Wie bereits in Teil 1 der Nachlese zu Wein am Berg (sie steht hier), werden auch in der Fortsetzung auf höchstem Niveau Rosinen herausgepickt. Das gilt natürlich aufgrund der Höhenlage im Söldener Hotel Das Central bzw. am Giggijoch. Aber auch aufgrund des hohen Niveaus der Weine, mit denen nicht nur die Kerngruppe der 12 RWB-Winzer aufwartete. Die erlesenen Wein-Gäste aus vier Ländern ergänzten, nicht zuletzt mit Weißweinen, das Line up vom Feinsten. Und da ist es nicht leicht, einen Start zu finden. Außer, man trifft gleich am ersten Tisch Fritz Wieninger, der seinen Gemischten Satz „Ried Ulm“ mithat. Damit war die Entscheidung gefallen.
Für den Jahrgang 2021 aus der Monopollage am Nußberg, die eine herrliche Würzigkeit mit sich bringt. Erste Nase: Helle Gebäckkruste, ein Alzerl Feuerstein, vor allem aber viel Kräutercharme (Estragon explizit!) Dann, in gleichsam zweiter Lesung, kommen Senffrüchte – pikant begleitet wird die Pfirsich-Nase – und auch eine Birnen-Fruchtigkeit im Duft durch. Die Langlebigkeit dieses Gemischten Satzes ist allein durch die Vielschichtigkeit seiner Komponenten garantiert. Säurige Noten schwingen bei der saftigen Frucht ebenso mit wie erneut pikante Töne, die braune Senfsaat mit einem herben Unterton evozieren – denn auch der Gerbstoff stützt den Kern aus einem saftigen Potpourri gelber Früchte wie Karambole, Golden Delicious und noch nicht pickig reifer Mango. Ein kühler, animierender Zug durchläuft diesen „Ulm“ 2021.
Als weiteren Wiener Weißwein in der Ötztaler Bergwelt hatte Wieninger seinen Chardonnay Grand Select des Jahres 2021 mit. Da sieht es anders aus, hier prunkt die Frucht mit einem Odeur nach Bananen-Chips, Mangosaft und auch Kaffir-Limette. Als Dreingabe gibt es noch Zitronenpfeffer für die Nase. Rund und saftig wie eine aus dem Rührkessel geschleckte Nusscreme kleidet der Top-Burgunder aus Wien den Gaumen aus. Erneut liefern sich Mango und Zitronenzeste ein Spiel aus intensiver Frucht und frischen Akzenten dazu. Die reifen Zitrusfrüchte geben dann bis in den langen Nachhall die Grundierung vor: Anfangs noch Kumquat mit fruchtsüßem Charme, beschließt ein herb-säuriger Yuzu-Geschmack den Reigen der „Grand Select“-Geschmäcker. Auch wenn der Gerbstoff noch jugendlich ist (was erwartet man von einem 2021er?), hier haben wir eine frühe Form gefunden, die mächtig Spaß macht. Auch wenn da sicher noch mehr kommt!
Wachau-Doppel: Singerriedel und Kirchweg
Umlagert war wie stets der Tisch von Irmgard und Franz Hirtzberger, denn die Wachauer Smaragde des Weinguts lieben Österreicher ebenso, wie sie viele internationale Central-Gäste kennen. Der „Singerriedel“ 2018 enttäuschte die Erwartungen auch nicht. Tropenfrüchte pur, vor allem Mango, dazu der haustypische Honig-Ton, aber auch zartes Petrol ergaben einen saftig-animierenden Duft. Die exotische Mischung aus Grüner Papaya und Mango prägte auch den Gaumen, hier zeigt sich aber der Finessen-Reichtum dieses Rieslings. Sehr kühl und dennoch nachdrücklich fällt die Struktur aus, die von einem mineralischen Ausklang gekrönt wird. Von einem mächtigen Beginn aus wird der „Singerriedel“ immer schlanker und vor allem trinkanimierend ohne Ende. Eine feine Gewürzspur zieht sich dabei über den Gaumen, die an Piment erinnert, aber auch einen leicht salzigen Touch mitbringt, der die intensive, fast strahlend gelbfruchtige Art mit viel Raffinement versieht. Zu Recht einer der größten Rieslinge des Landes, das zeigten die Hirtzbergers einmal mehr.
