Bewertungen in der Weinwelt kann und soll man immer skeptisch sehen. Doch als damals noch Robert Parkers „Wine Advocate“ dem Blaufränkisch „Alte Reben“ 2006 vom Weingut Moric 95 Punkte verlieh, sorgte das für gehörige Aufmerksamkeit. Das 2002 gestartete Weinprojekt Roland Velichs (der Keller sollte erst noch folgen) holte damit einen noch nie an österreichischen Rotwein vergebenen Spitzenwert. Heute kommen vom Weingut vor allem Blaufränkische, die international für eine Beachtung der Sorte sorgen, im Inland aber viel zu selten „hergezeigt“ werden.
Das holen wir gerne mit einem kleinen Überblick der aktuellen Füllungen nach. Denn die akribische Arbeit mit Mikrochargen ergeben wie die unterschiedlichen Böden und Herkünfte bei Velich sehr finessenreiche Sortenvertreter. „Elegant und feinfruchtig“, nennt das Velich selbst. Die „Hausmarke Rot“ stellt dabei den Einstieg ins Sortiment dar. Für diese Cuvée bringen Zweigelt, Blaufränkisch und Blauburgunder ihr spezifisches Profil ein, wobei der Zweigelt den Mehrheitsanteil (meist gegen 50% der Assemblage) stellt. Der 2019er überrascht mit einer kompakten Erscheinungsform, aus der sich allmählich Feinheiten herausschälen. Wie ein roter Beerenfrucht-Spiegel etwa duftet die „Hausmarke“ – Weichseln, Himbeeren, aber auch die eine oder andere dunkle Beere. Doch fein gedämpft wie von der Staubschicht auf einer alten HiFi-Box kommen diese Noten an die Nase. Es gibt keine Säure-Spitzen im Geruch, stattdessen wird alles sanft und abgerundet, vielleicht sogar mit einem Klecks Haselnusscreme versehen.
Auch im Mund kann man diesen Rotwein wie einen Kiesel hin und herschieben, so „soft“ und ohne Kanten wirkt dieser 2019er aus dem Burgenland in seiner Textur. Doch wenn es um seinen Geschmack geht, sieht es anders aus: Ein rotfruchtiger Nerv durchzieht die Cuvée und spannt eine Bogensehne von der anfänglichen Fruchtigkeit zur leichten Pikanz von Rotem Paprika ganz hinten im Rückaroma. Verblüffend ist, wie engmaschig und aromatisch dicht dieses Zusammenspiel der drei Rebsorten funktioniert.
Die strengere Gangart bringt die embryonale Phase der Blaufränkisch Reserve 2018 mit. Sie ist gerade einmal antrinkbar, aber auch für Burgenland-Novizen bleibt das Potential dieses Weins klar erkennbar. Und es beginnt sich schon im Duft des Blaufränkisch zu zeigen: Als wären herbe Früchte (Preiselbeeren?) in ein kühles Kirschkompott gefallen: So intensiv und nach roten Früchten duftet dieser Rotwein. Es ist eine feine Fruchtigkeit „alter Schule“, werden sich Kenner der Blaufränkischen vor dem Siegeszug der Barriques erinnern. Keine Süße begleitet diesen Duft, sondern eine herbe Art, die zusammen mit der Säure, die man ebenfalls zu erkennen meint, an Dirndln (Kornellkirschen) oder rote Apfel-Schalen erinnert.
Dabei ist der 2018er ein ganz freundlicher Wein, der auch am Gaumen mit viel Frucht zu prunken weiß. Nur dass auch sie wieder eine kühle Schulter zeigt und die Kirsche zwar kenntlich ist, aber ohne Süße auskommt. Vielmehr geht sie eine Liaison mit dem Tee-artigen Gerbstoff ein, der auch ein wenig Orangenschalen einbringt in den Geschmacksreigen. Das dunkel-würzige Finale lässt auch etwas Schwarze Olive und Johannisnuss aufblitzen. So wird der 2018er auch noch in einem Jahrzehnt für einen beeindruckenden Auftritt sorgen!
Sicher an der BF-Spitze: Alte Reben 2018
Unerreicht allerdings ist ein anderer 2018er, der – so vorsichtig wir mit Superlativen sind – zu den Top 3 der Sorte in Österreich gehört. Moric Lutzmannsburger „Alten Reben“ signalisieren schon mit der scharlachroten Robe Noblesse. Für die Nase leistet das dann die pure Würzigkeit. Frucht kommt allenfalls als Heidelbeere durch, denn die an Rauchchili erinnernden „Spice“-Noten schieben sich weit vor die Frucht. In der zweiten Lesung kommt Sauerkirsche, das Signet der Sorte, zum Vorschein, während am Glas-Innenrand der unglaubliche Extrakt nicht und nicht nach unten schlieren will. Wie eine geheime Kraft widerstrebt er der Schwerkraft, während sich mit Zimt und Minze unerwartete Töne über die Fleischsaft-ähnliche Herz-Note legen.
Nachdrücklich und seidig zugleich – der Widerspruch als Kennzeichen großer Weine zeichnet auch Velichs 2018er aus – geht es im Mund weiter. Der Lorbeer-intensive Gerbstoff sorgt für kräftigen Einstieg am Gaumen, während erst „um die Ecke“ auch die Säure und die Würze des Blaufränkisch sitz. Wohlgemerkt, wir befinden uns in einem jugendlichen Stadium. Und doch ist erkennbar, dass bei den „Alten Reben“ alles da ist. Denn auch der saftige Kern aus dunkler Frucht und beinahe getrocknet wirkender Weichselkirsche zeigt Präsenz.
Dass sich in Österreich eingebürgert hat, den Lutzmannsburger von Moric zehn Jahre „wegzusperren“, stellt ihn in eine Reihe mit großen internationalen Rotweinen. Vor allem die tiefreichende Würzigkeit zeigt bereits jetzt – in der Nase wie im Finale am Gaumen -, dass die Reise des 2018ers auch genau dort hingehen wird. Jedenfalls: Schwere Lagerempfehlung!
Bezugsquelle:
Moric, Blaufränkisch „Hausmarke“ 2019 kostet EUR 14,50, die „Reserve“ 2018 ist um EUR 29,90 zu haben und der Lutzmannsburg „Alte Reben“ 2018 kostet EUR 79, alle beim Versandhandel Pinard de Picard, www.pinard-de-picard.de