Je älter, desto teurer. Was beim Wein (mit Einschränkungen) und beim Whisky wie allen anderen fassgereiften Spirituosen funktioniert, kann man auch mit Kaffee versuchen. Aged oder Vintage Coffee allerdings macht es den Röstern nicht ganz so leicht. Denn die Chemie ist ein Hund. Oder auch ein alter Hut. Denn jahrhundertelang war “gereifter” Kaffee die Regel. Schiffstransporte aus den Anbaugebieten wie dem Yemen, Indien und Indonesien dauerten schon viele Monate – und davor wartete die koloniale Fracht bereits im Lagerhaus. Daran änderte erst der Suez-Kanal etwas. Und wenn man der Literatur traut, war der schneller transportierte und somit frischere Kaffee zunächst einmal gewöhnungsbefürftig für seine europäischen Konsumenten.
„Were it not for the large capital required, many roasters would permit their coffees to age more thoroughly before roasting.” Charles W. Trigg in ,,All about Coffee” (New York, 1922)
Wohlgemerkt sprechen wir von grünem, also ungeröstetem Kaffee. Einmal vom Röster veredelt, tickt die Uhr des Verderbens nämlich. Daher gilt die Empfehlung, immer frisch zu mahlen für den Espresso, und auch möglichst frischen Kaffee zu verwenden. Ein halbes Jahr nach dem Rösten ist vom ursprünglichen Aromen-Potpourri nämlich nur mehr wenig vorhanden.
Im Zuge der generellen Retro-Bewegung war es nur eine Frage der Zeit, bis man wieder mit der Kaffee-Reifung experimentierte. Die schrägen Methoden, zu denen man Anno 1900 griff – Charles W. Trigg berichtet von Magnetfeldern, denen man den Grünkaffee aussetzte – sind zwar Geschichte, doch auch fassgelagerter Kaffee wird heute international angeboten. Bei Nespresso ging man es hingegen ganz klassisch an und ließ den grünen Kaffee, konkret kolumbianischen, drei Jahre lange liegen. Schon in den späten 1970er Jahren erschienen die ersten Studien zum Alterungspotential des Kaffees aus Kolumbien. Denn die Säcke einfach drei Jahre wegzusperren, damit ist es nicht getan.
Grün-Kaffee gleicht in seinem Fettgehalt den Ölsaaten, wobei wiederum Arabica deutlich mehr Lipide enthält (13-17%) als Robusta (7-11% des Gewichts). Was für den Geschmack nach der Röstung maßgeblich ist, erweist sich bei der Lagerung als kritisch. Was die Wissenschaft „Fettverderb“ bzw. Lipidoxidation nennt, kennen wir als Ranzig-Werden aus dem Butter- oder Öl-Vorrat in der Küche. Da der Vorgang von Temperatur, Sauerstoff-Anteil und Luftfeuchtigkeit abhängt, liegt in der konstanten Überwachung der Lagerhäuser der entscheidende Schritt. So wird es ein vollmundiger Vintage Coffee und kein durch Überlagerung verdorbenen Kaffee.
Die erwähnten 2014 geernteten Bohnen kommen nun in den Handel und Nespressos Neuer mit dem Namen „Vintage 2014“ duftet schon beim Verlassen der Kapsel-Maschine intensiv nach Haselnuss. Auffällig bei allen drei Kost-Durchgängen war die schöne Crema des „gealterten“ Kaffees. Neben der Bitterschokolade im Duft schleicht sich auch ein ungewöhnlicher Geruch ein – kalter Rauch. Die Tasse selbst bringt wenig Säure mit, dafür satte, dunkle Aromen: Pekan-Nuss, dunkler Toast, aber auch Brombeere notieren wir. In der internen Skala Nespressos mit einer 7 eingestuft, wirkt er intensiver. Das mag an der ungewöhnlichen Cremigkeit der bitterschokoladigen Limited Edition liegen. Bier-Kenner wird diese Kombination an ein Stout erinnern. Im Gegensatz zum Bier bleibt hier die Bitterkeit aber in der Mitte des Trinkverlaufs konzentriert; im Abgang wird der „Vintage 2014“ schlanker und klingt mehr herb, als wirklich bitter aus.
Kräftig entwickelt sich aber die Rauchnote, die man so nicht kennt von Nespresso – im Tassen-Rest nimmt man sogar selchige Töne wahr. „The Smoky Vintage“ könnte man auch sagen zum speziellen Geschmacksprofil der Limited Edition. Wäre der 2014er-Lagerkaffee ein Whisky, um wieder an ein anderes gereiftes Genussprodukt zu erinnern, käme er von der Insel Islay.
Bezugsquelle:
Nespresso, „Vintage 2014“ (Limited Edition) ist um EUR 5 pro Schleife (zehn Kapseln) in allen Nespresso-Boutiquen sowie im Online-Shop erhältlich, www.nespresso.com