A propos Wachau: Auch Rudi Pichler jun. stellte mit seinen Weinen ein Gegengewicht zu den Sorten der RWB-Gruppe dar. Der Riesling „Ried Kirchweg“ 2015 brachte eine ganze Blütenweise mit nach Sölden. Kamille ragte unter den floral-frischen Akzenten hervor, der dahinter fand sich Steinobst; Mispel mehr als Marille. Faszinierend war es, der Entwicklung des Weins im Glas nachzuspüren – der Rauchgeruch nahm mit jeder Minute zu. Damit überraschte auch die Mineralik dieses Weins nicht, die schlicht „klirrend frisch“ zu nennen ist. Von diesem präzisen Strahl geführt, entwickelt sich die fruchtige Mitte. Glasklar fällt da der Marillen-Geschmack aus. Denn auch die Säure ist noch vorhanden im 2015er von Pichler, was vor allem im letzten Drittel köstlich bemerkbar wird. Da kitzelt die fruchtige Säure und die zitrische Pikanz einer Blutorange die Geschmackspapillen. Ein herrlicher Riesling!
Heinz Velich schenkte nicht mehr als RWB-Mitglied aus in Sölden, sondern als Gast. Dafür aber mit Champagne Billecart-Salmon zur Seite, den er bekanntlich (hier von uns aufgezeichnet) importiert. Doch wir hielten uns erneut an Chardonnay der Oberliga, in diesem Fall war es der „Tiglat“ des Jahrgangs 2017. Ein feines „Stinkerl“ – so geziemt es sich für einen wahren Burgunder! – leitet den Wein ein. Dieser Wein braucht das große Glas und hat dann einen ebensolchen Auftritt mit Grandezza. Feine Rauch-Noten und ein Touch „Earl Grey“ steigen dann in die Nase. Saftig und mit gelbfruchtigem Fluss geht der „Tiglat“ auch nicht über den Gaumen, er schreitet förmlich. Im Geschmack bleibt dabei eine dezente Bananen-Note zurück, ehe es diffiziler wird, die leisen Finessen zu benennen. Der weiße Teil eines Zitronengras-Halms kommt einem in den Sinn, aber auch Eisenkraut. Vor allem das Finale ist fast ätherisch elegant. Hier regiert dann der saline Charakter der Seewinkler Weingärten vollends. Wer diesen Wein länger nicht im Glas hatte, wird überrascht sein, wie sehr der Parade-Chardonnay sich gegen früher verändert hat. Noch mehr Substanz, aber weniger Kraft, könnte man zu dieser 2017er Magnum sagen.
Bezugsquellen:
Weingut Wieninger, Wiener Gemischter Satz „Ried Ulm“ 2021 kostet EUR 28,- ab Hof bzw. im Webshop Wieningers, www.wieninger.at
Weingut Wieninger, Chardonnay Grand Select 2021 kostet EUR 55,- beim E-Shop „Vinospirit“, www.vinospirit.at
Weingut Franz Hirtzberger, Riesling Smaragd „Ried Singerriedel“ 2018 ist in Restmengen bei Hubert Fohringer um EUR 145,- erhältlich, www.fohringer.at
Weingut Rudi Pichler, Riesling Smaragd „Ried Kirchweg“ 2015 ist praktisch ausverkauft, Jahrgang 2012 führt der Onlinehändler „Weinshop24“ um EUR 49,90, www.weinshop24.at
Weingut Velich, Chardonnay „Tiglat“ 2017 wird um EUR 69,90 bei Meinl am Graben (und in deren Webshop) angeboten, www.meinlamgraben.eu