Insider wissen, dass Chanel – das Couture-Haus mit „No. 5“ und den Bouclé-Jäckchen – auch Weingüter führt. Über die Châteaux Canon und Rauzan-Ségla schrieben wir (hier) erst unlängst. Doch zu den Weingärten, die Nicolas Audebert unterstehen, gehört nicht nur Feines aus dem Bordelais. Eine ruppig-schöne Insel, auf der holprige Wege ohne Asphaltierung zu Reben und Keller führen, scheint auf den ersten Blick nicht ins Bild zu passen. Der Name der de Île de Porquerolles löst bei Franzosen allerdings viele Assoziationen aus.Das 12,54 km² kleine Eiland nahe Toulon schützte lange den wichtigen Marinehafen mit neun Forts, was heute weniger bekannt ist als die Aufenthalte von Georges Simenon und seinem Kommissar Maigret. Später drehte hier auch Jean-Luc Godard („Pierrot le fou“). Und auch wenn Monsieur Audebert sein Engagement beim Tartar vom Adlerfisch „die verrückteste Idee“ nennt, stellten die Produzenten auf der Insel einige der Pioniere der provençalischen Rosé-Welt dar.
Weinrechtlich ist Porquerolles nämlich ein Teil der Riesen-Appellation Côtes de Provence, zu deren Gründern man zählte. Wobei die beiden verbleibenden Weingüter der kleinen Insel hoffen, irgendwann als eigenes Gebiet auftreten zu können. Bis dahin wird aber noch an der Produktion bei der Domaine de l´Île geschraubt. Vor allem in logistischer Hinsicht, denn selbst einen Weinkeller zu errichten, ist auf dem von strengen Bauvorschriften gekennzeichneten Porquerolles nur innerhalb bestehender Grundmauern möglich. Doch auch was seit 2019 aus dem hellroten Kellergebäude mitten zwischen Seekiefern, Eukalyptus und Monterey-Zypressen kommt, kann sich schmecken lassen.
Der weiße „Domaine de l´Île“ ist dabei die große Überraschung – um nicht zu sagen: Unbekannte – für österreichische Weintrinker. Schon die Rebsorte Rolle dürfte den meisten wenig vertraut sein. Führt man das italienische Synonym Vermentino in die Diskussion ein, entsteht dann schon eher ein Bild: Das eines weitgehend belanglosen Weißweins mit nicht zu hoher Komplexität. Doch auf der Insel sieht das ein wenig anders aus. Zumal nicht nur der Schieferboden hier seine Signatur hinterlässt, sondern auch das Meer. Weingutsleiter Pierre Etcheberry, der schon mit 28 Jahren in die Domaine eintrat, fasst es in charmantem Französisch zusammen: „vignes au milieu de la Méditerranée“ – Reben inmitten des Mittelmeers.
Blüten wie Holunder und Pfirsich, weißfleischige Birne und Birkensaft sorgen für einen floral-vegetabilen Duftmix bei diesem 2020er Jahrgang. Limettenzesten ergänzen das zu einem recht intensiven Eindruck des reinsortigen Rolle. Der Gaumen fällt dann noch fruchtiger aus; hier spielen neben der Birne und Weintrauben auch fruchtsüße Anklänge von Pfirsich und Ananas hinein. Ein feiner Gerbstoff – er erinnert an Traubenkerne – bringt einen Gegenpart zu den lustig-fruchtigen Eindrücken mit. Dennoch bleibt es klar beim „easy drinking“-Charakter. So will man Südfrankreich, so trinkt man im Sommer. Und Porquerolles weißer Wein steht für beides.
Allerdings macht 70% der Produktion der Domaine de l´Île der Rosé aus. Er ist eine jährlich zart variierende Mariage aus fünf Rebsorten. Aktuell wird etwa weniger Syrah nachgepflanzt, klimatisch bevorzugt man Tibouren, der seine Hochburg um Saint-Tropez besitzt. Weiters stehen Pierre Etcheberry Mourvèdre, Cinsault und Grenache zur Verfügung. Einige davon sind in attraktiver Buschwein-Erziehung ausgesetzt worden, die man in Frankreich „gobelet“ nennt.
Der Rosé, für den seit dem Jahrgang 2019 Chanel das Etikett mit dem Croissant-artigen Insel-Umriss stellt, reift gut. Denn zum Abendessen kommt der erste Jahrgang ins Glas. Er passt bestens zum Grillfisch mit Risotto. Doch neugieriger sind alle auf die Einschätzung des aktuellen Jahrgangs. 2022 kommt ins Glas und bringt eine moderate, offensichtlich nicht nach einer Farbskala auf blass oder extrem hochfärbig getrimmte, Robe mit. Am ehesten erinnert sie an das Gefieder der Flamingos, die drüben in den Salzmarschen von Hyères Station machen. Der Duft nach Zwiebelmarmelade und Himbeer-Macaron spannt dann einen weitreichenden, aber nie blumig-süßen Bogen. Richtig gerochen! Denn auch Zitronengras addiert sich als frischer Akkord.
Der würzige Grundcharakter des Rosés kündigt sich in der Nase bereits an. Auch im Mund ist es eine feine Würze, die den 2021er der Domaine auszeichnet. Rosa Beeren, wie man den „Roten Pfeffer“ korrekt nennt, treffen hier in der Tat auf rosa Beeren aus dem Wald. Erneut ist es Himbeere, in kühler und zart säuriger Ausprägung, die im Finale in Kräuter und leichte Salzigkeit übergeht. Etwas Zitronenverbene ragt aus diesem trinkanimierenden Kräuterstrauß heraus. Mehr davon!
Bezugsquelle:
Domaine de l’Ile, Rosé 2022 ist um EUR 19,90 (0,7 Liter-Flasche) bei Kracher Fine Wine erhältlich, www.finewineshop.com