Das ist halt Vielfalt: Dynamische Glatzenträger, gut frisierte Youngsters im Anzug und ältere Herren im Ruderleiberl. So verschieden wie die Winzer sind auch die Weine, die von der ungarischen Seite des Eisenbergs stammen. Die sprachlichen Unterschiede maskieren die geologischen Gemeinsamkeiten, das Komitat Vas heißt übersetzt Eisenburg und der Eisenberg weicht davon nur einen Vokal ab. „Die Grenze ist eher ein Zufall“, bringt es Rainer Garger auf den Punkt, der als Österreicher seine Weingärten auf der ungarischen Seite pflegt. Ab dem Jahr 2000 hat er Lagen gekauft, die teils „seit 60 Jahren brach gelegen sind und keine Chemikalie gesehen haben“. Vinifiziert wird sein Blaufränkisch (oder besser: Kékfrankos) mit dem Know How von Reinhold Krutzler und das allein macht bereits neugierig auf den „Nador“ (den er am Foto links einschenkt).
Langstrecken-Läufer Nador mal vier
Vier Jahrgänge wurden gekostet; vom noch verschlossenen, röstig-dichten 2012er Fassmuster über die noch in der Flasche reifende Version 2011 („würzig unterlegte Kirschnoten, schwarze Olive und deutliche Säure“, wurde notiert) – einer typische Eisenberger Rotwein-Machart mit 14 Volumsprozenten, die aber erst in drei Jahren Spaß machen wird – bis zum leider ausverkauften Nador 2009. Der älteste Jahrgang zeigte, wie schön diese Weine sich entwickeln. Richtiggehend süffig – auch hier reden wir von 14% – kam der Kékfrankos mit seinen würzig-dunklen Espresso- und Wacholdernoten auf den Gaumen. An Erdbeer-Marmelade erinnert die Fruchtkomponente im Duft des „aktuellen“, also 2010er Nador, dazu kommen Kümmel, Schwarztee und Olive. Den Mund kleidet der Blaufränkische aus Ungarn sofort aus, die Fruchtigkeit der Kirsche wird von einer säurigen Note begleitet, Orangenzeste schimmert durch, das Tannin hingegen pfeift auf solches Leisetreten und legt sich deutlich herb auf den Gaumen. Lorbeerblatt und Wacholder seien für diese, vor allem im Abgang deutliche, bittere Würze als Analogien genannt. Hier paßt – auch weil es mit 5,1 Promille Säure der „mildeste“ Jahrgang bei diesem Wert war – schon recht viel, lagern kann man den Nador 2010 aber durchaus noch vier Jahre, das sollte dann Freude machen.
Das Beste ist schon vergriffen
Doch Gargers Premiere ist nur der Anlass, in seiner Gesellschaft befindet sich auch József Szentesi, der in der Nähe des Velence-Sees auf autochthone ungarische Sorten setzt. Wenngleich „das heurige Jahr nur kleine Mengen ergeben wird“, wie der Winzer meint. Die alte Rebsorten sind zwar fast unaussprechlich für Nicht-Magyaren, beim mitgebrachten Riesling 2012 („Stollwerck und zarte Banane im Duft, eigenwillig und mit Eisenton am Gaumen“) kennt man sich schon eher aus, erst recht bei den Blaufränkischen. Leider sind die beiden Kékfrankos 2009 und 2006 bereits ausverkauft, falls sie Ihnen unterkommen, wären sie ein „strong buy“: Schwarztee und Leder prägen den Duft des älteren, der fast im Bordeaux-Stil daher kommt. Dicht und intensiv, mit zarten Erdbeer-Tönen und einer überraschend jugendlichen Säure, die ihm einen wirklich schönen Sortenausdruck verleiht, klingt er aus. 2009 wurde es der fleischig-pfeffrige Typus, der ebenfalls noch viel Zeit hat, aber vor allem Freunde der dunkleren Stilistik (schwarzer Pfeffer, Balsamico, schwarze Olive und Graphit stehen zu Buche) begeistern kann.
Wenn schon Mint, dann Furmint
Von den noch erhältlichen Weinen, ragte der Zengö des Jahrgangs 2012 heraus. Ein mutiger Wein, dem die 20 Gramm Restzucker bestens passen: Quitte und Melone im Duft, dazu saftig und recht fett am Gaumen, erinnert er an Grauburgunder, ein ähnlich guter Speisenbegleiter ist dieser unkonventionelle ungarische Weisse. Und weil wir gerade davon sprechen oder schreiben: Furmint gab es in beeindruckender Zahl und unterschiedlichsten Stilen. Salzig wie ein guter Meursault zeigte sich etwa der „Krakó“, ein Lagen-Furmint aus dem Hause Pendits. Er riecht nach Quitte und Mostbirne, auch ein wenig nach Klarlack. Harzig, salzig und röstig wie Sesamkörner zeigt sich dieser ungewöhnliche Wein dann am Gaumen, im Finale gibt es noch einen leichten Stachelbeer und Paprika-Touch.
Fans der Sorte sollten sich auch das Weingut Dobogó in der Region Tokaj merken. Das 1869 gegründete Haus produziert nicht nur den klassischen Süßwein (Jahrgang 2007 mit 175 Gramm Restzucker erinnert an eine Bitterorangen-Marmelade, so banlanciert ist Säure und Süße des 6 puttonyos Tokajers). Der Furmint wird auch trocken ausgebaut und das gleich in mehreren Varianten.
Der Sortenausdruck, ein Apfel-Birnen-Mix im Duft und eine milde, zart herbe und damit an Apfelschalen erinnernde Aromatik, waren am ausgeprägtesten beim „Dobogó Furmint 2006“. Eine Klasse für sich stellte der aus einer Einzellage stammende „Betsek“ 2011 dar: Mango, Kokos, Nashi-Birne und Pomelo prägen den ungewöhnlichen Duft. Am Gaumen denkt man fast an Quittenlikör, wenn der Wein loslegt. Das ist pikant, aber auch voller spannkraft, gelbe Paprika geben dem Kind einen Namen. Sie treten erst im Abgang hervor, davor kann man die Aromen, irgendwo zwischen gelben Früchten und süß-saure Sauce, schwer benennen. Fest steht nur: Das ist einmal ein wirklich eigenständiger Wein, dem man gerne öfter begegnen würde. Egal, ob diesseits oder jenseits der Grenze .
Bezugsquelle:
Garger, „Nador“ 2010 ist um EUR 24,90 bei der Weinhandlung Am Hof bzw. Schaeffers/Graz erhältlich, erhältlich, der Jahrgang 2011 kann vorbestellt werden, www.weinamhof.at bzw. www.schaeffers.at
Szentesi Pince, Zengö 2012 ist um EUR 8 ab Hof erhältlich, die Blaufränkischen – aktuelle Jahrgang 2012 – um EUR 25, am besten via mail (jszentesi@gmail.com) an den Winzer. Alternativ bei www.weinamhof.at anfragen!
Tokaj Pendits, Furmint „Krakó“ 2011 ist um EUR 15,90 bei Rainer Gargers Weinmanufaktur Eisenberg, www.nadorwine.com, zu beziehen.
Dobogó, Furmint 2006 und 2012 ist um EUR 13 bzw. EUR 8 erhältlich, der Tokaji aszú 2007 um EUR 38 und der Lagen-Furmint „Betsek“ 2011 um EUR 13; alle vier über www.nadorwine.com.