Dass Winzer mit einer Rebsorte assoziiert werden, ist nicht unüblich. Dort wo der Veltliner dominiert, wie im Weinviertel, oder der Blaufränkisch wie am Eisenberg oder im Mittelburgenland, ist es sogar logisch. Zum „Mister Rotgipfler“ oder „Mister Furmint“ wird man aber nicht nur, weil man in agrar-geographische Verhältnisse hineingeboren wurde. Man muss es wollen. Anders gesagt, man verschreibt sich einer Sorte, weil man an sie glaubt. Underdogs gibt es schließlich auch im Weingarten. Mengenmäßig betrachtet ist der Rote Veltliner unter den vernachlässigten Weißweinen eh noch einer der größten. Dreistellige Hektarzahlen sind ungefährdet, was ihn von Furmint, Zierfandler und Rotgipfler schon einmal unterscheidet. Von den beiden letzteren Sorten ist er auch ein genetischer „Elternteil“.
Man darf also rötliche Traubenfärbung (yes, daher der Name!) erwarten, dicke Schale und eine tropenfruchtige Duftnote in der Vollreife. Wenn das jemand weiß, dann Josef Fritz, den wir nun als „Mister Roter Veltliner“ einführen wollen. Etliche Wagramer Winzer pflegen die Sorte, die an den Rändern des Weinbaugebiets auch ins Weinviertel und das Kamptal ausapert. Fünf Varianten sind aber dann doch eher selten. Allein drei Lagen-Weine aus der Sorte pflegt man in Zaußenberg. Der bekannteste und mit Fug als einer der besten Sortenvertreter des Landes (über Jahre!) zu bezeichnen ist der „Steinberg Privat“. Doch nicht um ihn soll es heute gehen und auch nur bedingt um Josef Fritz. Sondern um ein Experiment, dass sein Sohn Johannes verantwortet hat. Der 21-Jährige hätte seine Serie der „gezielt planlosen“ Weine namens „Tertiär“ dieser Tage bei der Schlossquadrat-Trophy vorgestellt.
Dabei messen sich alljährlich im „Schlossquadrat“ in Wien-Margareten die Jungwinzer des Landes mit ihren Weinen vor Publikum. Aufgrund der aktuellen Covid-19 Situation wurde daraus nichts, doch die Fritz-Weine gingen vorweg an die Juroren (zu denen auch Ihr Trinkprotokollant zählt). Und dass der erste Wein im Paket der 2017er „Mordthal“ war, bereitet Freude. Denn dieser Rote Veltliner ist immer eine Freude, in einem warmen Jahrgang wie 2017 steigt die Erwartung aber noch einmal, zumal die Lage mit ihrem Schotter-Einschlüssen und der guten Durchlüftung auch die September-Niederschläge gut wegsteckte. Denn die Fäulnis ist eines der Probleme der an sich schon nicht leicht zu bearbeitenden Rebe. Aber lassen wir das; der Wein spricht!
Mango und Papaya sind im Duft des „Mordthal“ so deutlich, dass man ihn auch als „Tropenfrucht-Cocktail“ in Dosen abfüllen könnte. Der säuerliche Kostschluck allerdings bricht die Erwartungshaltung aber gleich wieder. Nicht, dass der Rote Veltliner ein leichter Wein wäre – aber er zeigt strukturierte Kraft. Kaktusfeige, Pomelo und erst dann Mango lautet die Deklination des Themas Frucht am Wagram. Auch die Mango ist eine säuerliche, weitab von der Überreife mit ihrer parfümiert-seifigen Attitüde. Aus diesem tropischen Anteil geht es nahtlos ins animierende Finale weiter. Die sechs Gramm Restzucker muss man am Datenblatt nachlesen, denn geschmeckt hätte man sie nicht. Im Gegenteil, die Leichtfüßigkeit am Ende lädt zum nächsten Schluck ein!
