Trend „low and no“ ein italienisches Antlitz verliehen. Wenig und kein Alkohol, aus welchen Gründen auch immer, hat aber bisher nur in wenigen Kategorien (zuvorderst Gin) der Bar-Spirituosen überzeugende Ergebnisse erbracht. Alkoholfreie Bitters etwa, klagte ein aufgeschlossener Barkeeper unlängst, seien nach wie vor nicht vergleichbar mit den gewohnten Aromagebern in den Dash Bottles.
Um Bitterkeit geht es auch bei „Floreale“ und „Vibrante“. Was auch der Name des neuen Alfa Romeos sein könnte, bezeichnet den Versuch, das Profil eines Wermuts ohne Alkohol nachzubauen. Die neue Kategorie dafür nennt sich zwar nicht „alkoholfreier Aperitif Wermut“, wie das mitunter zu lesen ist, aber inhaltlich ist klar, worum es geht. Denn nimmt man einen alkoholfreien Gin und einen Wermut ohne Promille, geht sich die Ikone der Bar – der Dry Martini – aus, ohne dass man davon betrunken werden kann. Hier wäre der „Floreal“ als helle Variante aus dem Piemonteser Traditionshaus die erste Wahl. Ergo kosten wir ihn auch zuerst.
Honig, Eibischteig und Kräutertee, vor allem Kamillentee, notieren wir als erste Aromen, die in die Nase steigen. Wer ein Martini-Freund ist, dem wird der Duft bekannt vorkommen: Honig und Kamille gaben schon dem „Ambrato“ (der hatte allerdings Alkohol) seine Signatur. Und schon damals verwies der Piemonteser Kräutermeister Ivano Tonutti auf die Ähnlichkeit der „Römischen Kamille“ mit Holunderblüten. Als prominentes „Botanical“ hat es die kleine Kräuter-Tee-Blüte sogar auf das Etikett des „Floreale“ geschafft.
Sanft und wieder sehr kräuterlastig – zur Kamille gesellt sich Arnika – kommt der Martini „ohne“ auf den Gaumen. Tatsächlich erinnert er an den Klassiker „Bianco“ des Hauses, allerdings mit einer Schlagseite in Richtung Honig und Kamille. Noch eigenständiger erscheint der „Vibrante“, der quasi die promille-lose Entsprechung des „Martini Rosso“ darstellt. Hier wird das Etikett von der knotig gelben Bergamotte geziert, deren Zesten hier zum Einsatz kamen. Im Duft merkt man ein wenig Zitrusfrucht, allerdings ist es eine saftige Blutorange. Sie reiht sich gut in das generell als „rot und würzig“ zu beschreibende Duftbild ein. Denn zu einem zarten Medizinal-Ton (wie immer dauert es, bis wir den typischen Apotheken-Geruch als „Kalmus-Wurzel“ dechiffrieren) kommt hier auch satte Rote Rübe und etwas Himbeere.
Der erste Schluck bringt dann die Orangen-Süße mit, ehe das Geschmacksbild langsam die Konturen des Wermuts durchschimmern lässt: Etwas Roter Apfel mitsamt Schale leitet diesen herberen Schritt ein. Im Ausklang wird daraus dann klar Grapefruit-Zeste. Es ist eigentlich eine Mischung, wie man sie aus einem „Bitter Orange“ kennt; dem einzigen Filler, der bislang noch kein Revival im Highball erlebt hat. Doch das kann man ja ändern. Oder man nimmt Tonic Water und hat einen feinen Sommer-Drink ohne Alkohol. Und für die, die es weniger streng sehen: Trockener Winzersekt (Welschriesling, wenn mich wer fragt!) oder Prosecco gehen auch.
Bezugsquelle:
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