Wenn ein Winzer doppelt sieht, darf man diesen Gag nicht verschenken. Also bringt ihn Roland Kroiss auch auf seiner Homepage. In Illmitz betreibt man nämlich ebenso Weinbau wie in Wien Sievering. Während seit 2014 Junior Andreas die burgenländischen Rieden „bespielt“ (unter anderem mit einem grandiosen Chardonnay aus dem Akazienfass!), widmet sich Vater Roland den ehemaligen Braunsperger-Gründen. Der Name der Buschenschank seines Schwiegervaters lebt noch weiter in der umzäunten Lage hart am Sieveringer Friedhof. „Wir waren aber die ersten, die die Lage Hackenberg extra gefüllt haben“, erzählt Kroiss, was sich in diesen zehn Jahren getan hat.
Und so findet sich mitten zwischen SUV und den „gemachten“ Gesichtern ihrer blonden Lenkerinnen ein traditioneller Winzerbetrieb im 19. Bezirk. Es gibt leichtere Aufgaben, als hier Wein zu machen. Nicht wegen dem Umfeld, aber wegen der Witterung, die etwa 2014 gnadenlos zuschlug. Speziell in Wien setzte es im Jahrgang 2014 Fäulnis wie aus dem Leerbuch ((c) Fritz Wieninger). Die Erntemenge sanken, speziell bei den Lagenweinen, gelesen wurde „fast mit der Nagelschere“. Das wiederum sagt Jutta Ambrositsch. Es wird also wenig Wein sein – und wir werden trotzdem sein. Und ihn trinken wollen.
Etwa den Gemischten Satz, den Erika und Roland Kroiss kredenzen. Der „Mitterberg“ riecht nach Granny Smith, Ringlotten und säuriger Ananas, dazwischen auch ein wenig rauchig. Grüner Veltliner und Weissburgunder sind die dominanten Sorten in diesem „field blend“, der Wiener Spezialität. Der erste Schluck changiert zwischen Limette und grünem Apfel, es ist reichlich Frische vorhanden, aber – und das ist selten 2014 – keine eindimensionale Säurigkeit. Dem knackigen Auftakt folgt ein zart herbes Finale, sicher kein Wein für die Ewigkeit, aktuell schlägt sich der Mitterberg 2014 aber besser als das Gros des Jahrgangs. Wie haben Sie das gemacht, Herr Roland?
Und so nebenbei erklärt der Winzer, wie man in diesem Jahr vorgeht, in dem vielfach entsäuert wurde, um einen nicht eindimensionalen Wein zu erhalten. Die genaue Abstimmung ist wichtig, denn geht die restliche Weinsäure zurück, trägt nichts mehr den Wein. Müde vor der Zeit und demnächst tot, lautet der Befund. Wir mussten ihn vielen 2014ern schon ausstellen. Doch die Sieveringer Serie hat definitiv Leben. Diesem ging allerdings nächtelanges Rechnen voraus, denn Roland Kroiss versucht zunächst die Doppelsalzentsäuerung an einer Flasche Wein.
Da sitz ich dann mit der Apotheker-Waage und behandle eine Flasche Wein, als ob sie der Stahltank wäre.
Roland Kroiss, Winzer
Das bedeutet zwar kleinste Mengen – Zehntelgramm sind abzumessen für die erlaubte Besserung – aber auch ein recht bald abrufbares Ergebnis. Hat sich der Trub abgesetzt in der Flasche, wird klar, ob man zu viel oder zu wenig entsäuert hat. Erst dann wird das „Rezept“ auf den Wein im Tank umgerechnet. Viel Aufwand, aber ein sinnvoller.
Denn der Grüne Veltliner „Reissern“ 2014 hat nicht die an weißen Rum erinnernde Kokosnote und saftige Limettenfrucht zu bieten, wie sie den 2013er prägte. Statt der exotischen Art punktet er mit sortentypischem Duft: Gelber Apfel, Grapefruit, ein zartes „Pfefferl“ und sogar etwas rauchige Mineralik sind da. Knackig und mit einem Potpourri an gelben Früchten kommt der GV auf den Gaumen; die Balance gibt ihm ein höherer Zuckerrest, auch er ein Beispiel für die Präzision Kroiss‘. Sechs Gramm sind es, dafür konnte er weniger aggressiv beim Entsäuern agieren. Frisch in jeder Phase, braucht man hier keine Angst haben, dass der Wein in einem halben Jahr „umfällt“. Was nicht nur an den Rechenkünsten und der Apotheker-Waage liegt – hier haben zwei Generationen ein Handerl.
Bezugsquelle:
Weingut Kroiss, Gemischter Satz „Mitterberg“ 2014 ist um EUR 11,50, der Grüne Veltliner „Reissern“ 2014 ist um EUR 8 ab Hof erhältlich, www.rolandkroiss.at