Rote Traube, orange ausgebaut + Akazie: Tertiär T. 2018
Das Kontrastprogramm setzt schon optisch jener Wein, mit dem Johannes Fritz nach seiner Weinbauschul-Zeit im elterlichen Weingut einstieg. Denn der „Tertiär T.“ ist unverkennbar unfiltriert und füllt dementsprechend trüb das Glas. Den Namen hat dieser Orange Wine vom Tertiärschotter der Riede Mordthal. Er stellt aber einen Roten Traminer und keinen Roten Veltliner dar. 2018 gab es auch den ersten „Tertiär S.“, einen Sauvignon Blanc, dessen Weingarten am Steinberg ebenfalls der Schotter prägt.
Als Traminer ist der Wein doppelt spannend für die Maischegärung, also den langen Kontakt mit den Beerenschalen. Denn diese sind recht dick, was in der Regel einen hohen Gerbstoff-Eintrag bewirkt. Das kann man als Gegengewicht zur Rosen-Duftigkeit der Sorte mögen. Muss man aber nicht. Fritz junior hat sich für einen cleveren Weg entschieden, indem er nach der 25-tägigen Wartezeit bis zur Pressung ein Akazien-Fass (500 Liter) vorbereitet hat. Diesem sagt man eine gewisse Lieblichkeit nach, die dem Eichenholz abgeht. Es kommt also ein dritter Faktor in die Gleichung aus Tannin und Frucht dazu. Die Entscheidung stellt sich als richtig heraus, kaum, dass man an diesem „orangen“ Traminer gerochen hat. Tropenfrucht ist verhalten da (ein wenig Ananas), aber vor allem riecht es nach frischem Apfelsaft. Wichtig aber für alle Skeptiker maische-vergorener Weißweine: Saft, nicht nach Most!
Im Mund zeigt der so satt in seinem Duftbild wirkende Rote Traminer dann eine sehr lebendige Seite. Zwischen Nektarine, Honigmelone, Guave und vor allem viiiiel Papaya kommt sogar so etwas wie ein „Pfefferl“ durch. Vielleicht lässt sich ein Wort als Analogie verwenden, das in der Naturwein-Szene oft zu hören ist, wenn es um den Boden geht: Verlebendigung. Genau diesen Effekt scheint die Summe der Ausbau-Entscheidungen von Johannes Fritz auf den „Tertiär T.“ zu haben. Wären wir Esoteriker, würden wir vielleicht sagen, er vibriert von innen her wie ein Ouija-Brett. Sind wir aber nicht. Daher halten wir lieber fest, dass der Nachhall dieses 2018ers lebendige Säure und helle Fruchtigkeit mitbringt wie ein Orangensaft.
Eines noch: Ähnlich wie seine ampelographischen „Kinder“ in der Thermenregion (Zierfandler und Rotgipfler, zuletzt hier verglichen) passt auch der Rotgipfler hervorragend zur Asia-Küche. Das ideale Gericht aus unserer Sicht ist das sämige und würzige „Butter Chicken“ mitunter auch als „Ruby Curry“ bezeichnet. Und siehe da: Auch der „Tertiär T.“ hielt munter mit der Makhani-Sauce, einem Sommelier-Alptraum aus Butter, Tomaten und Knoblauch, mit. Es mag verfrüht sein, aber eventuell wächst mit Johannes Fritz ja ein „Mister Roter Traminer“ am Wagram heran. Aber zuerst halten wir ihm die Daumen für die Schlossquadrat-Trophy, wann immer ihr Finale 2020 steigen wird!
Bezugsquelle:
Josef Fritz, Roter Veltliner „Mordthal“ 2017 kostet EUR 22,76 im Webshop Shöpping, www.shoepping.at
Johannes Fritz, Roter Traminer „Tertiär T.“ 2018 ist um EUR 17,50 bei der Vinothek Hubert Fohringer bzw. in deren Webshop zu haben, www.fohringer.at