Mit dem Gründungsdatum 1083 kann nicht bald ein Weingut aufwarten. Dank des Heiligen Altmann, der als Bischof von Passau an den Rand seiner Diözese flüchtete, haben wir mit Stift Göttweig aber einen solchen Fall. Das am 422 Meter hohen Hügel thronende Juwel, das seine barocke Pracht einem Brand 1718 und dem Wiederaufbau danach verdankt, wird von den Benediktinern geführt. Als Wein-Partner hat man aber die Stadt Krems und deren Weingut gefunden, das von Fritz Miesbauer geleitet wird. Die 26 Hektar im Kremstal sind schließlich keine kleine Aufgabe. Und sie waren auch der Grund, warum der der Vorpächter 2006 aus dem Vertrag ausstieg. Der Vorteil für Göttweig: Seit damals werden die Weine – Riesling und Veltliner vornehmlich – auch unter dem Label des Stiftes abgefüllt.
So wie es auch Jahrhunderte lang der Fall war. Nur eben im modernen Gewand. 200.000 Flaschen tragen die Kapsel mit dem unverkennbaren Fresko Paul Trogers, das den Triumphzug Kaiser Karl VI. zeigt und im Original an der Decke der „Kaiserstiege“ im Stift zu sehen ist. Göttweigs Wein-Verkaufschef Franz–Josef „Goose“ Gansberger erinnert sich auch an andere Etiketten-Entwürfe aus der Frühzeit des Betriebs. Doch zum 15 Jahr-Jubiläum schenkt er vor der Lesehütte in der Ried Silberbichl aus lateinisch bedruckten Flaschen ein: „Ut in omnibus glorificetur Deus“ – damit in allen (Weinen) Gott verherrlicht wird. Und herrlich ist es in der Sommersonne neben dem Weingarten. Schöner lässt sich Wein kaum kosten. Wiesenblumen als Tischgesteck, Rieden mit schon schön gerundeten Veltliner-Trauben und ein Ziesel als Zaungast – Idyll, was willst Du mehr? Hmhhh, einen Wein vielleicht?
Damit können „Goose“ und Fritz Miesbauer natürlich dienen, denn das Sortiment ist wie eine Leiter. Von der Basis des Messweins (ein Grüner Veltliner, der gemäß Klerikal-Vorschrift weder gezuckert noch entsäuert werden darf) über die Ortsweine führt der Weg. Damit gelangt man zu einer der bekanntesten Lagen des Stiftsweinguts: „Gottschelle“ heißt diese Veltliner-Riede, die mit Jahrzehnte alten Rebstöcken auf Löss-Boden einen reichhaltigen Typus hervorbringt. Reife Duftnoten, in den auch zartes Kokos zu erschnuppern ist, prägen die erste Bekanntschaft. Papaya steht für den tropischen Einschlag dieses Lagen-Veltliners, die würzige Seite repräsentiert trockenes Curry-Pulver, in dem erdige Noten vom Curcuma regieren und nicht die fruchtigen.
Das hebt sich die „Gottschelle“ für den Gaumen auf. Saftig perlt der 2018er auf die Zunge, die Papaya-Würfel fallen einem sofort wieder ein. Aber auch sonst gibt es hier exotische, „rote“ Geschmacksrichtungen zu erkennen. Mandarine etwa, nicht die süßlich-kleine aus der Dose oder dem Dessert beim Chinesen, sondern reife, die fast schon an Pink Grapefruit anstreifen mit ihrem Geschmack. Wie der Geist über den Wassern in der biblischen Erzählung (das darf man ohne Blasphemie beim Stiftswein sagen) schwebt über allem ein rauchiger Ton. Er erinnert an gerösteten Sesam aber auch ein wenig an Pumpernickel, allerdings ohne jede Süße. Und auch, wenn dieser Wein noch einige Zeit vor sich hat: Antrinkbar ist der 2018er „Gottschelle“ durchaus schon. Auch wenn es nicht immer in der Riede selbst bei Sonnenschein sein kann. Leider!
Den Einstieg in die Riesling-Welt macht Fritz Miesbauer dann mit einem Ortswein des Jahrgangs 2019. Der „Furth“, der ins Glas kommt, duftet intensiv nach Zitrusfrüchten, vor allem Yuzu – der süßsaure Touch der Mandarinen-Kreuzung beschreibt diesen 2019er am feinsten. Ebenfalls eine präzise Frucht entsteht auch beim zweiten Nasen-Eindruck: Es ist die kleine Marille mit den roten Bäckchen, die als Sorte „Ungarische Beste“ heißt. Ihr Duft findet sich dann auch im Kostschluck, hier als knackig frische Marille mit einiger Säure, wieder. Auch ein wenig Grapefruit schmeckt man. Sie steht für den leichten Gerbstoff, der neben der Säure das Trinkanimo dieses perfekten Einstiegsrieslings beflügelt. Denn es gibt noch mehr von der zweiten Paradesorte des Kremstals…
Namensgebend war das Stiftsweingut auch für den Pfaffenberg – kurz besaß Göttweig diese Wachauer Lage zur Gänze im 15. Jahrhundert. Heute sind es Pachtflächen, die für den einzigen Wein vom südlichen Donau-Ufer im Sortiment sorgen. Und man weiß diesen Reb-Schatz, der sich kürzlich auch flächenmäßig vergrößert hat, auch zu nutzen. Die unverkennbare mineralische Prägung kommt in Form rauchiger Zitrusfrüchte schon im Duft durch beim 2018er Riesling Pfaffenberg. Honig-Töne, Safran und Ananas stehen für die saftige, aber stets würzige Art dieses Weines. Ein wenig verbrannter Toast zeigt aber auch die Bodenprägung dieses Hügels, den man von der Göttweiger Stiftsterrasse praktisch genau gegenüber sieht.
Saftig legt sich dieser Wein auf den Gaumen, wieder ist da dieser Safran-Ton, der hier wie in einem Risotto Milanese daher kommt. Denn auch viel weiche Frucht, Birne vor allem, ist zu schmecken. Orangenzesten gehen allmählich über in eine unverkennbare Marillen-Note, die am Ende – und wenn man dem 2018er Riesling die Zeit gibt – wie ein gedeckter Kuchen der Steinfrucht mitsamt Ei-Schnee-Haube wirkt. Großes Kino, um nicht zu sagen: Ein wahrhaft himmlischer Wein!
Bezugsquelle:
Stift Göttweig, ist Grüner Veltliner „Gottschelle“ 2018 ist um EUR 25 zu haben, der Ortswein-Riesling „Furth“ 2019 ist um EUR 11,80 erhältlich und der Riesling „Pfaffenberg“ 2016 um EUR 62,36 (nur mehr als Magnumflasche – 1,5 Liter), alle im Webshop der Vinothek Hubert Fohringer, www.fohringer.at